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Berlin: Bericht vom dritten Prozesstag

3.Prozesstag (5.4.01): Zweiter Versuch im Mai?
Der Berliner RZ-Prozess wird wahrscheinlich Mitte Mai komplett neu aufgerollt. Für alle Angeklagten sollen mündliche Haftprüfungen stattfinden. Der Prozess wurde auf kommenden Donnerstag, den 12. April, vertagt.
Die Vorsitzende Richterin Gisela Hennig hat am heutigen dritten Prozesstag angekündigt,
die laufende Hauptverhandlung am kommenden Donnerstag voraussichtlich auszusetzen.
Erwartungsgemäß wird das Gericht an diesem Tag entscheiden, das laufende Verfahren
mit dem Prozess gegen Rudolf Sch. in der gleichen Sache zu verbinden. Dann jedoch
benötigen die Anwälte von Rudolf Sch., Hans Wolfgang Euler und Stefan König, Zeit, um
sich in die 115 Leitz-Ordner umfassenden Akten einarbeiten zu können. Die
Hauptverhandlung muss dann von vorne beginnen, wofür heute Termine zwischen Anfang
und Mitte Mai genannt wurden.
Rudolf Sch. und der Berliner Prozess
Rudolf Sch. soll nun doch in Berlin der Prozess gemacht werden, nachdem der
Bundesgerichtshof (BGH) in der vergangenen Woche einen anderslautenden Beschluss
des Berliner Kammergerichts aufgehoben hatte. Dessen 2. Senat war davon
ausgegangen, dass der staatliche Strafanspruch gegen den 58jährigen mit dem Urteil im
Frankfurter OPEC-Prozess verbraucht sei und hatte eine Eröffnung der Hauptverhandlung
gegen Sch. abgelehnt. Der BGH entschied das Gegenteil.
Die damit nun doch noch zur Verhandlung kommende Anklage gegen Rudolf Sch. stimmt
weitgehend mit der gegen die vier anderen Angeklagten überein und fußt – abgesehen von
den Personenakten – auf genau den gleichen Akten. Der einzige Unterschied besteht
darin, dass Rudolf Sch. zusätzlich Rädelsführerschaft vorgeworfen wird, dafür aber nicht
die Beteiligung an dem Anschlag auf die Siegessäule 1991. Die beiden Anwälte von
Rudolf Sch. waren während der Verhandlung heute bereits anwesend und RA König gab
an, dass er sich bis Mitte Mai unter Verkürzung der üblichen Frist ausreichend in die Akten
einarbeiten könne. Bisher seien ihm allerdings weder die Anklageschrift noch die 115
Ordner umfassenden Akten zum bisherigen Berliner Verfahren zugestellt worden.
Richterin Hennig sprach sich heute ausdrücklich für eine Verbindung der beiden Verfahren
aus und begründete dies vor allem mit prozessökonomischen Erwägungen. Sie machte
die Entscheidung über die Verbindung und die daraus resultierende Aussetzung der
bereits laufenden Hauptverhandlung heute nur noch davon abhängig, dass sich in den
Personenakten zu Sch. keine Besonderheiten finden würden. RA Euler gab daraufhin an,
dass sich in den Personenakten zu Rudolf Sch. – die Angaben über seine Person, den
Stand seines Verfahrens usw. enthalten – "keine Überraschungseier" finden würden.
Dennoch wollte das Gericht heute nicht endgültig über diesen Punkt entscheiden, sondern
den förmlichen Weg beschreiten. Dazu müssen dem 1. Senat des Kammergerichts die
fehlenden Akten zunächst vorgelegt werden mitsamt der Aufforderung des 2. Senats, der
1. Senat solle den Prozess gegen Rudolf Sch. mit dem laufenden Verfahren verbinden.
Das kann allerdings noch dauern, denn die Leitz-Ordner sind unterwegs irgendwo
zwischen Berlin und Karlsruhe, zwischen Bundesanwaltschaft (BAW), BGH und den
Senaten des Berliner Kammergerichts. Weder das Gericht noch die BAW wissen, wo die
Akten sich zur Zeit genau befinden.
Untersuchungshaft beenden?!
Für die vier Angeklagten, die seit über 11 bzw. 15 Monaten in Untersuchungshaft sitzen,
bedeutet die heutige Entwicklung vor allem weitere fünf Wochen Haft ohne Fortschritt im
Verfahren. Sollte es zu weiteren Verzögerungen beim Aktentransport kommen oder sollten
die Ordner gar abhanden kommen, so wird eventuell auch in der kommenden Woche noch
nicht über die Verbindung der beiden Verfahren entschieden werden.
Im Zusammenhang damit wiesen die Anwälte einmal mehr auf die unzumutbare,
unverhältnismäßig lange Dauer der Untersuchungshaft hin. Diese wird nun weiter in die
Länge gezogen, obwohl es sich bei der verspäteten Anklage gegen Rudolf Sch. um ein
"hausgemachtes Problem der Bundesanwaltschaft" handele, wie RAin Edith Lunnebach
sagte. Im Anschluss an die – hoffentlich kommende Woche ergehende – Entscheidung
über die Verbindung der Verfahren sollen deshalb nichtöffentliche mündliche Haftprüfungen
für alle vier Angeklagten stattfinden. Dort wird dann erstmals die Möglichkeit bestehen,
dem Senat die Lebensumstände der Inhaftierten darzulegen, um den Haftgrund
Fluchtgefahr zu entkräften. Die Anwälte drängten in dieser Frage auf eine ernsthafte
Prüfung. Die BAW zog sich diesbezüglich heute auf einen routinemäßig erlassenen
Beschluss des BGH vom 16.3. zurück, in dem die Fortdauer der Haft für weitere drei
Monate angeordnet worden war.
Die Stimmung auf den Zuschauerbänken war gut, auch wenn die Besucher bis zu eine
Stunde lang auf Einlass warten mussten. Zu Beginn der Verhandlung hatte RAin Andrea
Würdinger bereits darauf hingewiesen, dass ca. 15 Personen pünktlich zum Prozess
erschienen waren, aber noch nicht eingelassen wurden.

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06.04.2001
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