Wadern/ Saarland: Diffamierung von Abgeschobenen
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Pressemitteilung Nr. 80 / 26. November 2001
Zu den Ereignissen um die Abschiebung der siebenköpfigen Familie ÖZDEMIR
aus dem nordsaarländischen Wadern:
AKTION 3.WELT Saar fordert Untersuchungsausschuß im Landtag zur
Abschiebepolitik der Landesregierung
Saarländische Landesregierung diffamiert Familie ÖZDEMIR als Gefahr für
die Innere Sicherheit der Bundesrepublik
„Das Maß ist voll, wir fordern die Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses zur Abschiebepolitik der Landesregierung“, so
Helmut Schillo von der AKTION 3.WELT Saar. Gegenstand sollen neben den
besonderen Umstände vor, während und nach der Abschiebung der
siebenköpfigen Familie Özdemir auch die sich aufdrängenden Vergleiche im
Falle der Abschiebung von Hüseyin Yalcin im März 2001 sein. In beiden
Situationen gab es von zwei früheren Innenministern - Friedel Läpple
(SPD) und Klaus Meiser (CDU) - Zusagen für ein Bleiberecht. Ebenso
erfolgten die Abschiebungen aus laufenden Gesprächen und Prüfungen. Im
Falle der Familie Özdemir gar während laufender Gespräche zwischen der
Rheinischen Landeskirche und der saarländischen Landesregierung. Auch
die im bundesweiten Vergleich auffallend restriktive Handhabung der
Altfallregelung durch die CDU von Peter Müller sollte Gegenstand eines
solchen Ausschusses sein. Während sich Peter Müller auf Bundesebene in
Ausländerfragen gerne als weltoffen, liberal und tolerant präsentiert,
zeigt er sich vor der eigenen Haustür von der anderen Seite und
entscheidet im Zweifelsfall gegen Flüchtlinge.
„Hier wird ein unbedingter Wille zur ‚Abschiebung um jeden Preis‘
deutlich“, so Helmut Schillo. Der Untersuchungsausschuß des Landtages
soll nach Auffassung der AKTION 3.WELT Saar alle Beteiligten als
Zeugen/innen vernehmen, darunter auch den saarländischen
Ministerpräsidenten Peter Müller, die Repräsentanten der Evangelischen
Kirche im Rheinland sowie die ehemaligen Innenminister.
Mit Entschiedenheit weist Helmut Schillo für die AKTION 3.WELT Saar die
diffamierenden Aussagen der saarländischen Landesregierung über die
Familie ÖZDEMIR zurück. In einem Antwortschreiben von 16.November auf
eine Offenen Brief rechtfertigt sie die Abschiebung mit Verweis auf die
Innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und bringt die Familie
indirekt mit den Terroranschlägen des 11.9. in Verbindung.
Gertrud Selzer
P.S. Als Anlage senden wir Ihnen die Resolution, die einstimmig von den
120 Anwesenden einer Informations- und Solidaritätsveranstaltung am 25.
11. Im Evangelischen Gemeindehaus in Wadern verabschiedet wurde.
Resolution zur Abschiebung der kurdischen Familie ÖZDEMIR
Die Situation
Am 15. November 2001 wurden sieben Mitglieder der kurdischen Familie
ÖZDEMIR aus dem nordsaarländischen Wadern abgeschoben. Die Familie lebte
14 Jahre lang in Deutschland. Einige ihrer Kinder sind in Deutschland
geboren und sprechen kein türkisch. Auch den zwei Familienmitgliedern,
die vorerst nicht abgeschoben wurden, droht die Ausweisung.
Die Familie mußte aufgrund politischer Unterdrückung ihre Heimat
verlassen. In den letzten drei Jahren erwirtschaftete sie ihr eigenes
Einkommen. Sowohl der sozialdemokratische Innenminister Friedel Läpple
als auch sein christdemokratischer Nachfolger Klaus Meiser hatten der
Familie Bleiberecht zugesichert. Die amtierende saarländische
Innenministerin hat sich nicht daran gehalten.
Zudem geschah die Abschiebung während laufender Prüfungen / Gespräche
mit der Evangelischen Kirche im Rheinland.
Wir halten fest:
Die Abschiebung war weder ausländerrechtlich noch politisch geboten. Sie
stellt eine menschliche und moralische Grausamkeit dar. Die Familie und
insbesondere ihre mitabgeschobenen fünf Kinder müssen in einer für sie
fremden und völlig unbekannten Umgebung leben. Die aktuellen Berichte
des türkischen Menschenrechtsvereins, IHD, zeugen davon, dass es keine
Beruhigung der Menschenrechtssituation in der Türkei gibt.
Wir fordern:
1. Rückkehr der Familie ÖZDEMIR
Die Saarländische Landesregierung soll gegenüber der Familie ÖZDEMIR
eine Einladung in die Bundesrepublik Deutschland aussprechen.
2. Gesichertes Bleiberecht für die 2 Familienmitglieder, die zunächst
nicht abgeschoben wurden.
3. Einstellung der Diffamierungen gegen die Familie ÖZDEMIR
Die saarländische Landesregierung verbreitet gezielt diffamierende
Behauptungen gegen Familie ÖZDEMIR.
Lüge 1: Die Familie habe sich durch Asylnachfolgeanträge mit unlauteren
Mitteln ein langjähriges Bleiberecht erschlichen und habe damit
Asylmissbrauch betrieben. Richtig ist, dass die Familie in der
Bundesrepublik Deutschland politisch aktiv war und lediglich die ihr
zustehenden juristischen Möglichkeiten ausgeschöpft hat
Lüge 2: In einem Schreiben vom 16. November stellt das Innenministerium
die Familie als Gefahr für die Innere Sicherheit der Bundesrepublik dar
und kündigt die weitere Abschiebung der noch hier verbliebenen zwei
Mitglieder an. Richtig ist: Wer zu solchen entwürdigenden Aussagen
greifen muß, hat keine Argumente, sondern nur noch seinen unbedingten
Willen zur Abschiebung. Die Familie kann sich gegen diese Diffamierungen
nicht mehr zu Wehr setzen.
Wir kündigen an:
Uns beharrlich und öffentlich für die Umsetzung der menschlich gebotenen
Forderungen einzusetzen und die Verantwortlichen der Abschiebung zu
benennen.
Einstimmig verabschiedet von 120 Teilnehmern/innen der öffentlichen
„Informations- und Solidaritätsveranstaltung“ am 25. November 2001 im
Evangelischen Gemeindehaus Wadern.
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