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Büren/ Marburg: Aufruf zur Bueren-Demo

Weg mit allen Abschiebeknästen!

BUNDESWEITE DEMO IN BÜREN

3.Oktober 2001

Gegen das Abschiebe-Regime der BRD
Während am 3. Oktober am Brandenburger Tor der Nationalfeiertag begangen
wird und die Neue Mitte sich selbst feiert, demonstrieren wir am
Abschiebeknast in Büren. Die dumpfe Kohl Ära ist vorbei, so die frohe
Botschaft, die rot-grüne Politschickeria bringt Deutschland auf Siegerkurs:
Die neue militärische Großmacht zieht ab und zu in den Krieg, in Europa baut
sie ihren politischen Einfluss aus und ganz weltoffen erobert sie die neuen
Märkte in Asien. Die deutsche Wirtschaft ist begeistert: Die Steuern sinken,
das neue Einwanderungsgesetz geht mit Schröder und Schily flott über die
Bühne. Gelobt wird das Gesetz als "flexibler Rechtsrahmen zur qualifizierten
Zuwanderung". Endlich können die Firmenchefs ihr Personal auf dem
internationalen Markt einkaufen.
Schöne neue Welt also für die Neue Mitte - und genug Gründe, sie zum
Einsturz zu bringen: Unverändert hart ist die rassistische Gewalt des
Staates. Flüchtlingen und MigrantInnen wird weiterhin das Bleiberecht und
die Arbeitserlaubnis verweigert, das Grenzregime für die Festung Europa
perfektioniert. Weltoffenheit hierzulande heißt eben auch: Abschiebungen in
alle Welt.

Warum in Büren demonstrieren?
In Büren steht mit 560 Haftplätzen einer der größten Abschiebeknäste
Westeuropas. Die Menschen die hier eingesperrt sind, haben kein Verbrechen
begangen. Im Gegenteil, die meisten von ihnen sind vor Bürgerkrieg, Armut,
Folter und Mord aus ihrer Heimat geflohen. Aber seit der faktischen
Abschaffung des Asylrechts von 1993 ist es für Flüchtlinge kaum noch möglich
ein Bleiberecht zu bekommen, und um eine Abschiebung sicherzustellen werden
viele Flüchtlinge in spezielle Abschiebeknäste eingesperrt. Um einen
Menschen in Abschiebehaft zu stecken, reicht allein der "begründete
Verdacht" aus, dass sich dieser seiner Abschiebung entziehen will. Bis zu 18
Monaten kann dann die Inhaftierung dauern, was keine Seltenheit ist. Zur
"Disziplinierung" von Gefangenen werden Arreststrafen verhängt, d.h.: bis zu
vier Wochen Leben in totaler Isolierung, ohne Radio, Zeitung, Fernsehen,
Bücher, Telefon, ohne Kontakt zu Mithäftlingen. 1994 wurde bekannt, dass
Abschiebehäftlinge mit der "Schaukelfesselung" gefoltert wurden. Am 30.8.99
verbrannte Rachid Sbaai in einer Isolationszelle des Bürener Knastes. Aus
Furcht vor der bevorstehenden Abschiebung haben sich seit 1993 duzende
Menschen das Leben genommen. Tote, die die herrschende Abschiebepolitik zu
verantworten hat.
Als die Bürener Bevölkerung Anfang der 90er die Wahl zwischen einer
Unterkunft für Flüchtlinge und dem Abschiebeknast hatte, entschied sie sich
mit großer Mehrheit für den Knast. Fernab von jeder Öffentlichkeit,
ausgestattet mit neuester Sicherheitstechnologie und umgeben von einer 6m
hohen Betonmauer befindet sich der Knast rund 8 km von Büren entfernt in
einem Waldgebiet. Das war den meisten EinwohnerInnen wohl lieber, als
Flüchtlinge die sich in ihrem schönen Dorf aufhalten. Büren ist ein Beispiel
für den heimlichen und unheimlichen Rassismus in Deutschland.

Abschiebeknäste und andere Formen der Unterdrückung
Abschiebeknäste bilden die Endstation einer rassistischen Politik gegenüber
Flüchtlingen und MigrantInnen. Sie stellen sicher, dass Menschen, die aus
Angst und Not in die BRD geflohen sind, gegen ihren Willen in Elend, Folter
und Tod abgeschoben werden.
Neben den Abschiebeknästen haben die rassistischen Sondergesetze noch eine
Vielzahl von anderen unmenschlichen Praktiken zu bieten. So fallen
beispielsweise Menschen im Asylverfahren unter das
Asylbewerberleistungsgesetz. Dieses sieht vor, Flüchtlingen nur 80% des
Sozialhilfesatzes zu gewähren. Viele Flüchtlinge bekommen zudem anstelle von
Bargeld Wertgutscheine mit denen sie nur in bestimmten Läden zu bestimmten
Konditionen einkaufen können. Andere Flüchtlinge bekommen nur noch
zusammengestellte Lebensmittelpakete bei denen keine Rücksicht auf
Ernährungsgewohnheiten oder Allergien gelegt wird. Eine Behandlung von
chronischen Krankheiten schliesst das Asylbewerberleistungsgesetz aus.
Eine weiter Schikane sieht die sogenannte "Residenzpflicht" vor. Hiernach
ist es Flüchtlingen nur gestattet sich in einem bestimmten Gebiet,
beispielsweise dem Landkreis, frei zu bewegen. Eine Sondergenehmigung kostet
Geld und ist immer von der Willkür der entsprechenden Ausländerbehörde
abhängig. Der Verstoß gegen dieses unglaubliche und europaweit einzigartige
Gesetz kann Geld- und Haftstrafen zur Folge haben. Ein anderes Beispiel für
den alltäglichen Rassismus sind die "verdachtsunabhängigen" Kontrollen durch
BGS und Polizei, mit denen MigrantInnen anhand ihrer Hautfarbe belästigt und
kriminalisiert werden. In Zusammenarbeit mit einer Ermittlungsgruppe des BKA
führen Ausländerbehörden in Bremen, Niedersachsen und NRW umfangreiche
Ermittlungen gegen MigrantInnen, mit dem Ziel diesen ihr Aufenthaltsrecht
abzusprechen.
Aber solange es Repression gibt, gibt es auch selbstorganisierten
Widerstand. So kämpfen in Bremen LibanesInnen mit Unterstützung
antirassistischer Gruppen für ihr Bleiberecht. Auch gab es in den letzten
Jahren Revolten in Abschiebeknästen in Büren und Kassel. Im Juli diesen
Jahres gab es einen Hungerstreik von Flüchtlingen verschiedener
Nationalitäten im Abschiebegefängnis Glasmoor bei Hamburg und in Büren. Im
Mai 2001 veranstalteten Flüchtlingsgruppen Aktionstage gegen die
Residenzpflicht.
All diese Mechanismen und Gesetze gegen MigrantInnen haben das Ziel, so
wenig Flüchtlinge wie möglich in die BRD zu lassen und die, die schon drin
sind abzuschrecken um sie möglichst schnell wieder loszuwerden. Dabei
verschweigen die Herrschenden natürlich konsequent, dass eine Vielzahl der
Fluchtgründe von ihnen gemacht wird. Munitionslieferungen an das türkische
Regime beispielsweise, oder wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Diktaturen
wie dem Iran sorgen dafür, dass Millionen von Menschen massiv ausgebeutet
und unterdrückt werden und oftmals keinen anderen Ausweg als die Flucht
haben. Aber auch fernab dieser Realität ist es das Recht eines jeden
Menschen sich dort aufzuhalten wo er will. Grenzen sind immer Gebilde von
Machthabern. Schaffen wir eine grenzenlose Gesellschaft ohne Reisepässe und
Schlagbäume!

Selektion als Prinzip, jetzt mit Greencard
Nicht ohne Grund fordern die Wirtschaftsverbände am lautesten, dass ein
Einwanderungsgesetz verabschiedet wird. Denn das Bild vom umworbenen
Immigranten entspricht den kapitalistischen Verwertungskriterien haargenau:
Etwa 30 Jahre alt soll er sein, männlich, alleinstehend, englischsprachig
und mit hervorragender Ausbildung. Kein Flüchtling, sondern ein gut
situierter IT-Spezialist.
Und es wird nicht lange dauern, bis dem 50.000. Greencard-Arbeiter ein
feierlicher Empfang in Berlin bereitet werden kann. Der smarte junge Mann
heißt Koye M., kommt aus Lagos, Nigeria und ist an der besten
Informatikerschmiede seines Landes ausgebildet worden. Für die
Fernsehkameras posiert Otto Schily höchstpersönlich. Er beglückwünscht Koye
mit staatsmännischer Manier, überreicht ihm an Stelle des Mopeds, wie damals
für den Millionsten Gastarbeiter, jetzt ein Laptop, Made in Germany.
Koye M. ist ungewiss, was ihn in Deutschland erwartet. Zuhause hat er öfters
von Überfällen in diesem Land gelesen; davon, dass Schwarze auf der Straße
gejagt und ermordet worden sind, einfach so. Deshalb hat er auch den Vertrag
nicht bei einer Softwarefirma in Jena unterschrieben, sondern in Düsseldorf.
Dort seien die Leute ganz anders als bei der Konkurrenz, hatte ihm der
Personalchef zugeredet: Tolerant und international erfahren. Außerdem habe
sich die Firma am neuen Antirassismus-Programm der Landesregierung
beteiligt: "Fremde sind Freunde. Auch in der IT-Branche".
Nach einem Jahr in Germany hat Koye M. so seine Erfahrungen gemacht, wie
dieser Antirassismus der Deutschen funktioniert. Den Arbeitgeber hat er
gewechselt, weil die deutschen Kollegen stinksauer auf die zehn neuen
Mitarbeiter waren: Mit ihrem niedrigen Gehalt, so der Vorwurf, setzen sie
alle unter Druck und sind Schuld daran, dass die ersten Deutschen gefeuert
worden waren. Kein Wunder, dass sich Koye M. vor allen mit Landsleuten und
anderen MigrantInnen angefreundet hat.
Viele darunter waren über Lagos nach Deutschland geflohen, weil die
multinationalen Ölkonzerne in ihrer Region nicht nur die Umwelt zerstören,
sondern ein Regime von Ausbeutung und Unterdrückung installiert haben. Sie
haben nicht mehr als kurzfristige Duldungen. Ständig den Schikanen von
Polizei und Ämtern ausgesetzt, leben sie von der Hand in den Mund. Als auch
noch eine Freundin von Koye in Abschiebehaft landet, hat er die Schnauze
voll von diesem Land. Sie wurde wegen ihres illegalen Jobs als Putzfrau
angezeigt. Nun ist sie in einer Sechserzelle im Frauenabschiebeknast Neuss,
telefonieren und Besuch bekommen ist fast unmöglich. Nach drei quälenden
Monaten wird sie nach Lagos abgeschoben.
Kurz bevor Koye M. wieder zurückkehrt, bekommt er mit, dass in Berlin der
100.000. Greencardler gefeiert wird. Auch Schily ist wieder da. Er fährt hin
und will dem Abschiebeminister eigentlich nur das geschenkte Laptop
zurückgeben, aber der Security-Dienst lässt ihn nicht in den Saal. "Sieh zu,
dass Du Land gewinnst" waren die letzten Wort auf deutsch, und die hat er
sich gemerkt.

Gegen den rassistischen Normalzustand aktiv werden
kann jede und jeder. Zum Beispiel indem mensch sich bei rassistischen
Kontrollen dazwischen stellt oder aktiv bei antirassistischen oder
flüchtlingsunterstützenden Gruppen mitarbeitet. Für die nächsten Monate
planen verschiedene Gruppen die zum Thema Abschiebehaft arbeiten eine
bundesweite Kampagne, die mit vielfältigen Aktionen und Protestformen
gefüllt werden soll.
Ähnliche Kampagnen gab und gibt es bereits wie z.B. gegen die Lufthansa als
Abschiebe-Airline oder gegen die Residenzpflicht, die zum Teil ein großes
öffentliches Interesse erhielten.

Sorgen wir für eine große und lautstarke Demonstration,
bringen wir die Mauern zum wackeln!

Kein Mensch ist illegal - Bleiberecht überall!

Weg mit den rassistischen Sondergesetzen - gleiche Rechte für alle!

Grenzen auf!

3. Oktober, 12 Uhr
Einfahrt Abschiebeknast Büren

Bus aus Marburg:
9:00 Uhr Stadthalle

Karten gibt's für 15,- / 20,- DM
im Café am Grün und im Havanna 8
(Bitte möglichst früh kaufen, das erleichtert die Planung!)

immer aktuelle Infos:  http://www.aha-bueren.de


OAP-Marburg

 

24.09.2001
Offnes Antifa Plenum -Marburg   [Aktuelles zum Thema: Antirassismus]  Zurück zur Übersicht

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