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Suhl/Zella-Mehlis: Aktionstag gegen Residenzpflicht

Aktionstag gegen Residenzpflicht
Für das Menschenrecht auf Bewegungsfreiheit!
3. Oktober 2001 14 Uhr

Industriestr./Technikum
Suhl/Zella-Mehlis


Hier nun nochmal ein Auszug aus dem Aufruf zum Aktionstag gegen Residenzpflicht
in Suhl/Zella-Mehlis.
Anscheinend unternehmen Landratsamt- und Suhler Polizei alles um den
OrganisatiorInnen bzw. den TeilnehmerInnen dieser Aktion Steine in Form von
Auflagen und unzumutbaren Bedingungen in den Weg zu legen. Ausserdem wurde in
den Vorgesprächen angekündigt, konsequent gegen jede (auch geringste)
Residenzpflichtverletzung vorzugehen, und in einem solchen Falle die Kundgebung
sofort aufzulösen!
Die bisher nur mündlich geäußerten Auflagen sind nicht nur völlig untypisch und
unangemessen, sondern stellen eine eindeutige Unterhölung des
Demonstrationsrechts dar. Wir gehen momentan juristisch dagegen vor.

Beteiligt Euch an den Aktionen am 03.10.01 14 Uhr an der Landkreisgrenze
zwischen Suhl und Zella-Mehlis! Geplant sind eine Kundgebung mit mehreren
Redebeiträgen, symbolische Grenzblockade, Volleyballspiel über den
"Grenzstreifen", Musik sowie Kaffee und Kuchen für alle! Infonummer:
0177/5483323 (täglich 17-20 Uhr und vom 01.- 03.10. ganztägig)

Organisiert bzw. unterstützt von: Rote Hilfe Südthüringen, Offener
Flüchtlingsrat Thüringen, LINA Suhl, The VOICE Africa Forum, Antifa
Suhl-Zella-Mehlis, Verband junger Antifaschisten Zella-Mehlis, Antifa Infocafe
Dresden, DKP Suhl

Was ist eigentlich Residenzpflicht?

Ähnlich wie in der Zeit der Apartheid in Südafrika unterliegen Flüchtlinge auch
in Deutschland gesetzlich verankerten Aufenthaltsbeschränkungen. Das heißt im
Klartext, daß es Flüchtlingen verboten ist, sich in der BRD frei zu bewegen. Sie
dürfen den ihnen als Wohnort zugewiesenen Landkreis nicht verlassen, und sind
verpflichtet isoliert in einer ihnen zugewiesenen Flüchtlingsunterkunft (oft
abgelegen oder mitten im Wald) zu wohnen.
In der Praxis sieht es also so aus, daß es einem Bewohner des Zella-Mehliser
Asylbewerberheims in der Industriestraße nicht gestattet ist, die in ca. 100m
entfernt liegende Orts- und Landkreisgrenze nach Suhl zu überschreiten.
Ausnahmen sind theoretisch nur möglich, wenn der Asylbewerber einen
entsprechenden Urlaubsantrag fristgerecht beantragt hat, und bei der zuständigen
Stadt bzw. dem Landratsamt genehmigt bekommt. Diese Urlaubsscheine werden, wenn
überhaupt nur bei "zwingendem Grund" genehmigt.

Folgen und Konsequenzen

Die Realität dieser Gesetze ist die Unterwerfung der Flüchtlinge unter
erniedrigende Polizeikontrollen. Häufig finden diese Kontrollen gezielt und auf
Basis äußerlicher Unterschiede statt.
Mit Gesetzen die Deutsche nicht übertreten können werden Flüchtlinge und
AsylbewerberInnen kriminalisiert und diskriminiert. Gleichzeitig werden diese
"Straftaten" der sogenannten Ausländerkriminalität in der bundesdeutschen
Kriminalitätsstatistik zugeordnet. Ein Verstoß gegen die Residenzpflicht kann
mit einer Geldstrafe bis zu 5000 DM geahndet werden, was bei einem Taschengeld
von 80,- DM pro Monat nur schwer zu bezahlen ist und eventuell eine weitere
Kriminalisierung nach sich ziehen kann. Durch Urlaubsscheine und weitere
Einschränkungen werden die Kontakte zwischen Familienmitgliedern und FreundInnen
in anderen Regionen oder der Nachbarstadt erschwert. Selbst wenn ein
Urlaubsschein bewilligt wurde, kommen auf den Antragsteller weitere Kosten wie
Bus, Bahn oder Unterkunft hinzu, die von seinem Taschengeld zusätzlich
bestritten werden müssen.
Den Flüchtlingen werden die Grundrechte auf Rede- und Meinungsfreiheit massiv
eingeschränkt. Urlaubsscheine zu politischen und kulturellen Veranstaltungen
werden häufig verweigert. Ein aktuelles Beispiel:
Am Samstag dem 25.08. fand in Suhl eine Veranstaltung unter dem Motto
"Bunt statt Braun" statt. Zwei Migranten aus Jena, die diese Veranstaltung
besuchen wollten, sowie als Trommler als Teil der Veranstaltung eingeplant
waren, wurden auf Grund der Residenzpflichtverletzung schon im Vorfeld
festgenommen. Die beiden Aktivisten der Flüchtlingsgruppe The VOICE, die um 4
Uhr morgens von der Jenaer Polizei kurzzeitig inhaftiert und erniedrigt wurden,
sind nach ihrer Freilassung aufgrund ihrer politischen Überzeugung trotz
Strapazen und "Residenzpflicht" zu der Veranstaltung nach Suhl gekommen.
Sechs weitere Unterstützer aus dem Flüchtlingsheim Jena Forst, konnten sich der
Kontrolle entziehen. Sie waren aber durch das Vorgehen der Polizei so
eingeschüchtert, daß sie keinen Mut mehr hatten nach Suhl zu fahren.

Die Residenzpflicht stellt somit für alle Betroffenen eine juristische,
materielle und gesellschaftliche Ausgrenzung dar.
Darüber hinaus ist im Zuge der aktuellen politischen Entwicklung mit einer
weiteren Verschärfung der Situation für Flüchtlinge in Deutschland zu rechnen.
Der neue Einwanderungsentwurf des Bundesinnenministers Otto Schily (SPD) steht
symbolisch für diese Entwicklung. Äußerungen verschiedener Politiker fast aller
Parteien führen zu einer weiteren Eskalation des politischen Klimas in
Deutschland und Europa. Zitate wie:

"Die Grenzen der Belastbarkeit sind erreicht" (Schily, SPD)

"Das Boot ist mehr als voll, es sinkt bereits" (Zeitlmann, CSU)

"Kinder statt Inder" (Rüttgers, CDU)

"Wer unser Gastrecht mißbraucht, für den gilt, raus und zwar schnell" (Schröder,
SPD)

"Wir brauchen weniger Ausländer die uns ausnutzen, und mehr die uns nutzen"
(Beckstein, CSU)

...gehören inzwischen zur Normalität des politischen Alltags in Deutschland.
Schon jetzt werden lediglich 4% der Asylbewerber anerkannt.

Verlierer dieser Politik sind die schwächsten Glieder der Gesellschaft-
Gewinner die extreme Rechte!

Wir haben den 3. Oktober bewußt gewählt, weil wir grade am Tag des "nationalen
Freudentaumels" durch unseren Protest darauf aufmerksam machen wollen, daß es
sowohl in der BRD, als auch in Europa sehr wohl noch Grenzen gibt. Wir fordern
deshalb die Stadt Suhl und den Landkreis Schmalkalden-Meiningen auf, es
offiziell zu ermöglichen, daß die Menschen unabhängig ihrer Herkunft die
Landkreisgrenzen frei überschreiten dürfen!
Darüber hinaus fordern wir die grundsätzliche Abschaffung dieses europaweit
einmaligen rassistischen Sondergesetzes!

Nieder mit der Residenzpflicht nach § 36 Ausländergesetz und § 56
Asylverfahrensgesetz!
Nieder mit allen anderen rassistischen Sondergesetzen!
Stoppt die staatliche Kriminalisierung von Bewegung durch den deutschen Staat!
Bewegungsfreiheit ist Menschenrecht!
Wir fordern Bewegungsfreiheit für Flüchtlinge in Deutschland!
Übt zivilen Ungehorsam - leistet Widerstand gegen diese Gesetze!

 

01.10.2001
anonym zugesandt   [Aktuelles zum Thema: Antirassismus]  [Schwerpunkt: Kampagne gegen die Residenzpflicht]  Zurück zur Übersicht

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