Europe: [antiknast] Telepolis - Europaeischer Rat will Datenspeicherung zulassen
Telepolis: Europaeischer Rat will Datenspeicherung zulassen
Europaeischer Rat will Datenspeicherung zulassen
Erich Moechel 28.11.2001
Entgegen der vom Parlament geforderten AEnderungen der EU-Direktive
zum Datenschutz will die Arbeitsgruppe Telekommunikation den Wuenschen
des US-Praesidenten nachgeben
An der Neufassung der EU-Direktive zum Datenschutz, die in der
Ratssitzung zum Thema Telekommunikation und Transportwesen am 6. und
7. Dezember offiziell vorgelegt werden wird, sind die Ereignisse des
11. September nicht ohne Auswirkung vorbei gegangen.
Ein mit 20. November 2001 datierter Entwurf der Arbeitsgruppe
Telekommunikation fuer eine Novellierung der Datenschutz-Direktive mit
dem Akronym ECO 323 CODEC 1175 folgt zwar weitgehend den vom
EU-Parlament geforderten Abaenderungen ( [1]Diskussion ueber die
Speicherung von Verbindungsdaten). In einem entscheidenden Punkt
weicht die Ratsarbeitsgruppe von den Empfehlungen des Parlaments
allerdings ab.
Die Neufassung des Artikel 15, der analog zum EU-Recht immer schon
eine Regelung enthielt, die Mitgliederstaaten "fuer die Sicherheit des
Staates, die Landesverteidigung, die oeffentliche Sicherheit oder die
Verhuetung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten
oder des unzulaessigen Gebrauchs von elektronischen
Kommunikationssystemen"
Ausnahmeregelungen zugesteht, geht im Neuentwurf der Direktive ueber
diese allgemeine Feststellung noch hinaus.
Nun soll im Gemeinschaftsrecht festgeschrieben werden, dass
EU-Mitglieder die Speicherung von Daten auf Basis von Artikel 15
anordnen koennen. Eine zeitliche Beschraenkung dieser Speicherung ist
zwar vorgesehen, aber ueberhaupt nicht definiert ("for a limited
period").
Die vom EU-Parlament verlangte Formulierung dieses fuer die Umsetzung
der Direktive in den Mitgliedsstaaten entscheidenden Artikels wurde
damit glatt vom Tisch gewischt.
Der vom Parlament verlangte [2]Zusatz dass die Verpflichtung der
Provider zur Datenspeicherung "angemessen, ausgewogen und zeitlich
beschraenkt" sein muesste, ist in der Rats-Vorlage fuer den 6/7
Dezember
nicht enthalten. Die zeitliche Beschraenkung bezieht sich nunmehr
definitiv nicht auf die UEberwachungsmassnahmen der Staaten, sondern
auf die Dauer der Datenspeicherung, ohne diese wiederum zeitlich zu
limitieren.
Damit ist die zentrale Aussage der Datenschutzdirektive, dass
saemtliche Verbindungsdaten, die zu UEbertragungszwecken oder zur
Abrechnung benoetigt werden, umgehend geloescht werden muessen,
gaenzlich
relativiert.
Folgerichtig hat man auch jenen Passus des EU-Parlaments aus der
Fassung vom 20. November eliminiert, der staatlich verordnete
Datenspeicherungs-Massnahmen als "vollstaendige Ausnahme" definiert.
Gleichfalls gestrichen wurde der Zusatz des Parlaments, dass "weit
reichende, generelle und erforschende elektronische UEberwachung"
durch Europaeische Menschenrechtskonvention explizit verboten sei. Die
Neufassung merkt lediglich an, dass alle Massnahmen in Einklang mit
dem Gemeinschaftsrecht stehen muessten, was vom Fischereirecht bis zur
Landwirtschaft ohnehin fuer jede neue EU-Direktive zwingend gilt ("in
accordance with the general principles of Community law").
Auf diese Passage, die ein Betriebsverbot oder zumindest eine AEchtung
von UEberwachungssystemen a la ECHELON zu geltendem EU-Recht erhoben
haette, war offensichtlich die Aufsehen erregende Intervention von
US-Praesident George W. Bush beim EU-Ratsvorsitzenden Guy Verhofstadt
abgezielt ( [3]Datenschutz: George W. Bush interveniert bei EU). Zu
strenge Datenschutzbestimmungen koennten den Kampf gegen Terrorismus
behindern, hiess es in dem [4]Brief der in Europa weithin als
Einmischung der USA in interne EU-Angelegenheiten angesehen wurde.
Der Brief des Praesidenten, der - nicht wirklich ueberraschend - auch
auf Sorgen der europaeischen Sicherheitskraefte ueber effiziente
Bekaempfung von Kinderpornografie im Internet rekurriert, faellt nicht
nur zeitlich genau in den Rahmen der Neufassung hinein. Wie die
erlaeuternden Anmerkungen zur novellierten Direktive zeigen, hat nicht
nur Bush sein Ziel erreicht, fuer ECHELON-Betreiber Grossbritannien
wurde nachgerade ein Freibrief ausgestellt.
Anmerkung 11, die sich auf den weiter oben abgehandelten Artikel 15
bezieht, haelt fest, dass die erwaehnten Ausnahmeregelungen von der
Pflicht zur Loeschung nicht mehr benoetigter Daten zwecks Massnahmen
zur
"oeffentlichen und nationalen Sicherheit" auch "das oekonomische
Wohlergehen eines Staates, wenn die Massnahmen sich auf
Staatssicherheit beziehen" einschliessen.
Diese Passage sieht einer Klausel im Ermaechtigungsgesetz fuer den
britischen Militaergeheimdienst und ECHELON-Betreiber General
Communications Headquarter (GCHQ) von 1994 verdaechtig aehnlich, die
seit Jahren fuer Misstrauen gegenueber Grossbritannien sorgt. EU-weit
wurde und wird befuerchtet, dass Grossbritannien diese [5]Klausel zum
"wirtschaftlichen Wohlergehen" als Freibrief fuer Wirtschaftsspionage
auch innerhalb der EU nuetzt. Die Aufnahme von genau diesem Passus in
eine EU-Vertragswerk wuerde jeder Kritik daran die Spitze nehme.
Sollte die derzeitige Version, die bereits wie eine Endfassung
gestatlet ist, vom Rat verabschiedet werden, steht es jedem
Mitgliedsland frei, die Kernaussage der Direktive etwa unter Berufung
auf die "Verhuetung von Strafdaten" de facto ausser Kraft zu setzen.
Internetprovidern und Betreibern von GSM-Netzen kann generell die
Speicherung aller Verbindungsdaten ueber den Zeitpunkt der Abrechnung
hinaus vorgeschrieben werden. Unter "Verbindungsdaten" fallen laut
ECO 323, CODEC 117 5 vom 20. November 2001 ausdruecklich auch
geografische Daten, wie sie in der GSM-Telefonie, bei drahtlosen
Zugaengen ins Internet wie GPRS und irgendwann auch bei UMTS
anfallen.
"In digital mobile networks location data giving the geographic
position of the terminal equipment of the mobile user are processed
to enable the transmission of communications. Such data are traffic
data covered by Article 6 of this Directive." [Annex zum Neuentwurf,
Klausel 35]
[6]Frankreich und [7]Grossbritannien, die an der weiteren
Verwaesserung
des EU-Datenschutzes massgeblichen Anteil haben, sind mit ihren
nationalen Beispielen bereits voran gegangen. Frankreich hat eine
einjaehrige Speicherpflicht bereits verabschiedet, In Grossbritannien
laeuft jetzt von Seiten des Home Office eine [8]Initiative, die von
Phaenomen und und Vorgangsweise der franzoesischen Regelung
verdaechtig
aehnlich sieht ( [9]Zuckerbrot und Peitsche fuer die franzoesischen
Provider).
Erich Moechel ist Redakteur von [10]Futurezone
Links
[1] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/9980/1.html
[3] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/11051/1.html
[4] http://www.statewatch.org/news/2001/nov/06uslet.htm
[5] http://futurezone.orf.at/futurezone.orf?read=detail&id=47547
[6] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/11141/1.html
[7] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/11187/1.html
[9] http://www.heise.de/tp/deutsch/inhalt/te/11141/1.html
[10] http://futurezone.orf.at
Artikel-URL: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/te/11224/1.html
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