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Konstanz: "FZAA" Think-Tank der Festung Europa

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FZAA: Think Tank der Festung Europa

Dieser Text möchte einen Beitrag zur Kritik des gegenwärtigen Zuwanderungsdiskurs der Herrschenden liefern und dabei die besondere Vorreiterrolle des "Forschungszentrum für internationales und europäisches Ausländer- und Asylrecht (FZAA)" bei der Konzeptualisierung der Festung Europa bestimmen.

Obwohl das FZAA seit etlichen Jahren an der Universität Konstanz existiert, hat bis jetzt noch keine antirassistische Gruppe dazu gearbeitet. Wir, Menschen aus verschiedenen Zusammenhängen, haben anlässlich eines für März geplanten Besuchs von Otto Schily an der Uni Konstanz (der dann spontan abgesagt wurde) angefangen, uns damit auseinanderzusetzen.

Erste Ergebnisse möchten wir euch in dieser Tachelesausgabe vorstellen: Zu Beginn wollen wir euch relativ ausführlich die migrationspolitischen Positionen des FZAA präsentieren, die wir aus etlichen Texten des FZAA und vor allem von Kay Hailbronner herausgearbeitet haben. Die Zitate entstammen aus Texten von Hailbronner, die genaue Angabe wird in der onlineausgabe unseres Textes auf http://www.seeseiten.de/linksrhein aufgeführt. Im nächsten Tacheles fassen wir dann die Aktivitäten des Forschungszentrums zusammen. Darüberhinaus könnte mensch Protest-und Widerstandsformen andenken, eine Aufgabe, bei der uns auf rege Beitraege und Vorschläge von euch freuen.

Wissenschaft im Dienste der Abschiebung

Das "Forschungszentrum für internationales und europäisches Ausländer- und Asylrecht" entstand 1994 am juristischen Lehrstuhl von Prof. Kay Hailbronner an der Universität Konstanz. Es hat sich (so Hailbronner auf seiner Website) zum Ziel gesetzt, "die internationalen und europäischen Einflüsse auf das Ausländer- und Asylrecht verstärkt in das öffentliche und akademische Interesse zu richten".

Hinter dem FZAA mit dem Logo eines Europäischen Sternenkranzes, der von dunklen, von Osten her eindringenden Dreiecken bedroht wird, verbirgt sich ein wichtiger think tank für aktuelle migrationspolitische Diskussionen und Entscheidungsprozesse im Rahmen des rassistischen Konsens der BRD und der Festung Europa.

Zur Erinnerung:

Kay Hailbronner hat 1993 die Änderung von Art. 16 GG für die Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich verteidigt und sich in unzähligen Artikel in der juristischen Fachpresse wie auch in konservativen bürgerlichen Zeitungen (z.B. "FAZ"/"Focus") zu (arbeits-)migrations- und flüchtlingspolitischen Fragen geäußert.

"Angesichts eines (...) sehr hohen ausländischen Bevölkerungsanteils ...

In seinen Artikeln ist uns aufgefallen, welches Horrorszenarium Hailbronner entwirft, wenn er von einer BRD spricht, deren ohnehin begrenztes Territorium und soziales Sicherungssystem von MigrantInnen förmlich überrannt zu werden scheint. Dabei bedient er sich Sozialstatistiken, die den höheren Anteil von AusländerInnen an Arbeitslosen- und Sozialhilfe belegen sollen, ohne freilich nach gesamtgesellschaftlichen Gründen dieser Tendenz zu fragen. Flüchtlinge und MigrantInnen erscheinen in seiner Argumentation als Bedrohung, als unbefugte NutzniesserInnen und SchmarotzerInnen des deutschen Sozialsystems. Grundgedanke seiner Ausführungen ist die Vorstellung von einem überbevölkerten Deutschland, das einen zu hohen, stetig wachsenden und nur schwer zu regulierenden AusländerInnenanteil an der Gesamtbevölkerung hat.

... besteht ein Bedarf für eine Kontrolle der Zuwanderung."[1]

Hailbronner geht es also generell um eine Begrenzung von Migrationsströmen bzw. um eine strikte Steuerung und Kontrolle von Migration. MigrantInnen, vor allem AsylbewerberInnen wirft er "fehlende kooperative Mitwirkung"[1] an der menschenverachtenden Abschottungs- und Abschiebepolitik der EU vor. Er befürwortet die Überwachungs- und Kontrollmaßnahmen der EU und meldet selbst bei der auch bei manchen konservativen PolitikerInnen umstrittenen Fingerabdruckdatei Eurodac keine datenschutzrechtlichen Bedenken an.

Illegale Einwanderung

Er fordert ein möglichst entschlossenes Eintreten der Europäischen Union gegen sogen. "illegale Einwanderung" ebenso wie die maximale Begrenzung von Familiennachzug / Familienzusammenführung. Obwohl Hailbronner davon ausgeht, dass die BRD ein bedeutendes Einwanderungsland ist, zählt er zu den strikten Gegnern eines Einwanderungsgesetzes. Trotzdem oder gerade deswegen war er Mitglied der von Otto Schily ins Leben gerufenen Zuwanderungskommission.

"... keine Grundlage für die These, daß (...) die Abschiebung in Bürgerkriegs- oder umkämpfte Gebiete gegen Art. 3 EMRK verstoße..." [2]

Hailbronner zählt zu den Befürwortern und konsequenten Verteidigern der deutschen Abschiebepraxis um jeden Preis. Viele seiner Texte lesen sich - auch für Nicht-JuristInnen - wie Legimationen dieser menschenverachtenden Politik. Er versucht mittels einer ausdifferenzierten juristischen Argumentation Abschiebehindernisse so gering wie möglich zu halten. Es fällt auf, daß als frequentes Feindbild in vielen seiner Texte ausländische Kinder und Jugendliche auftauchen, denen er einen massiven Kriminalitätsanstieg unterstellt und die er auch am liebsten alle abschieben lassen würde. Damit setzt sich Hailbronner deutlich über die Genfer Flüchtlingskonvention und die europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), die zum besonderen Schutz von minderjährigen Flüchtlingen aufruft. Darüberhinaus bedient er mit dieser Forderung auch ein frequentes rassistisches Stereotyp, das er als Juraprofessor quasi wissenschaftlich und rechtlich abzusichern vorgibt.

Rassismus und Sexismus

Hailbronners Texte sind darüberhinaus auch exemplarisch für die Verknüpfung von Rassismus und Sexismus als Strukturelemente des Diskurs der Herrschenden. Er spricht sich an mehreren Stellen deutlich gegen die Anerkennung frauenspezifischer Fluchtgründe ("weil Frauen nicht als solche wegen ihres Geschlechtes Verfolgungen ausgesetzt" seien) sowie gegen ein eigenständiges Aufenthaltsrecht von Frauen aus. Seiner Analyse liegt ein patriarchales Frauenbild voller sexistischer und latenter rassistischer Stereotypen zugrunde, das Flüchtlingsfrauen als Gebärmaschinen und Sozialschmarotzerinnen degradiert und ihnen jeglichen eigenständige politische Betätigung abspricht.

Temporärer Schutz statt Asyl

Temporärer Schutz bedeutet: langfristig keine Einwanderung. Hailbronner ist deshalb seit langem ein Verfechter eines temporären Schutzkonzepts, das vorsieht, Flüchtlinge in nächster Nähe zu ihrem jeweiligen Herkunftsland zu internieren und nur einem kleinen, über gesamteuropäische Quoten festgelegten Teil die Einreise nach Deutschland für einen denkbar knapp bemessenen Zeitraum zu gestatten.

Bereits jetzt sind befristete Aufenthaltsgenehmigungen mit starken Einschränkungen für Flüchtlinge verbunden. So wird kein Reiseausweis ausgestellt, Erwerbstätigkeit und Berufsausübung sind stark eingeschränkt. Da diese Konzepte keinen Rechtsanspruch auf Nachzug von Familienangehörigen (von dem für Hailbronner - weil kaum kontrollierbar - eine große Gefahr ausgeht) vorsehen, ermöglichen sie eine eng begrenzte kontrollierbare Einwanderung auf Zeit.

Hailbronner schlägt vor, die Überprüfung der Fluchtgründe in EU-Staaten und deren assoziierte Staaten vorzuverlegen und damit eine Pufferzone um die Festung Europa aufzubauen, in der unerwünschte von erwünschter Migration gefiltert wird. Damit zählt er zu den Befürwortern einer weiteren Vorverlegung der Festung Europa nach Süden und Osten. JedeR, die/der sich schon mal mit der möderischen Aufrüstung z.B. der deutsch-polnischen Grenze beschäftigt hat, kann sich vorstellen, daß eine solche Vorverlagung mit gleichzeitiger Militarisierung der Grenze einhergehen wird, was noch mehr Flüchtlingen bei Versuch, die Grenzen überqueren, das Leben kosten wird.

Wiener Strategiepapier

Wesentliche Punkte seiner Konzeption entsprechen dem 1999 unter österreichischer Ratspräsidentschaft der EU ausgearbeiteten Wiener Strategiepapier, das ebenfalls unter Abbschaffung des individuell einklagbaren Rechts auf Asyl in den Einzelstaaten eine Kontingentierung von Flüchtlingen vorsieht, die mittels Quotensystem (sogen. "Pledging-Verfahren") für eine begrenzte Dauer (temporary protection) auf die Mitgliedsstaaten der EU verteilt werden. Das Wiener Strategiepapier wurde von UnionspolitikerInnen sowie von Bundesminister Schily, auf dessen persönliches Engagement Hailbronner in die Zuwanderungskommission geladen wurde, begeistert begrüßt.

Fazit

Hailbronner bedient zahlreiche rassistische und sexistische Stereotypen über Flüchtlinge und MigrantInnen und gibt vor, diese Rassismen wissenschaftlich (vor allem statistisch und juristisch) absichern zu können.

Die Positionen des FZAA tragen damit zur Produktion und Reproduktion des rassistischen Konsens der BRD bei. Es handelt sich beim FZAA um eine anerkannte akademische Institution, die bis jetzt kaum öffentlich kritisiert wurde, was wieder einmal deutlich macht, daß Rassismus kein Phänomen des gesellschaftlichen Rands ist, sondern integraler Bestandteil der sogen. "Mitte der Gesellschaft".

Fussnoten:

[1] Hailbronner, K. (1997) Schengen II und Dublin - Der zuständige Asylstaat in Europa,(gemeinsam mit wiss. Mitarbeiter Claus Thiery, Konstanz), ZAR, Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik, 2. Quartal 1997, S. 55-66, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden.

[2] Hailbronner, K. (1995) Ausweisung und Abschiebung in der neueren Rechtsprechung und Gesetzgebung, in: Juristen Zeitung (JZ), 50. Jahrgang, Heft 3, Februar 1995, S. 127-138.

weitere Infos unter: http://www.seeseiten.de/linksrhein

 

27.08.2001
anonym zugesandt   [Aktuelles zum Thema: Antirassismus]  Zurück zur Übersicht

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