Frankfurt: Offener Brief an FRAport AG: Fliegen ist freiwillig!
Aktionsbündnis
gegen Abschiebungen
Rhein-Main
c/o AG3F
Metzgerstr. 8
63450 Hanau
Telefon 0172-6688454
An den Vorstand 26.06.01
der Fraport AG
Flughafen
60547 Frankfurt
per Fax: 069-690-66253
Offener Brief
Abschiebungen und Internierung am Frankfurter Flughafen - Fliegen ist
freiwillig!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Im Zusammenhang mit der erstmaligen Anbringung der Gedenktafel für die Opfer
der Abschiebepolitik am Frankfurter Flughafen fand ein längeres Gepräch
zwischen Ihrem Sicherheitsleiter Herrn Mursch und zwei VertreterInnen des
Aktionsbündnisses gegen Abschiebungen-Rhein/Main statt.
Dabei ging es zwar in erster Linie um den Ablauf der Demonstration am
26.5.01, doch darüberhinaus wurden erstmals auch grundlegende Fragen der
Verantwortlichkeiten für die Todesfälle erörtert. Laut Herrn Mursch war die
Entscheidung der Fraport, die Gedenktafel für einen Tag zu "dulden", auch
eine Anerkennung der Problemlage und würde "signalisieren, daß das Anliegen
des Aktionsbündnisses ernst genommen würde".
Vor diesem Hintergrund treten wir nochmals direkt auf Sie zu, um die Chance
aufzugreifen, zu einer grundlegenden Debatte darüber zu kommen, was auf dem
Flughafen Frankfurt täglich passiert.
Wir bezeichnen die Praxis der "haftähnlichen Unterbringung" von
asylsuchenden Flüchtlingen im Gebäude C 182 als Internierung und die
unmittelbaren Zurückweisungen sowie die täglich durchschnittlich 30 bis 40
Abschiebungen, in einzelnen Fällen auch immer wieder unter Anwendung von
Gewaltmitteln, als eindeutige Menschenrechtsverletzungen.
Zwar ist offenkundig, daß in erster Linie das Bundesinnenministerium die
politische Verantwortung für diese Maßnahmen trägt, und daß den ausführenden
Behörden, insbesondere dem Bundesamt sowie dem Bundesgrenzschutz als
exekutive Instanz, eine sehr gewichtige Bedeutung zukommt.
Dennoch haben auch Fluggesellschaften, PilotInnen und ÄrztInnen, sofern sie
sich an Abschiebungen beteiligen, eine Mitverantwortung und auch Sie,
Fraport, als Eigentümer und Verwalter des Flughafens müssen dafür gerade
stehen, wenn Sie Menschenrechtsverletzungen auf Ihrem Gelände dulden und
wissentlich inkaufnehmen, daß unter den gegebenen Umständen jederzeit
weitere Menschen ums Leben kommen können.
Wie Sie vielleicht wissen, hat der Lufthansa-Vorstand mittlerweile
öffentlich bekanntgegeben, daß "Deportees nicht mehr gegen ihren erkennbaren
Widerstand transportiert würden". Allerdings fehlt bis heute eine
entsprechende Anweisung und eine genauere Ausführung dieser bislang
unverbindlichen, an die Medien gerichteten Erklärung.
Die Pilotenvereinigung Cockpit geht eindeutig weiter: Sie fordert alle ihre
Mitglieder auf, zu prüfen und zu fragen, ob ein sog. "Deportee" freiwillig
fliegt, und im gegenteiligen Fall den Transport zu verweigern. Schon in den
verangenen Jahren hatten sich ja Piloten immer wieder einzelnen
Abschiebungen widersetzt.
Und auch eine große Mehrheit von ÄrtztInnen hat in ihren
Standesorganisationen entschieden, sich nicht an Maßnahmen zu beteiligen,
die den Gesundheitszustand von Menschen beeinträchtigen können, wozu
ausdrücklich auch die Begleitung bei Abschiebungen gehört.
Wir sehen allen Grund, daß Fraport sich an diesen Beispielen orientieren
kann und in ihrem Rahmen dazu beiträgt, daß die unmenschliche
Abschiebepolitik wenn nicht gestoppt so doch zumindest behindert wird.
"Du stellst meine Füße auf weiten Raum... deshalb: Schließung des
Internierungslagers und Stop aller Abschiebungen". In dieser Form haben
engagierte Christen unlängst das Kirchentagsmotto 2001 ergänzt.
Und es ist Ihnen sicherlich bekannt, daß zahlreiche
Menschenrechtsorganisationen die Abschiebungen und Internierungen von
Menschen, die um Asyl nachsuchen, als eindeutige institutionelle
rassistische Praxis bezeichnen.
Wir erwarten nicht unbedingt, daß Fraport sich in eine konsequente
christliche oder antirassistische Auseinandersetzung begibt. Wir glauben
allerdings, daß zumindest folgender Leitsatz von einer
Flughafengesellschaft, die sich mit dem Credo von Weltoffenheit schmückt,
erwartet werden kann: Fliegen ist freiwillig!
Wie Ihnen bekannt ist, werden in der Woche vom 27.7. bis 5.8.2001 im Rahmen
eines Sommercamps der Initiative "kein mensch ist illegal" zahlreiche
Aktionen gegen Rassismus, Abschiebung und Internierung stattfinden.
Auch auf dem Flughafen werden in diesem Zusammenhang zumindest zwei
Demonstrationen sowie ein internationales Hearing stattfinden.
Wir möchten Sie einerseits auffordern, sich schon im Vorfeld zu unseren
Fragen zu der gesamten Problematik grundlegend zu äußern.
Zum zweiten halten wir selbstverständlich an der Forderung fest, einen
dauerhaften Platz für die Gedenktafel bereitgestellt zu bekommen. Dies wäre
in unseren Augen eine erste Geste dafür, daß Sie sich der Verantwortung
bezüglich der Todesopfer der Abschiebepolitik stellen werden. Ein Vergleich
mit anderen Todes- oder Unfallopfern am Flughafen halten wir in diesem
Zusammenhang für unangemessen und vorgeschoben. Wir möchten Ihnen insofern
bekanntgeben, daß wir beabsichtigen, die Gedenktafel im Rahmen des erwähnten
antirassistischen Grenzcamps erneut im Flughafenterminal aufzuhängen.
Schließlich laden wir Sie ein zu dem bereits erwähnten internationalen
Hearing, das am Freitag, dem 3.8.01 zwischen 9.30 Uhr und 14 Uhr im
Frankfurt Airport Center (bzw. Airport Conference Center) in Raum 20
stattfinden wird. Wir werden dort einer interessierten Öffentlichkeit
nochmals fundiert und anschaulich die Problematik der
Menschenrechtsverletzungen auf europäischen Flughäfen im Zusammenhang mit
der europaweiten Abschottungs- und Abschiebepraxis darlegen.
Mit freundlichen Grüßen
Hagen Ko pp
für das Aktionsbündnis gegen Abschiebungen
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