Wider die totale Ueberwachung!
Durch die Anschlaege in den USA und den Krieg in Afghanistan richtet
sich die mediale Aufmerksamkeit derzeit einerseits auf den
Terrorismus, der fast ausschliesslich mit "islamischen Laendern"
assoziiert wird, andererseits auf den Krieg, der vorgeblich gefuehrt
wird, um die "westliche Zivilisation" zu sichern. Durch die staendige
Praesenz des Themas ist die allerorten ausgebrochene Betroffenheit
auch nicht weiter verwunderlich. Unzaehlige Menschen meinen sich
bedingungslos mit einer der beiden kriegsfuehrenden Parteien
solidarisieren zu muessen.
In dieser Situation faellt es den Regierungen vieler Staaten noch
leichter als bisher, die staatliche Macht mittels Ueberwachung und
Kontrolle auszubauen, ohne dabei auf nennenswerten Widerstand zu
stossen. Die nun eilig beschlossenen "Antiterrorpakete", die
angeblich vor TerroristInnen schuetzen sollen, beinhalten Massnahmen,
um die Bevoelkerung in der Oeffentlichkeit sowie im privaten Bereich
zu bespitzeln, und beschneiden so ganz massiv die Freiheiten der
Menschen. Offen ausgesprochen hat dies kuerzlich FPOe-Klubobmann
Westenthaler, der fuer mehr "Sicherheit" die persoenlichen Freiheiten
jedes Einzelnen einschraenken will. Da die Sicherheit, die er meint,
jedoch in erster Linie fuer die Aufrechterhaltung der staatlichen
Machtstrukturen zutrifft, steigt die persoenliche Sicherheit nur
unmerklich. So ergeht aus dem Grundtenor des Einsatzes fuer die
Grundwerte der Menschen eine Staerkung der Polizei, des Militaers und
nicht zuletzt der Geheimdienste. Es herrscht eine Stimmung, in der
Grundrechte und Gesetze, die den Datenschutz betreffen, zugunsten der
Allmacht des Staates aufgekuendigt werden.
Normierung...
Die vielzitierten Freiheiten der "westlichen Zivilisation" - die es
ja angeblich gerade mit dem Krieg in Afghanistan zu verteidigen gilt
- sind im Begriff zu verschwinden. Wenn biometrische Daten
(Irisdaten, DNS-Analysedaten, Fingerabdruecke, etc.) in den Paessen
aufscheinen, flaechendeckende Videoueberwachung die Handlungen im
oeffentlichen Raum aufzeichnet, private Kommunikation ueberwacht
wird, die ArbeitgeberInnen ueber die Krankheiten, Lebensgewohnheiten
etc. ihrer Angestellten Bescheid wissen, und sich bei Bedarf Akten
von der Polizei kaufen koennen, um mit all den Daten
Persoenlichkeitsprofile und somit massgeschneiderte Werbung zu
kreieren, dann wird der Mensch in eine grundlegende Abhaengigkeit und
eine veroeffentlichte Existenz gedraengt.
Als zentrale Fahndungsmethode gilt den staatlichen Verfolgungsorganen
die Rasterfahndung. Das Verfahren, bei dem Daten der Menschen
zusammengefasst und auf Abweichungen geprueft werden, wurde in
Oesterreich im Zuge der Ereignisse nach dem Anschlag auf das World
Trade Center ohne grosse Proteste auf weitere Jahre beschlossen. Dass
damit die Chance, TerroristInnen zu entdecken, eher gering ist, da
diese ja gerade versucht sind, in ihren Verhaltensmustern keine
Hinweise auf ihre Aktionen zuzulassen, stoert die
EntscheidungstraegerInnen dabei nicht.
... und der Verstoss dagegen
Wenn mit so einer Methode ueberhaupt jemand gefunden wird, dann
Menschen, die von einer von Staat und Gesellschaft festgelegten
"Lebensnorm" abweichen. Allein diese Tatsache macht die
Rasterfahndung zum Kernstueck eines extrem repressiven
Gesellschaftssystems, das auf Psychoterror und Ueberwachung aufbaut.
Denn allein eine Norm zu definieren ist bereits ein zentraler
Widerspruch zu jeder wie auch immer gearteten individuellen Freiheit.
Aus Menschen, die andere Lebensformen, Meinungen oder Gedanken als
die der Mehrheit vertreten, Tatverdaechtige bzw. mutmassliche
TerroristInnen zu machen, kann nur zu einem Klima fuehren, in dem
Freiheit, Kreativitaet und kritisches Betrachten der
gesellschaftlichen Verhaeltnisse erstickt werden.
Ein weiterer wichtiger Wunsch der Innenminister ist die lueckenlose
Ueberwachung des Internets und des Telefonverkehrs. Mittels
Reizwoerterueberpruefung wird die Telefon- und Internetkommunikation
nach "verdaechtigen" Woertern durchforstet, um potentielle
TaeterInnen aufzuspueren. Zumindest die Kommunikation per E-Mail kann
derzeit noch mittels Verschluesselung vor staatlichen (und anderen)
MitleserInnen geschuetzt werden. Kein Wunder also, dass auch in
diesem Bereich gesetzliche Aenderungen angestrebt werden: Weltweit
wird ueber Einschraenkungen im Bereich der Verschluesselung
diskutiert, das geht vom Einbau von Generalschluesseln, die das
Mitlesen fuer staatliche Stellen ermoeglichen, bis zum Totalverbot
von privater Verschluesselung wie es bereits in Frankreich
praktiziert wird. Ausgenommen von solchen Verboten sollen natuerlich
die Bereiche sein, in denen es zur Beeintraechtigung von
wirtschaftlichen Interessen kommen koennte. Denn logischerweise haben
Firmen ein grundlegendes Interesse an der Wahrung ihrer
Betriebsgeheimnisse und den erstellten KundInnenprofilen. Gegen die
vielbeschworenen "TerroristInnen" nutzen all diese Massnahmen
freilich nichts, denn warum sollten sich diese an solche Gesetze
halten? Ganz abgesehen davon, dass sie sich hueten werden, ihre
Plaene ueber solch unsichere Medien - wie es Telefon und Internet
nun mal sind - zu kommunizieren.
Big Brother is watching you... NOW!
Der naechste Punkt, die Videoueberwachung, fuehrt uns nach England,
ein Land, das in dieser Hinsicht eine "Vorreiterrolle" einnimmt. So
gibt es in einigen englischen Staedten mittlerweile eine beinahe
flaechendeckende Videoueberwachung. Angeblich koenne damit die
Kleinkriminalitaet massiv reduziert werden. Doch die Realitaet sieht
anders aus: Das Gefuehl der absoluten Ueberwachung fuehrte zu einem
Rueckgang der Meldungen durch die Bevoelkerung, die Aufklaerungsquote
sank, statt wie "versprochen" zu steigen. Aber - wenig ueberraschend
- auch ein wirtschaftlicher Nutzen wird aus den vielen Kameras
gezogen: Mittlerweile verdient sich so manche britische Polizeiwache
ein Zugeld durch den Verkauf der Ueberwachungsbaender an
Fernsehstationen.
Im Dienste der Wirtschaft
Die gesammelten Daten und Verhaltensmuster der Individuen erhalten
eine neue Dimension, wenn sie in das oekonomische System
eingegliedert werden, sprich damit gehandelt wird. Dieser Markt
boomt in einem unglaublichen Ausmass. So werden fuer einen "guten"
Datensatz mittlerweile Preise von mehr als 2.000 Schilling bezahlt.
Die oesterreichische Firma Schober hat mehr als 5 Millionen davon -
zusammengestellt aus Frageboegen, die im Zusammenhang mit
Gewinnspielen auszufuellen waren.
Endprodukt: Die massgeschneiderte Werbung fuer jedeN einzelneN,
analysiert und perfektioniert durch umfassendes Wissen ueber
Vorlieben, Eigenheiten, Einkommen und andere private Details. Die
oekonomischen und staatlichen Methoden an die Daten der Menschen
heranzukommen, sind unterschiedlich, der Fluchtpunkt ist jedoch
derselbe: Ein autoritaerer Ueberwachungsstaat soll eingebettet in
eine alles bestimmende oekonomische Maxime das historische Endprodukt
der menschlichen Evolution sein. Gerade ein solcher Staat muss auf
das Entschiedenste bekaempft werden.
Doch angeblich gibt es ja den Datenschutz, der den Austausch von
staatlich (durch Ueberwachungsmassnahmen) und oekonomisch (durch
Kreditkartenzahlung, Treue und Kundenkarten etc.) gewonnenen Daten
weitgehend verhindern soll. Dass dem nicht so ist, zeigt sich
manchmal auch ganz offen: Seit Mai 2000 gibt es in Oesterreich fuer
Firmen - ganz legal - die Moeglichkeit, beim Innenministerium
"Auskuenfte ueber die Vertrauenswuerdigkeit eines Menschen anhand
personenbezogener Daten" zu kaufen. Je nach Vertraulichkeit der Daten
("vertraulich", "geheim", "streng geheim") steigt der Preis. Dass die
Daten jedes Menschen wie selbstverstaendlich am "freien" Markt zu
erwerben sein werden, ist jedoch nur eine Frage der Zeit. Natuerlich
wird es auch weiterhin eine minimale Form des Datenschutz geben - der
wird aber nur die Bereiche betreffen, die wirtschaftlich relevant
sind.
Der Missbrauch von Daten trifft die "unteren" Bevoelkerungsschichten
im sozialen Gefuege vergleichsweise haerter: Sie sind ueber ihre
Rechte oft nicht aufgeklaert und haben kaum Mittel sich zu
verteidigen, koennen Vergehen und "Verbrechen" weniger versteckt
ausfuehren und sind letztendlich der staatlichen/polizeilichen
Willkuer ausgeliefert.
Nichts zu verbergen?
Viele Menschen reagieren auf Warnungen vor einer stark ueberwachten
Gesellschaft mit Spott und meinen, wer etwas zu verbergen hat, habe
Angst, dass seine kriminellen Aktivitaeten bekannt werden. Das
beweist, wie stark die propagandistischen Forderungen, die
Ueberwachung als Sicherheitsmittel fuer die Bevoelkerung aufzubauen,
Anklang gefunden haben. Argumente fuer den Erhalt des Datenschutzes
werden kaum wahrgenommen, der Schutz der Privatsphaere nicht fuer
wichtig erachtet. Zusaetzlich wird jedem Menschen so verstaendlich
gemacht, dass er/sie prinzipiell schuldig ist - der Beweis der
Unschuld muss im Auge der Ueberwachung staendig erneut erbracht
werden. Darauf laesst sich schwer ein selbstbewusstes Leben aufbauen.
Aber: Hat nicht jeder Mensch Geheimnisse, Eigenheiten oder Vorlieben,
die nur sie/ihn und vielleicht die engsten Freunde etwas angehen?
Machen nicht gerade diese "Geheimnisse" das Individuum Mensch aus,
und sind es nicht gerade sie, die die Vielfalt menschlicher
Existenzen erst ermoeglichen? Ist nicht jede gesellschaftliche Norm
ein irrationales Konstrukt, das unsere wahren Beduerfnisse nach einem
erfuellten und lustvollen Leben dem "Diktat des Systems" unterwerfen
will?
Wer Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird beides verlieren!
{rosa antifa wien}
--
############ RAW #############
Rosa Antifa Wien
c/o Rosa Lila Tip
Linke Wienzeile 102
A-1060 Wien
AUSTRIA
-------------------------
E-Mail: raw@raw.at
Web: http://www.raw.at
-------------------------
PGP-Key available here:
http://www.raw.at/sub/kontakt/raw.asc
############ RAW #############
|