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Göttingen/ Genua: Aufruf der Autonomen Antifa (M) gegen den G8-Gipfel

Aufruf der Autonomen Antifa [M] gegen den G8 Gipfel in Genua
Polithooligans vs. marodierende Finanzmogule

Pamphlet für die Radikalisierung internationaler Kämpfe


[M]it dem Zusammentreffen auf Konferenzen und Gipfeln von SachwalterInnen von Weltwirtschaft und -politik hat sich unter Kommentierung von Weltpresse und handfester Beteiligung von Polizei ein zusätzlicher Tagesordnungspunkt etabliert:
"GlobalisierungsgenerInnen".
Dieser Tagesordnungspunkt beinhaltet als Programmpunkte unter anderem in Fernsehkameras abgegebene
Statements "gegen Neoliberalismus", einen mittlerweile fast traditionellen Besuch der örtlichen McDonalds-Filiale sowie den Versuch, die restlichen Tagesordnungspunkte ersatzlos ausfallen zu lassen.
Auch wenn sich anläßlich des G8-Gipfels in Genua/Italien vom 20. - 22. Juli 2001 die Staatchefs der sieben reichsten Industrienationen in Genua treffen und Rußlands Präsident Putin am Katzentisch mit der Nummer acht Platz nimmt, wird das Programm erneut mit den
international-antiglobalen Weltfestspielen eröffnet und von ihnen begleitet werden.


GLOBAL ISIERUNG
…wird von TeilnehmerInnen derartiger Gipfel gerne im Munde geführt.Nach offizieller Lesart soll es sich um einen Vorgang
handeln,der Kraft der heilsamen Wirkung des freien Weltmarktes dazu führen soll,daß die Menschheit eines nichtdefinierten Tages an modernen Kommunikationstechniken,Wohlstand,Frieden und Freiheit teilhaben wird.Unter diesen Zeichen steht auch der G8-Gipfel:Da sich das nackte Interesse der Weltwirtschaft an freier Verfügung über möglichst billige Rohstoffe und Arbeitskraft schlecht verkauft,steht anderes auf dem Programm des Gipfels:der Weltöffentlichkeit zu erklären,wie diese wirtschaftlichen Interessen sich Dank einer glücklichen Fügung des Schicksals mit Forderungen nach Demokratisierung,Umweltschutz und sozialen Standards decken.
Zunehmend setzt sich jedoch die Erkenntnis durch,daß der Begriff der "Globalisierung " einen gewissen Imageverlust erlitten hat,und daß sich entsprechende Proteste inzwischen nur noch schwer als zivilgesellschaftliches Beiwerk in die Selbstbeweihräucherung der
"freien Welt "integrieren lassen.Diskussionen um Ausreiseverbote für "Polithooligans ", massive Medienhetze und das alte Spaltungslied von "berechtigten Protesten ",die von "unpolitischen "GewalttäterInnen unterwandert werden,prägen die Diskussion um den G8-Gipfel.Mögen die Schüsse von Göteborg auch auf eine überforderte Polizei zurückzuführen sein,kommen sie den italienischen Behörden doch zumindest nicht ngelegen,um den Widerstand einzuschüchtern.Ob diese Reaktionen einen Gradmesser der Gefährlichkeit der Bewegung für das kapitalistische System darstellen,bleibt allerdings fraglich.

Eines gleich vorweg:Es gibt wenig Neues an den Phänomenen,die unter dem vielstrapazierten Begriff "Globalisierung "kritisiert werden.Für aufmerksam durch die Weltgeschichte wandelnde ZeitgenossInnen dürfte es nicht unbekannt klingen,daß Kapitalismus weltweit in all seinen häßlichen Erscheinungsformen vorzufinden ist,daß nationalstaatliche (Wirtschafts-)politiken durch internationale Machtinstrumente gelenkt werden,und nicht zuletzt,"daß die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden ".Zur Blütezeit der autonomen Bewegung waren Riots gegen Weltwirtschaftsgipfel und ähnliche Veranstaltungen eine Selbstverständlichkeit,die keines politischen Spezialgebietes bedurften. Geändert hat sich seitdem aber trotzdem einiges.In der Folge des Wegfalls der System-
konkurrenz hat der -auch nicht neue -Verteilungskampf um weltpolitische und ökonomische Einflußsphären an Dynamik gewonnen und dadurch dem neoliberalen Wirtschaftsmodell neue Durchschlagkraft verliehen.Es wäre daher eher angebracht von einer "beschleu-
nigten Globalisierung "zu sprechen.

Gleichzeitig gerieten antikapitalistische Ideen generell,ob sie sich nun auf das staatssozialistische Modell bezogen oder nicht,unter
die Abrißbirne der Siegermoral.Kapitalismus soll als alleinseligmachende Ordnung aller Dinge gelten."Kritik "wird mit "Verbesserungs-
vorschlag "übersetzt.Vorschnell wurde gar das "Ende der Geschichte "ausgerufen.Wo tatsächlich noch Systemkritik geübt wird,geht sie meist im weißen Rauschen postmoderner Beliebigkeit unter:Alles darf gesagt werden -nur praktische Konsequenzen darf es nicht haben,schon gar nicht in Form handfesten Widerstands.Unter diesen Voraussetzungen ist an den Protesten gegen "die Globalisierung "vor allem eines überraschend:Nämlich,daß es sie überhaupt gibt,und daß sie sich inzwischen zu einer - wenn auch in ihrem politischen Selbstverständnis unklaren und äußerst heterogenen-Bewegung entwickelt haben,die ein wachsendes Unbehagen angesichts der weltweiten Wirtschaftsordnung lautstark und oftmals militant zum Ausdruck bringt.


NEO LIBERALISMUS
Um erklären zu können,wodurch dieses neu erwachte Unbehagen ausgelöst wird,ist es aufschlußreich,sich den zweiten Begriff
vorzunehmen,der in der "Antiglobalisierungs "-debatte auftaucht:
den Neoliberalismus.Auch hier kommt man nicht um den Kapitalismus herum,insbesondere auf dessen Verhältnis zum Staat.Hier lohnt sich ebenfalls ist ein Rückgriff auf Zeiten weit vor Seattle.Das Prinzip des bürgerlichen Nationalstaats entstand zusammen mit dem Kapitalismus,und seine Funktion war es stets,diesem als übergeordnete Instanz ein reibungsloses Funktionieren zu gewährleisten.Denn das kapitalistische Prinzip bringt diverse Probleme mit sich,die die Einzelkonkurrenten nur schwer alleine
lösen können:
Insbesondere diesem Prinzip immanente Krisenperioden und den Widerstand jener,die sich nicht klaglos ausbeuten lassen wollen.Dies wirft auf Seiten des Staates die Frage auf, auf welche Weise er seine Aufgabe am besten lösen könne:Die einzelnen Konkurrenten frei
schalten und walten lassen und Hindernisse hierfür aus dem Weg räumen (dies ist der Grundgedanke des Wirtschaftsliberalismus)?Oder durch Eingriffe in Form von gesetzlichen Regelungen und teilweise staatlicher Kontrolle der Wirtschaft sowie sozialen Absicherungen Wirtschaftskrisen und systembedrohlichen,gesellschaftlichen Widerständen vorbeugen?

Die unterschiedliche Beantwortung dieser Frage ist es,die den heute auf der Tagesordnung stehenden "Neo "liberalismus vom in den kapitalistischen Industriestaaten nach 1945 zunächst bevorzugten, regulativen und sozialstaatlichen,nach einem seiner Protagonisten "keynesianistisch "genannten Modell unterscheidet.
Die Wende zum Neoliberalismus läßt sich bereits auf die 70er und 80er Jahre datieren -als Beispiele wären Chile,die USA und Großbritannien zu nennen.Chile wurde mit dem Putsch von 1973 zum Paradies für Investoren,indem mit staatsterroristischen Methoden
Möglichkeiten ökonomischer und politischer Forderungen aus dem Weg geräumt wurden.
Aus diesem Grund wurde Pinochet in den west lichen Demokratien auch als Retter der Freiheit gefeiert -und im Sinne der Freiheit des Kapitals ist dies nicht einmal falsch.
In den USA und GB wurde das Prinzip der Senkung gesamtgesellschaftlicher Lohnkosten zwar nicht offen staatsterroristisch,und ausgehend von einem relativ hohen Lebensstandard,aber mit drastischen Kürzungen im sozialen Sektor und Privatisierung von zuvor staatlichen Versorgungseinrichtungen durchgesetzt.Mit den entsprechenden Folgen:Die durchschnittliche Lebenserwartung in den Slums der USA liegt auf zentralafrikanischem Niveau,das britische Gesundheitssystem ist das wohl marodeste der
EU,und EinwohnerInnen Kaliforniens sitzen im Dunkeln,weil ihre Energieversorgung für die privaten Stromkonzerne nicht rentabel ist.


Zur weltweit gültigen Maxime konnte der Neoliberalismus aber erst mit der -zunächst ökonomischen -Eroberung des osteuropäischen Wirtschaftsraums nach 1989 werden.Wie im Fall Jugoslawiens,wird diese Eroberung notfalls auch militärisch vollzogen,wenn sich ein
Staat widersetzt. "Das Kapital ist international mobil,und es ist in der Lage,jeden beliebigen Ort in Konkurrenz zu einem anderen zu setzen,wenn die Bedingungen vergleichbar sind.In diesem Sinne ist Deregulierung zu ve stehen."
Das Investment in die afrikanischen,asiatischen und lateinamerikanischen Länder in den 70er Jahren sei somit eine Reaktion des Kapitals auf Lohn-und sonstige Forderungen in den Metropolen.Dementsprechend sei die Orientierung des Kapitals auf Osteuropa "ein Angriff auf die Kämpfe in diesen drei Kontinenten,gleichfalls mit den Zielen,Produktionsstätten zu verlagern und neu in Konkur enz zu setzen,[…],die Kosten,d.h.,den We t der gesamtgesellschaftlichen Arbeit neu zu definieren und den Prozeß hierfür zu rationalisieren."[Artikel:"Weiße Herrschaft -Rassismus und Imperialismus ";aus "Metropolen(gedanken)&Revolution ";Edition ID-Archiv;1991 ]


Die Auswirkungen des Neoliberalismus auf die Staaten außerhalb der kapitalistischentwickelter Zentren,wie sie von 7/8 der G8-Staaten repräsentiert werden,und insbesondere auf den Trikont treffen Regionen,die bereits eine mehrhundertjährige Eroberungs-und
Ausplünderungsgeschichte hinter sich haben.Soziale Sicherheit oder Eingriffe der staatlichen Politik in die Wirtschaft sind dort seit Kolonialzeiten weitgehend unbekannt,da Regierungen dieser Staaten infolge ihrer Geschichte wirtschaftlich wie politisch nicht
Sachwalter der Nationalökonomie,sondern der geopolitischen Interessen und des Kapitals der Industriemetropolen sind.Die Kontrollfunktion der zu Recht kritisierten Institutionen IWF und Weltbank,deren Kredite oftmals den Großteil der Staatshaushalte ausmachen,und die mit einem solchen Druckmittel wichtige Instrumente zur Durchsetzung dieser Interessen darstellen,besteht ebenfalls nicht erst seit gestern.Und auch die "Entwicklungshilfe "- ideologie,nach der diese Kontrolle ausgeübt wird,und dergemäß die Anbindung an den Weltmarkt eine blühende Volkswirtschaft und diese den Wohlstand der StaatsinsassInnen garantieren sollen,ist nichts Neues.Folge ist,daß Großkonzerne regelrechte Selbstbedienungsläden für billige Arbeitskräfte, Bodenschätze, etc. vorfinden,während Armut und Hunger den "Normal "zustand für große Bevölkerungsteile darstellen -und zwar schon vor
'89.Gerade aufgrund dieser Voraussetzungen jedoch sind die Folgen der neoliberalen Offensive besonders verheerend.


Die neueren Dekrete von IWF und Weltbank schreiben ihren Mündeln dieselben Maßnahmen vor,wie sie in den Industrienationen auch ohne Vorschriften von außen verkürzt aus.Einiges ist der Bewegung jedoch zugute zu halten:Sie erkennt die benannten Probleme als weltweite und überwindet so die Metropolenfixiertheit vieler traditioneller sozialer Bewegungen.Sie trägt damit zumindest das Potential in sich,dem Prinzip der Konkurrenz das der internationalen Solidarität entgegenzusetzen.


Um die Nichtregierungsorganisationen(NGOs),die sich zu Gipfeln und Weltwirtschaftstreffen einladen lassen und dort ihre Rolle als
zivilgesellschaftliches Schmiermittel erfüllen,soll es an dieser Stelle nicht gehen -höchstens als Gegensatz zu denjenigen Kräften,die das Vertrauen in eine derartige "Partizipation " verloren haben und stattdessen auf die Straße gehen. Auch diesen geht es dabei aber nicht unbedingt um die Weltrevolution.So werden auf der allerreformistischsten Seite oftmals das "internationale "bzw."globalisierte Kapital "und die "Handlungsunfähigkeit der Politik "für alle Mißstände verantwortlich gemacht. Dies ebnet im schlimmsten Fall den Weg für reaktionäres Gedankengut:Kritik wird oft personalisiert oder nur auf Teile des Kapitals gerichtet:Das "internationale ","spekulative ",
"Börsen-",…Kapital in der Hand einiger weniger "Finanzmogule ".Das nationale Kapital wird zur schützenswerten Spezies erklärt,ein starker Staat soll die Bestie des "entfesselten Kapitalismus "bändigen.Auch Faschisten greifen diese Themen auf und münzen sie in antisemitische Projektionen und Nationalismus um.


Ernsthaft reaktionäre Ideen stellen ganz sicher auch innerhalb dieses reformistischen Arms der Bewegung eine Minderheitenposition dar.Die Bezeichnung "konservativ "muss sich aber ein größerer Teil gefallen lassen:Gefordert wird ein netterer Kapitalismus,wie man
ihn aus den vergangenen Jahrzehnten kannte.Und so hört man beispielsweise Klagen über die "Macht der Monopole "ohne eine weitergehende Kritik am Kapitalismus,der diese Monopole zwangsläufig hervorbringt -100%ig kompatibel mit dem Jammern der Mittel-
standsvereinigung.Die empfohlenen Gegenmittel stehen zumeist unter dem Motto "Früher war alles besser, sozialer, demokratischer, etc."bzw."Umverteilung von oben nach unten ".
Forderungen nach Steuererhöhungen für Unternehmensgewinne oder nach der vielbeschworenen "Tobin-Steuer "auf internationale Finanztransfers bieten nicht mehr als den frommen Wunsch nach einer Rückkehr zum Keynesianismus.Dieser vor allem aus
Gewerkschaften und Linksparteien hervorgegangene Teil der Bewegung läßt sich wohl als in die außerparlamentarische Opposition getriebene Sozialdemokratie bezeichnen,die nach deren Wende zum Neoliberalismus in den gleichnamigen Parteien keinen Platz mehr findet.
Diese Wahrnehmung und Forderungen sind nicht nur verkürzt und bieten zusammen mit reaktionären Ideen auch einer klassischen Lobbypolitik Platz,die das Konkurrenzprinzip anheizt -sie sind auch illusionär.Der Neoliberalismus ist schließlich keine Bosheit,die sich
ein paar WirtschaftsführerInnen ausgedacht haben nd von fiesen PolitikerInnen exekutiert wird,mit dem Ziel,Not und Elend in der Welt zu verbreiten.Der Neoliberalismus ist eine innere Notwendigkeit des Kapitalismus unter den herrschenden Bedingungen,die ein keyne-
sianistisches Modell undurchführbar machen.A ch mit "Handlungsunfähigkeit "der Politik ist hier keine Erklärung geboten.Vordem
staatliche Aufgaben wie Gesundheit,Bildung, Rente,etc.gehen im Prinzip des freien Marktes
auf.Der Irrtum "Handlungsunfähigkeit "der Politik zu postulieren,unterläuft dann,wenn der "Staat "für eine "neutrale Interessenver-
waltung des Gemeinwohls "gehalten wird und die soziale Absicherung seiner InsassInnen als dessen zentrale Aufgabe verstanden wird.
Ohne Frage existiert die Tendenz,die Rolle des über der Einzelkonkurrenz stehenden "ideellen Gesamtkapitalisten "von ihrem traditionellen Träger,dem Nationalstaat,an überstaatliche Instanzen abzugeben.Dennoch bleibt auch die staatliche Funktion bestehen,den kapitalistischen Laden möglichst glatt am Laufen zu halten.EU-Staaten zeigen sich diesbezüglich durchaus handlungsfähig,den freien Humankapitalimport durch Einwanderungsregelungen wirtschaftlichen Bedürfnissen gemäß zu organisieren,das Sozial-in ein Billigarbeitszwangsystem umzubauen,Krieg gegen unbotmäßige Staaten zu führen und die
Etats für Polizei und Knastneubauten aufzustocken.K rz gesagt:dem Kapitalismus werden beste Bedingungen geschaffen und sich um die Überwindung von Verwertungsblockaden und Folgeschädenbeseitigung gekümmert.A ch die Rolle als Legitimierungsinstanz darf nicht unterschätzt werden:Ein Gerhard Schröder wirkt immer noch glaubwürdiger als irgendein Konzernmanager,wenn er,wie unlängst in Göteborg,sein Unverständnis für Proteste überhaupt äußert,wo wir doch alle in einer freien,demokratischen Gesellschaft leben -während
die Polizei gleichzeitig den Veranstaltungsort des Gegengipfels räumt und Demonstranten durch Schüsse lebensgefährlich verletzt.


Neben der außerparlamentarischen Sozialdemokratie gibt es aber auch noch den linksradikalen Teil der Bewegung,der den Kapitalismus nicht für ein umunstößliches Prinzip hält,das man bloß gerechter organisieren solle,und der auch Staat und Nation herzlich wenig abgewinnen kann.Diese Strömung darf sich als legitime Erbin der nicht mehr ganz so "Neuen Sozialen Bewegungen "betrachten -und sie schlägt in Sachen Moralismus,einer von dogmatisch-anarchistisch bis radikal linksliberal reichenden Zusammensetzung und der Freude an (bisweilen recht naiven)Utopien ihren Vorfahren nach.Zudem ist auch sie von der Demoralisierung der Linken nicht verschont geblieben:Kapitalismuskritik muß nach langer Flaute von vielen offenbar erst wiederentdeckt bzw.-erfunden werden,und so lesen sich viele Analysen und gesellschaftliche Alternativvorschläge wie Manifeste aus der Kinderstube
des utopischen Sozialismus.So werden gerne "der Markt "oder "das Geld "als Wurzel allen Übels ausgemacht.Empfohlen werden dann beispielsweise die Rückkehr zur Subsistenzwirtschaft oder Ideen für eine "gerechte "Bewertung des Arbeitslohns.Bedacht wird dabei
nicht,daß Industrialisierung und globaler Güteraustausch auch nach einer eventuellen Weltrevolution unumkehrbar sein werden,und daß nicht die Höhe des Lohns,sondern die Lohnarbeit selbst das Problem ist.Erfreulich ist jedoch,daß überhaupt wieder Gedanken
über andere als das kapitalistische Gesellschaftsmodell aufkommen.Ein weiterer begrüßenswerter Punkt ist die vielfältige Zusammensetzung dieser Strömung:Die beteiligten Gruppierungen stammen aus höchst unterschiedlichen Teilbereichen linker Politik und erstmals seit langem gelingt es z.B.Antirassismus,ökonomische Fragen,Feminismus,Ökologie,internationalistische Strömungen,etc.zumindest auf einen dritt-bis zweitkleinsten gemeinsamen Nenner zu bringen.Hier bietet sich ein Ansatzpunkt,
eine gemeinsame linke Perspektive zu entwickeln,die nicht gegen Konzernherrschaft den Nationalstaat,gegen Sozialabbau die soziale Marktwirtschaft oder gegen internationale Machtinstrumente die nationale Demokratie einfordert,sondern die gegenseitige Bedingtheit
von Staat und Kapital aufzeigt und angreift -mit dem Ziel ihrer Abschaffung. Bevor es so weit kommt,sind allerdings noch einige längerfristige wie auch aktuelle Aufgaben zu bewältigen.Ein noch loszutretender linker Diskurs kann sich nicht auf eine Kritik unzureichender Analysen und Schlußfolgerungen beschränken.Er muß beispielsweise die Frage behandeln,welche praktischen Konsequenzen für eine wirklich weltweite Bewegung der ökonomische Abgrund erfordert,der zwischen Metropole und Trikont gähnt:

Wenn anläßlich eines "Global Action Days "in Neu Delhi demonstriert wird,während in London Schaufensterscheiben klirren,sind dies zwar gleichzeitige und in einen gemeinsamen Rahmen gestellte Ereignisse -wieviel sie aber tatsächlich miteinander zu tun haben,ist bislang unklar.Knapper ausgedrückt:Wie ist es möglich,ökonomische,oft ums reine Überleben geführte Kämpfe mit einer metropolitanen,allzuoft auf einer schlicht moralischen Empörung basierenden Bewegung auf einen politischen Ausdruck zusammenzubringen? Auch die "Neue Weltordnung "-die strategisch-militärische Dimension der beschleunigten Globalisierung -hat bislang wenig Niederschlag in der Wahrnehmung der Bewegung gefunden -von Protesten gegen NATO-Tagungen hat man in den letzten Jahren jedenfalls nichts gehört,obwohl dies dringend notwendig wäre.Es bleiben also viele Fragen für kommende Gegengipfel,-kongresse und -aktionen.

Auf dem aktuellen Programm steht zunächst der G8-Gipfel in Genua.Hier muss es beispielsweise darum gehen,zwar ausdrücklich der neofaschistischen Berlusconi-Regierung in die Suppe zu spucken -ohne dabei der regierungsamtlichen Sozialdemokratie anderer
Staaten den Rücken zu stärken.Einfacher dürfte es sein,den Spaltungsversuchen von militant ="nicht politisch "gegen integrierbar ="berechtigtes Anliegen "entgegenzuwirken.Auch in Genua wird es am Aktionstag wieder ein Blockadekonzept nach Prager Vorbild für unterschiedliche Spektren und Aktionsformen geben.Die Demonstrationskultur in weiter südlich gelegenen EU-Staaten ist auch dort eine andere,wo es um gewerkschaftlich oder auf sonstige Partikularinteressen beschränkte Auseinandersetzungen geht;schwieriger wird es diesen Tatsachen entsprechend sein,Militanz als Ausdruck einer radikalen Kritik wahrnehmbar zu machen.Und last but not least gilt es,der unvermeidlichen Repression ein Schnippchen zu schlagen -in diesem Sinne wünschen wir allen MitgestalterInnen von TOP 1 des G8-Gipfels eine unbeschwerte An-und auch Abreise.


smash capitalism! · fight fortress europe!


Göttingen · Juli 2001 · Autonome Antifa [M]

[nur ein steinwurf entfernt]
autonome antifa [m] c/o buchladen · nikolaikirchhof 7 · 37073 göttingen

[t] 05 51/7 70 48 89 · [f] 05 51/7 70 43 62
[e]  aam@mail.nadir.org · [i] www.puk.de/aam + www.nadir.org/nadir/initiativ/aam

alle bilder sind von den gegenaktionen aus göteborg juni 2001 · noch sitzen einige aktivistinnen im
knast. für die deutschen inhaftierten hat die rote hilfe ein spendenkonto eingerichtet:
rote hilfe e.V. | stichwort: "göteborg" | KTO 7189 590600 | BLZ 100 200 00 | berliner bank



 

11.07.2001
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