Halle: 9.06. Antirassistische Demo ------:Aufruf
Karawane-UnterstützerInnengruppe Halle
Demoaufruf:
Staatliche Unmenschlichkeit aufdecken
Staatlichen Rassismus bekämpfen
Eine weltoffene Kulturstadt soll Halle sein; die „Aktion Noteingang“
behauptete Zivilcourage gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit ebenso,
wie die jährliche „Woche des ausl. Mitbürgers“ und andere symbolische
Aktivitäten das Bild eines integren und humanen Klimas zeichnen. Auch
einen Präventionsrat gegen Rassismus (u.a.) gibt es neuerdings. OB
Frau Häußler ist Schirmherrin der Aktion Noteingang und des
Präventionsrates. Regelmäßig hebt sie ihre Bürgernähe
hervor.
Gleichzeitig jedoch
werden AsylbewerberInnen Monate lang inhaftiert,
wird Frauen, die einen Flüchtling heiraten (wollen), eine „Scheinehe“
unterstellt,
werden Asylbewerber als Drogendealer vorverurteilt
und zum Zwecke der Abschiebung schwer mißhandelt.
Trotz der rechtlichen und faktischen Möglichkeit kommunaler Selbstverwaltung
rührten weder die Oberbürgermeisterin noch andere Verantwortliche
auch nur einen Finger, um eine seit Anfang des Jahres 2001 drohende und
nun vollzogene Abschiebung zu verhindern und die geplante Heirat eines
Flüchtlings und seiner Freundin zu ermöglichen. Und dies, obwohl
zuerst aus dem Kreise von Bekannten und schließlich auch aus einer
politischen Gruppe auf vielen Wegen und bei vielen Stellen massiv auf die
Situation der Betroffenen aufmerksam gemacht und um die nötige Verlängerung
des Aufenthaltstitels („Duldung“) gebeten wurde. Die Oberbürgermeisterin
war für das Problem seit dem 17.02.01 nicht zu erreichen. Ihre Sprecherin
verbreitete Fehlinformationen, wie auch der angerufene Petitionsausschuß
aus Kreisen der Stadtverwaltung und des Innenministeriums (Sachsen-Anhalt)
fehlinformiert wurde. Zur Krönung dieses ausländerfreundlichen,
Gewalt verhindernden und bürgernahen Vorgehens wurde der Asylbewerber
klammheimlich - ohne daß der Rechtsanwalt, die Freundin oder die
Verwandten informiert wurden -, gemeinsam mit einem weiteren Flüchtling
abgeschoben, an Händen und Füßen gefesselt, begleitet von
vier BGS-Beamten und einem Arzt. Mit der Drohung, dass sie pharmakologisch
ruhig gestellt (gespritzt) werden könnten, wurden sie von der JVA
Volkstedt nach Bremen transportiert, dort wie Sandsäcke in eine kleine
Maschine verladen und unter diesen Bedingungen in ihre Heimatländer
fortgeschafft.
In diesem Land ist normal und alltäglich, daß Menschen solcherart
gewaltsam deportiert werden, wenn sie aus ehemaligen Kolonialgebieten hierher
gekommen sind. Opfer beim Transport und im Zielland der Abschiebung werden
in Kauf genommen.
Welche Rechtfertigung werden die Verantwortlichen in diesem Falle parat
haben?
Was wird am nächsten Sonntag erzählt?!
Demonstration statt Sonntagsreden
Sa 09.06.01 Halle
Treffpunkt: 12.00 Uhr Hallmarkt; Beginn: 13.00 Uhr
Chronologie
von Kabba Barrows Aufenthalt in der weltoffenen Stadt Halle/S. und
dem Land Sachsen-Anhalt, SPD-regiert und PDS-toleriert:
Kabba Barrows stellt seinen Asylantrag am 09.04.97 in Hamburg.
Anhörung zu Asylantrag am 24.04.97
Sein Asylantrag wird am 07.05.1997 abgelehnt; er erhält trotzdem
weiterhin eine Duldung, bis er im Juli 2000 aufgefordert wird auszureisen.
Inzwischen - im März 1999 - haben sich Andrea Linder und Kabba
Barrow in Konstanz kennen gelernt. Die einzige Möglichkeit, die ihnen
nun noch gelassen wird, um zusammen leben zu können, ist die Heirat.
Sie entscheiden sich im Sommer 2000 für ein gemeinsames Leben in der
Schweiz.
Kabba Barrow und Andrea Linder versuchen am 10.11.2000 in Bonn bei
der Schweizer Botschaft, ihre Heirat zu beantragen. Die Schweiz verweigert
die Einreise von Kabba Barrow, da er nur eine Duldung in Deutschland hat,
und spricht von „Gefälligkeitsehe“.
Am 20.12.00 ist eine Abschiebung von Kabba Barrow geplant; er soll
an diesem Tag bei der Ausländerbehörde erscheinen. Stattdessen
sucht er wenige Tage danach Hilfe in einer Beratungsstelle. Dieses Verhalten
wird später behördlicherseits als „Untertauchen“ eingestuft.
Begleitet von einem Mitarbeiter der Beratungsstelle, meldet sich Kabba
Barrow Ende Dezember wieder bei der Ausländerbehörde. Um eine
Duldung zu erhalten, muß er zunächst noch im Dezember und schließlich
Anfang Januar weitere Termine bei dieser Behörde wahrnehmen, zu denen
er auch jedesmal erscheint. Am 04.01.01 wird ihm morgens gesagt, er solle
am Nachmittag wiederkommen.
Kabba Barrow wird am 04.01.2001 in der Ausländerbehörde Halle
verhaftet und am 05.01.01 in Volkstedt inhaftiert.
Am 07.01.01 findet der erste Versuch statt, die Abschiebung gegen Kabba
Barrows Willen durchzusetzen, danach bestätigt das Amtsgericht Halle
beim ersten Haftprüfungstermin die Verlängerung der Haft. Beim
zweiten erzwungenen Abschiebungsversuch am 07.02.2001 versuchen drei BGS
Beamte mit physischer Gewalt, ihn in das Flugzeug zu bringen. Kabba wird
von den BGS-Beamten so schwer mißhandelt, daß die Flugcrew
sich weigert, an der Abschiebung teilzunehmen. Während des Gezerres
an Kabba Barrow wird ihm unter anderem sein rechter Daumen bis an den Arm
zurückgebogen, damit er die Gangway losläßt. Ein BGS-Beamter
fällt hin. Der BGS behauptet, Kabba hätte sich aktiv gewehrt,
und zeigt ihn an. Außerdem wird ihm mündlich gedroht, beim nächsten
Mal mit einer Spritze betäubt zu werden.
Die Heirat beim Standesamt Halle/S. ist zwischenzeitlich beantragt:
am 06.02.01 bringt Andrea Linder die erforderlichen Papiere zum Standesamt
Halle/S. Das Auswärtige Amt schickt die Papiere von Kabba Barrow zur
Botschaft nach Dakar / Senegal, um sie beglaubigen zu lassen. Am 03.05.01
kommen die beglaubigten Papiere aus Dakar zurück. Es fehlt noch die
beglaubigte Geburtsurkunde, ansonsten ist alles da. (Für die Abschiebung
sind die vorhandenen Papiere ausreichend.) Trotzdem lehnt Frau Häußler
es ab, im Rahmen der „kommunalen Selbstverwaltung“ für ein Bleiberecht
für Kabba einzutreten, solange nicht alle Papiere da sind. Dann stünde
aber die Heirat direkt bevor und wäre damit ein objektives Abschiebungshindernis,
so daß ein Eingreifen seitens Frau Häußlers keine Rolle
mehr spielen würde.
Währenddessen wird am 27.02.01 eine Petition an den Petitionsausschuß
des Landtages gestellt, die dieser am 02.05.01 behandelt, während
gleichzeitig ein dritter Haftprüfungstermin beim Amtsgericht Eisleben
stattfindet. Der Petitionsausschuß in Sachsen-Anhalt zieht selbst
keine Erkundigungen ein, sondern ist auf diejenigen Informationen angewiesen,
die man ihm zukommen läßt. Vom Innenministerium erhält
er die Information, daß Kabba Barrow während seines Aufenthalts
in Deutschland wegen Drogenhandel und Drogenbesitz verurteilt worden sei
und sich gegen die BGS-Beamten aktiv gewehrt habe. Das Standesamt Halle
teilt mit, daß die Ehe nicht direkt bevorstehe. Dies ist sämtlich
äußerst irreführend bis völlig unzutreffend.
Noch ein drittes Mal kann der Versuch, Kabba Barrow gewaltsam aus Deutschland
zu entfernen, verhindert werden. Dieses Mal verteilen Mitglieder zweier
antirassistischer Gruppen Flugblätter an die Passagiere und die Bordcrew.
Der daraufhin stattfindende Haftprüfungstermin wird sehr kurzfristig
um einen Tag vorverlegt, so daß der Anwalt des Flüchtlings nicht
teilnehmen kann. Öffentliche Beobachter werden bei der Entscheidung
nicht zugelassen; nicht einmal ein Protokollführer ist dabei. Eine
erneute Haftverlängerung wird bestätigt, wobei zur Entscheidungsfindung
die Möglichkeit einer Abschiebung ‚auf anderem Wege’ in Betracht gezogen
wird (denn eine Abschiebungshaft ist nur bei tatsächlich bevorstehender
Abschiebung zulässig, da es sich um eine Haft ohne begangene Straftat
und ohne Verurteilung handelt).
Mit weiterer Unterstützung, diesmal in Gambia, konnte erreicht
werden, daß der Flüchtling nach seiner Abschiebung nun eine
Unterkunft hat und derzeit von staatlichen Behörden nicht behelligt
wird. Parallel zur Fortsetzung der politischen Auseinandersetzung in Deutschland
werden jetzt Spenden gesammelt, damit Andrea Linder und Kabba Barrow wieder
zueinander finden und irgendwo doch noch heiraten können.
Spendenkonto über Initiative Grenzenlos
Konto-Nr. 381 308 546, BLZ 800 537 62, Sparkasse Halle
Verwendungszweck: Karawane- / K. Barrow
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