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Düsseldorf: Aufruf zu einer Antirassistischen Demonstration

Demonstration am 7. April 2001

„Wir geben denen eine Stimme, die keine haben“
Zusammen kämpfen für die Rechte von Flüchtlingen und MigrantInnen

Der Bombenanschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn und der Brandanschlag
auf die Synagoge löste eine Welle staatlichen „Antifaschismus“ aus. Bundeskanzler
Schröder rief zum „Aufstand der Anständigen“ auf, führende Politiker wie Ministerpräsident Clement gingen auf die Straße gegen „rechte Gewalt“ und für „Menschenwürde“. Deutschlands Image als attraktiver Wirtschaftsstandort im Ausland drohte zerstört zu werden. In New York wurde z. B. Düsseldorfs Oberbürgermeister Erwin nicht mehr nach dem attraktiven Wirtschaftsstandort
Düsseldorf befragt, sondern nach dem wachsenden Neofaschismus und der Gefahr für ausländische
Investoren. Erleichtert wies man nun mit dem Finger auf die kleine Minderheit kahlgeschorener Neo -nazis,die von der Gesellschaft bisher toleriert, nun aber als von ihr völlig isoliert betrachtet werden. Das Problem des „Rechtsextremismus“ wurde von PolitikerInnen und Medien für die Öffentlichkeit neu entdeckt. Der rassistische Alltagsterror, der in über
100 Morden in den letzten Jahren gipfelte, wurde zum großen Teil von Staat und Gesellschaft
ignoriert, geleugnet und vertuscht. Empörung überall, was folgte war der Ruf nach dem starken Staat, für ein NPD-Verbot, eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit, kurz: dem Abbau demokratischer Grundrechte. Verschwiegen wurde der staatliche und gesellschaftliche Alltagsrassismus, der geprägt ist
von Abschiebungen, der diskriminierenden Behandlung und der Rechtlosigkeit
von Flücht-lingen und MigrantInnen in der BRD. Von Abschiebeknästen, Sondergesetzen für
Asyl-bewerberInnen war keine Rede. Auf den Bühnen des antifaschistischen Staatstheaters stan-den
führende Politker wie: SPD-Innenminister Schilly, der noch vor kurzem die Abschaffung des Asylrechts forderte; NRW‘s Ministerpräsident Clement, der in NRW für den zweitgrößten
Abschiebeflughafen in der BRD verantwortlich ist; CDU OB Erwin, der im Düsseldorf Rathaus
Neonazis wie Thorsten Lemmer die erste Strophe des Deutschlandliedes singen
ließ. Gerade jene zeigten sich plötzlich als „aufrichtige Antifaschisten“, die
verantwortlich für den staatlichen Rassismus und die Stichwortgeber für die Neonazis auf der
Straße sind. Flüchtlinge und MigrantInnen, die tagtäglich gegen die Asylpolitik, gegen
gesellschaftliche Ausgrenzung und rechte Gewalt zu kämpfen haben, wurden ausgeklammert. Ihre
Probleme, ihre Situation, ihr Alltag im „Einwanderungsland“ Deutschland ist nicht
thematisiert worden. Im Gegenteil, es begann sich die Debatte um „kontrollierte Zuwanderung“ und die
„Greencard“. Der einstige Wirtschaftsflü chtling mutiert zum IT-Inder, wenn er denn die
deutsche Wirtschaft zu retten vermag. Einmal mehr wurden „Nichtdeutsche“ nur nach ihrer
Leistung und ihrer Arbeitskraft bewertet, vom Flüchtling zum „Nützling“. Der Aufenthalt des
Flüchtlings in der BRD hängt davon ab, was er an Qualifikation, an Leistung und Nutzen mit
sich bringt, nicht von seiner Notlage oder seiner politischen Verfolgung im Herkunftsland. Nach diesen Kriterien wird selektiert, wer keine Verwendung für den deutschen Arbeitsmarkt
oder die Sicherung der Rente findet, landet erst im Abschiebeknast und wird dann wieder ins
Herkunftsland abgeschoben.

Die Situation von Flüchtlingen

Die Lebensverhältnisse von Flüchtlingen in Deutschland sind erbärmlich und
menschen-unwürdig. Während dem deutschen Schäferhund 12 m² zustehen, haben Flüchtlinge laut Gesetz Anspruch auf 3 m² private Wohnfläche. Die AsylbewerberInnenunterkünfte sind
oft eingezäunt,Pförtner kontrollieren Besuche sowie den Ein– und Ausgang der BewohnerInnen.
Diese Unterbringung fördert nicht die Integration der Flüchtlinge, sondern isoliert sie von der
Gesellschaft und macht sie zur Zielscheibe neonazisitischer Angriffe.

->Schließung der AsylbewerberInnenheime und Unterbringung in Wohnungen.

Die sogenannte Residenzpflicht schränkt das — vom Grundgesetz garantierte — Recht auf
Freizügigkeit ein. Sie hindert Flüchtlinge daran, ihren Landkreis bzw. ihre Stadt ohne gebührenpflichtige Genehmigung der Ausländerbehörde zu verlassen. Ignorieren sie diese Regelung, droht ihnen eine Geldstrafe und im schlimmsten Fall die Abschiebung. Der
Kontakt zu Freunden und Verwandten wir hierdurch enorm erschwert. Vielen politischen
Flüchtlingen wer den Reiseerlaubnisse verwehrt, gerade wenn sie zu kulturellen oder
politischen Zusam-menkünften
fahren wollen.

->Abschaffung der Residenzpflicht!

Den Flüchtlingen wird auch unter der rot-grünen Regierung der Zugang zum Arbeitsmarkt verwehrt.
Sie erhalten aber auch nur einen Teil der gesetzlichen Sozialhilfe. In vielen Orten wird
ihnen die Sozialhilfe aber nur in Form von Lebensmittelpaketen oder -gutscheinen ausgehändigt. Damit wird ihnen jede Perspektive auf ein selbstbestimmtes Leben genommen.

->Aufhebung des Arbeitsverbotes für Flüchtlinge und eine finanzielle Gleichstellung im Sozialrecht.

Die Auswirkungen des kapitalistischen Systems wie Bürgerkriege, Hunger, Folter und politische
Verfolgung zwingen weltweit Millionen von Menschen dazu, ihre Herkunftsländer zu ver-lassen.
Die meisten fliehen in die Nachbarländer und nur die allerwenigsten erreichen überhaupt
Westeuropa, ein Bruchteil von ihnen kommt in die BRD. Trotzdem werden jedes Jahr allein aus NRW Tausende von Flüchtlingen, ohne Berücksichtigung der politischen Situation in den Herkunftsländern, abgeschoben. Den Zurückgeschobenen droht bei der Ankunft oft Gefängnis und sogar der Tod. Bis zur eigentlichen Abschiebung werden die „Schüblinge“ (so werden abzuschiebende Flüchtlinge im Bundesgrenzschutz-Jargon genannt) in extra Abschie-beknästen
inhaftiert oder direkt am Flughafen in Sammellagern monatelang interniert,
darunter´sogar Kinder. Viele Flüchtlinge, die traumatisiert aus ihrem Land fliehen
mußten, halten der psychischen Belastung der deutschen Abschiebemaschinerie nicht stand; die
Folge sind zahlreiche Selbstmorde.

-> Abschiebeknäste und Sammellager auflösen! Bleiberecht für alle!

Wer gegen Neonazis demonstriert, sollte dabei nicht vergessen, daß durch die perfekte Abschiebemaschinerie dieses Staates in den letzten zehn Jahren mehr Flüchtlinge ums Leben
gekommen sind, als bei neonazistischen Angriffen.
Nazis morden, der Staat schiebt ab, das ist das gleiche Rassistenpack!

Demonstration am Samstag, 7. April 2001,
12.00 Uhr
Auftakt „Schadowplatz“ in Düsseldorf


Aufrufer:
Antifa-KOK,
The Voice,
Antifaschistische und antirassistische Gruppen,
Flüchtlingsinitiativen


 http://www.atifakok.de

 

27.03.2001
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