Europe: TELEPOLIS: EU plant Lauschangriff gegen Globalisierungsgegner
Datum: Fri, 24 Aug 2001 19:04:42 +0200
Von: bambule@gedankenpolizei.de
Betreff: TELEPOLIS: EU plant Lauschangriff gegen
Globalisierungsgegner
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EU plant Lauschangriff gegen Globalisierungsgegner
Armin Medosch 24.08.2001
Rat fuer Justiz und Inneres fordert UEberwachung von politischen
Protestbewegungen und Reiseverbote fuer potentielle Stoerer bei
Großereignissen
Die EU entdeckt den Feind im Inneren. Am 13. Juli, nach Goetheborg
und
vor Genua, tagte der Rat fuer Justiz und Inneres der EU und einigte
sich
auf "Schlussfolgerungen zu der Sicherheit der Tagungen des
Europaeischen
Rates und anderer Veranstaltungen von ergleichbarer Tragweite". In
diesem Dokument wird der Grundstein fuer ein
gemeinsames "operationales"
Vorgehen gegen Verletzungen der oeffentlichen Ordnung und Sicherheit
bei
politischen Großereignissen gelegt. Durch UEberwachung und
Speicherung
von Informationen in nationalen Datenbanken sollen potentielle
Randalierer identifiziert und dementsprechend Reiseverbote gegen
diese
ausgestellt werden. Diskutiert aber noch nicht beschlossen wurde auch
die Zustaendigkeit von Europol fuer diese Anlaesse, das Anlegen einer
zentralen Datenbank und der Austausch gesammelter Informationen ueber
das Schengen-Informations-System (SIS).
Als im Anschluss an Genua der deutsche Innenminister Schily und sein
italienischer Amtskollege Claudio Scajola laut ueber eine gemeinsame
EU-Einsatztruppe gegen politische Demonstrationen nachdachten, hatten
andere im stillen Kaemmerlein bereits erste in diese Richtung gehende
politische Weichenstellungen unternommen. Wie die News-Site [0] der
Buergerrechtsorganisation Statewatch enthuellt, war die Arbeitsgruppe
polizeiliche Zusammenarbeit des Ministerrats in Bruessel wieder
einmal
besonders fleißig. Im Anschluss an Goetheborg wurden in rasch
aufeinander folgenden Treffen "Schlussfolgerungen" [1] abgestimmt,
in
denen die der Rat der EU Plaene fuer gemeinsames Handeln zur
Verhinderung
oder Eindaemmung von Ausschreitungen bei politischen Demonstrationen
festlegt.
Vorgesehen ist, Mechanismen fuer "operationale Zusammenarbeit" zu
schaffen. Dazu zaehlt die "Einrichtung einer staendigen nationalen
Kontaktstelle in den Mitgliedstaaten", "die Bereitstellung einer
Gruppe
von Verbindungsbeamten" bei den entsprechenden Anlaessen und der
"Einsatz von Beamten der Polizei- oder Nachrichtendienste, die in der
Lage sind, Personen oder Gruppen zu identifizieren, die eine
Bedrohung
fuer die oeffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen koennen." Die
Leitung der Operationen soll einer "Task Force der Polizeichefs"
unterstehen.
Man beachte, dass bei der "Identifikation" von "Personen oder
Gruppen,
die eine Bedrohung fuer die oeffentliche Ordnung und Sicherheit
darstellen koennen" bereits der Verdacht genuegt,
UEberwachungsmaßnahmen
zu rechtfertigen. Die Mitgliedsstaaten werden angeregt
zur "Einholung,
Sammlung und Austausch der Informationen [...] unter anderem auch der
Informationen aus allgemein zugaenglichen Quellen". Das weitgespannte
Lauschangriff-Netz beinhaltet die UEberwachung von E-Mail, Web-
Surfing,
die Unterwanderung von Meetings durch Spitzel und Foto- und
Videoueberwachung bei Meetings und Demos. Die gewonnenen Erkenntnisse
sollen in nationale Datenbanken Eingang finden, wobei man durch
"Nutzung aller rechtlichen und technischen Moeglichkeiten [...]einen
raschen und besser strukturierten Austausch der Daten ueber
gewalttaetige
Randalierer" erreichen will.
Auf der Basis dieser Erkenntnisse koennen dann "Personen, die als
Verursacher von Stoerungen der oeffentlichen Ordnung allgemein
bekannt
sind, daran gehindert werden, in den Mitgliedstaat einzureisen, in
dem
das Ereignis stattfindet, wenn ernsthafte Gruende fuer die Annahme
bestehen, dass diese Personen in der Absicht reisen, schwere
Stoerungen
der oeffentlichen Ordnung zu organisieren oder herbeizufuehren oder
sich
an ihnen zu beteiligen".
Ginge es nach den Hardlinern unter den EU-Staaten, das sind in
diesem
Fall Deutschland, Italien, Luxemburg, Portugal, Belgien, Schweden und
das Vereinigte Koenigreich, dann wuerden die Empfehlungen des
Ministerrats noch viel weiter reichen. Diese Laender befuerworteten,
dass
Europol mit der Erfassung von Informationen ueber Demonstranten
beginnt
und diese in einer zentralen, an das Schengen-Informations-System
(SIS)
angeschlossenen Datenbank erfasst werden, also praktisch eine
politische EU-Geheimpolizei, wovon es nur noch ein kleiner Schritt
ist
zur paramilitaerischen EU-Anti-Demotruppe waere.
Die "Schlussfolgerungen", die nun gefunden wurden, setzen rechtlich
auf einem Ratsbeschluss von 1996 ueber polizeiliche Zusammenarbeit
zum
Schutz der oeffentlichen Ordnung und Sicherheit auf, der sich
urspruenglich nur auf Fußball-Hooligans bezog. 1997 wurde der
Beschluss
jedoch ausgeweitet auf alle Situationen "in denen groeßere
Menschenmengen moeglicherweise eine Bedrohung der Gesetze und der
Sicherheit darstellen und von einem Mitgliedsland in ein anderes
reisen". (siehe Statewatch-Dokumentation [2])
Reiseverbote auf der Basis polizeilicher oder geheimdienstlicher
Informationen gegen verdaechtigte Hooligans, also gewaltbereite
Fussballfans, hatte es bereits bei der EM2000 gegeben, doch das hatte
die Hueter der Buergerrechte im liberalen Lager noch nicht
aufgeschreckt.
Ob die Maßnahmen, die nun gegen Globalisierungsgegner vorgeschlagen
und
zum Teil vor Genua bereits praktiziert wurden, zu einem spaeten
Erwachen
fuehren, bleibt abzuwarten. Die Zivilgesellschaft ist manchmal
erstaunlich traege in ihren Reaktionen auf Einschnitte, vor allem in
den
Sommerferien.
Die "Schlussfolgerungen" des Rates sind gesetzlich nicht bindend, es
wird jedoch erwartet, dass die Regierungen in Anpassung an die
Empfehlungen Gesetze erlassen, die deren Durchfuehrung ermoeglichen.
Derzeit wird noch die Verantwortung der Polizeibehoerde in dem Land,
in
dem das Ereignis stattfindet, Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten,
betont. Ebenso ist es den einzelnen Herkunftslaendern potentieller
Randalierer ueberlassen, Reiseverbote auszusprechen, wie das im
Vorfeld
zu Genua bereits praktiziert wurde. Doch der Schritt zur Anbindung an
EU-Netze wie SIRENE und das bereits erwaehnte
Schengen-Informationssystem sind eigentlich die naechste logische
Entwicklung. Dies ebenso wie die Einbindung von Europol, wurde von
der
oben genannten Laendergruppe, allen voran Deutschland und Italien,
bereits gefordert.
Die "Experten" in der Arbeitsgruppe polizeiliche Arbeitsgruppe haben
wieder einmal eine klassische Vorgehensweise gewaehlt. Bei Treffen am
1.
und 4.Juli wurde bereits ein Entwurf einer Richtlinie fuer die
Bekaempfung von Demonstrationen ausgearbeitet, dieser Entwurf wurde
mit
dem staendigen Beraterstab des Ministerrats fuer Justiz und Inneres
abgestimmt, sowie zweimal mit COREPER, einem hochrangigen Komitee
staendiger Vertretungen der 15 Regierungen in Bruessel. Nationale
Parlamente oder das Europaparlament wurden zu den Beratungen aber
nicht
hinzugezogen, und am 13.Juli waren die "Schlussfolgerungen ueber
Sicherheit bei Treffen des Rats der Minister und vergleichbaren
Ereignissen" [3] auch schon verabschiedet. In einem aehnlichen Stil
waren 1995 die "International User Requirements" [4] und im Vorjahr
der
Solana-Beschluss [5] zur Informations(un)freiheit zustande gekommen.
Links
[0] http://www.statewatch.org/news/2001/aug/12poreport.htm
[1] http://register.consilium.eu.int/pdf/de/01/st10/10916d1.pdf
[2] http://www.statewatch.org/news/2001/aug/japubord.htm
[3] http://register.consilium.eu.int/pdf/de/01/st10/10916d1.pdf
[4] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/9284/1.html
[5] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/4328/1.html
Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/te/9389/1.html
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