Münster: Selbstverständnis & aktuelle Infos zur Hausbesetzung
Münster, den 17.April 2001
ERKLÄRUNG
DER INITIATIVE FÜR EIN SOZIALES / KULTURELLES / POLITISCHES
ZENTRUM IN SELBSTVERWALTUNG
Unser Selbstverständnis:
Mit der Besetzung des ehemaligen Gesundheitsamtes an der Robert-
Koch Straße realisieren wir unser Konzept für ein
selbstverwaltetes soziales / kulturelles / politisches Zentrum und
setzen damit fort, was mit der Räumung der besetzten
Uppenbergschule im Februar 2000 seitens der Stadt blockiert und
zerstört wurde.
Zur Umsetzung unserer Ideen und Utopien wählen wir die Aktionsform
der Hausbesetzung (als eine direkte Aktion), da seitens der Stadt
auch nach der Räumung der Uppenbergschule keine Bereitschaft
erkennbar war, uns ein geeignetes (Ersatz-) Objekt anzubieten.
Anstatt uns in langwierigen und aussichtslosen Verhandlungen von
der Stadt abhängig zu machen, wählen wir mit dem Prinzip der
direkten Aktion den Weg der Eigeninitiative und schaffen uns dabei
eine "temporär autonome Zone".
Es obliegt nun zwar der städtischen Macht, das Zentrum erneut
durch einen Polizeieinsatz (gewaltsam) räumen zu lassen. Doch was
uns niemand nehmen kann, ist die Erfahrung, daß unser Projekt
nicht als bloßes Konzept, sondern vielmehr als etwas Lebendiges
existiert - getragen von zahlreichen Gruppen, Initiativen und
Einzelpersonen. Der Kampf für ein Zentrum geht weiter - jeder Tag
ist ein gewonnener Tag!
Die Stadt ist nunmehr vor die Wahl gestellt, ihren Unwillen
gegenüber einem Zentrum in unserem Sinne durch eine erneute
Räumung unmißverständlich auszudrücken oder aber ihrer städtischen
Verantwortung für die Raumbedürfnisse eines breiten Spektrums
sozial, kulturell und politisch arbeitender Gruppen, Initiativen
und Einzelpersonen nachzukommen.
Wir fordern die Stadt auf, uns das ehemalige Gesundheitsamt an der
Robert-Koch Straße zu überlassen. Das Gebäude soll in den Besitz
eines unabhängigen Trägers, der von uns bestimmt wird, übergeben
werden, so daß der Fortbestand des Zentrums langfristig garantiert
ist und nicht durch politischen Umschwung oder personellen
Austausch innerhalb von Rat und Verwaltung gefährdet ist. Wir
fordern damit die Grundlage für ein Zentrum in Selbstverwaltung -
für immer!
Der Aspekt der Selbstverwaltung:
Das Projekt wird von allen getragen, die es nutzen. Als
Organisationsform gibt es ein Nutzer-Innen-Plenum, an dem alle
teilhaben und sich einbringen können, die das Zentrum mit Leben
füllen. Das Plenum entscheidet über alle wichtigen "inneren"
Angelegenheiten. Durch das Prinzip der Selbstverwaltung entsteht
ein Freiraum, in dem jegliche Verantwortung von allen gemeinsam
getragen bzw. reflektiert untereinander aufgeteilt wird: Die
Verantwortung für Reproduktions-und organisatorische Arbeiten,
Entscheidungen usw. soll nicht einigen wenigen überlassen sein,
weil dies einerseits zur Überforderung der betreffenden Personen
führt und andererseits eine Hierarchisierung von Gruppenstrukturen
begünstigt. Statt dessen entsteht ein Lernraum, in dem alle die
Möglichkeit haben, aus altbekannten Verhaltensmustern
auszusteigen: Diejenigen, die eher dazu neigen, Verantwortung
abzugeben, können dabei ebenso viel lernen, wie solche, die
ansonsten eher viel Verantwortung an sich reißen. Wichtig ist uns
dabei auch, den klassischen Geschlechterrollen (Frauen leisten
Reproduktionsarbeit / Männer als Entscheidungsträger und
Aktivisten) entgegen zu wirken.
Ein weiteres wichtiges Prinzip, um verfestigende Machtstrukturen
zu verhindern bzw. abzubauen, ist das Konsensprinzip: Alle
Entscheidungen werden einstimmig getroffen. Das bedeutet, daß
nicht eine Mehrheit über eine Minderheit bestimmt, sondern daß
durch das Vetorecht auch gewährleistet ist, daß das Anliegen
Einzelner wahrgenommen und diskutiert und nicht per Abstimmung
übergangen wird. Dadurch entstehen Diskussionsprozesse, die zwar
langwierig und mühsam sein können, doch werden dabei neue
Handlungkonzepte im Einverständnis aller entwickelt. Die
Notwendigkeit eines solchen Lernraumes besteht nicht zuletzt
deshalb, da wir alle durch eine Kultur geprägt sind, in der
gegenseitige Verständigung und gleichberechtigte Kommunikation
eher fremd ist (hierarchische Familienstrukturen / traditionelles
Schulsystem / eine von oben nach unten organisierte Arbeitswelt).
Wichtig ist es somit, zu lernen, anderen zuzuhören, von eigenen
Standpunkten und Interessen auch Abstand zu nehmen und einander zu
achten, anstatt von der Mehrheitsmeinung abweichende Standpunkte
zu ignorieren. Diese basisdemokratische Organisationsform kann für
viele eine wichtige Neuerfahrung sein.
Diesen Ansatz verfolgten wir bereits mit der Besetzung der
Uppenbergschule im Januar / Februar 2000. Die VertreterInnen der
Stadt waren derzeit nicht zur Kooperation mit unserer Initiative
bereit, ließen das Gebäude schließlich räumen und noch am selben
Tag abreißen. Die seit dem Abriß ungenutzte Sandfläche
verdeutlicht, daß nicht etwa - wie damals behauptet - eigene
Nutzungsinteressen der Stadt, sondern vielmehr der schlichte
Unwillen von Stadtrat und Verwaltung gegenüber einem
selbstverwalteten und nichtkommerziellen Zentrum ausschlaggebend
für die Räumung und den Abriß des Gebäudes war. Unser Konzept
verliert dadurch nicht an Legitimation - deshalb sind wir wieder
da.
Das Zentrum als soziale Schnittmenge:
Uns ist es wichtig, mit den Initiativen, die Teil unseres
Projektes sind bzw. uns unterstützen, ein gemeinsamen Lern- und
Lebensraum zu teilen. Das heißt, wir wollen uns nicht zersplittern
lassen, sondern wir wollen ein Zentrum - nicht einzelne Räume für
alle irgendwo! Es geht darum, kollektiv miteinander zu arbeiten,
und nicht jeder und jede für sich oder in ihren einzelnen Gruppen.
Auch hier sehen wir die gesamtgesellschaftliche Entwicklung in
eine andere Richtung laufen: hin zu einer immer
individualistischeren Lebenskonzeption, in einem
gesellschaftlichen Klima, in dem wir alle die Angst haben, zu kurz
zu kommen, und das von Konkurrenz und ein Gegeneinander-Kämpfen
geprägt ist, statt von wohlwollendem Miteinander. Wir wollen einen
Ort schaffen, an dem wir solidarisch miteinander umgehen und an
dem vieles parallel zueinander stattfinden kann. So entsteht ein
ganzheitliches Projekt, in dem der Vereinzelung vieler Menschen
entgegen gesteuert wird. Durch das Zusammenkommen der vielfältigen
politischen und kulturellen Initiativen entsteht etwas Neues, in
dem wir uns gegenseitig anregen. Wir wollen nicht als verschiedene
Inititativen und Gruppen lediglich unter einer einem Dach zusammen
gefaßt sein und ausschließlich unsere eigene Arbeit betreiben,
sondern uns darüber hinaus auch vernetzen, aufeinander beziehen
und unseren jeweiligen Bereich als einen Teil des Ganzen
betrachten.
Politische und soziale Ausrichtung:
Wir wollen ein offenes Zentrum sein. In unserer Gesellschaft
werden MigrantInnen, Menschen mit anderer Hautfarbe oder Kultur
massiv ausgegrenzt. Wir möchten diese Ausgrenzung nicht mittragen
und fortfahren, sondern in unserem Zentrum auch mit Menschen
zusammentreffen und arbeiten, die den "falschen" Paß oder die
"falsche" Hautfarbe haben - unsere Initiative versteht sich als
antirassistisches Projekt. Außerdem wehren uns gegen die
tagtägliche sexistische und homophobe Diskriminierung. In unserem
Zentrum werden Übergriffe jeglicher Art nicht toleriert, weder
körperliche, verbal / psychische, noch sexualisierte. Parteiliches
Eingreifen für die / den BetroffeneN ist unser Konsens. Zudem sind
wir offen für Menschen, die sich kommerzielle soziale und
kulturelle Angebote nicht mehr leisten können. Auch hier
integrieren wir, anstatt auszugrenzen: Kein Mensch soll ein
Konzert oder eine Party nicht besuchen können, weil er oder sie
nicht genügend Geld hat. Auch hier in Münster wächst die Zahl
derer, die durch das soziale Netz fallen, zunehmend. Unser
Kulturangebot ist dagegen nicht profit-, sondern
bedürfnisorientiert.
Forderungen an Stadtrat und Verwaltung:
Unsere Hauptforderung haben wir durch die Besetzung bereits
deutlich gemacht. Da dieses Haus schon seit langem ungenutzt
leersteht, während unsererseits Raumbedarf besteht, wollen wir die
Räumlichkeiten nun für uns nutzen. Wir beabsichtigen dabei nicht
etwa, das Haus zu kaufen bzw. zu mieten, sondern fordern die Stadt
auf, uns das Haus - ohne finanzielle Gegenleistung unsererseits -
zu überlassen. Uns ist wichtig, daß sich das Haus in freier
Trägerschaft befindet und damit unabhängig von der politischen
Entwicklung in Stadtrat und Verwaltung bleibt. Wir beabsichtigen
nicht, das Gebäude als privaten Wohnraum zu nutzen, sondern
schaffen darin ein offenes Zentrum für alle und erweitern damit
das Kulturangebot dieser Stadt um ein vielseitiges Projekt, wie es
in Münster bislang nicht existiert. Hier liegt es in der
Verantwortung der Stadt, ein geeignetes Objekt zur Verfügung zu
stellen. Durch hohe Subventionierungen kommerzieller Kulturzentren
und den Bau immer neuer und noch größerer "Konsumtempel" (York-
Center, Cineplex, Umgestaltung des Hafenviertels, Parkhaus
Hafenstraße, sowie das geplante Millionenprojekt der Musikhalle am
Hindenburgplatz) wird deutlich, daß der Stadt durchaus Gelder zur
Förderung von Kulturangeboten und sonstigen Projekten zur
Verfügung stehen. Die Entscheidung, ob ein Zentrum - in unserem
Sinne - zugelassen wird oder nicht, ist insofern nicht etwa eine
Geldfrage, sondern vielmehr eine politische Entscheidung!
Unser Projekt trägt sich - was die laufenden Kosten (Strom, Gas,
Wasser, Müll, Telefon usw.) angeht - selbst. Dies ist durch die
stattfindenden Konzerte, Veranstaltungen, Spenden der NutzerInnen,
Verkauf von Getränken usw. problemlos möglich. Hohe laufende
Kosten werden im Haus nicht entstehen, da sämtliche Arbeiten auf
freiwilliger Basis eingebracht werden und somit keinerlei
Personalkosten anfallen. Wir beanspruchen für unser Zentrum
keinerlei Zuschüsse oder sonstige Gelder wie andere (städtische)
Kulturzentren oder soziale Einrichtungen. Wir wollen unabhängige
BesitzerInnen des Zentrums sein und zwar für immer!
UNTERSTÜTZT DAS BESETZTE SOZIALE ZENTRUM IN MÜNSTER JETZT!
Seit Freitag, den 13. April 2001, ist das alte Gesundheitsamt
in der Rober-Koch-Str. besetzt, um dort ein unkommerzielles,
selbstverwaletes soziales und kulturelles Zentrum aufzubauen.
Während der Ostertage verhielten sich Stadt und Polizei ruhig,
ab heute, Dienstag (17.4.), ist jedoch völlig unklar, ob und
wann das Haus geräumt werden soll.
Daher fordern wir alle solidarischen Menschen auf, uns gerade
heute und in den nächsten Tagen zu besuchen und unser Projekt
zu unterstützen.
Her mit den Freiräumen!!!
Viele Grüße,
die Besetzerinnen und Besetzer des Schwarz-Bunten Epizentrums,
Robert-Koch-Str., Münster.
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Wegbeschreibung zum Haus:
Mit der Bahn:
Buslinie 11 (Richtung Gievenbeck), 12 (Richtung Horstmarer
Landweg) oder 14 (Richtung Zoo): Haltestelle HÜFFERSTIFTUNG
ca. 50m zurückgehen, 1.Str. rechts, an der näxten Kreuzung
ist das Haus!
Mit dem Auto:
Autobahn A1, Abfahrt Münster-Nord
Richtung Zentrum
immer geradeaus, bis zum Hindenburgplatz/Schloss(rechte Seite)
danach rechts abbiegen (Gerichtsstr.)
an der 2.Straße links (Himmelreichallee)
1. Straße wieder rechts
das Haus ist nach etwa 300m auf der linken Seite
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