Bern: Sans Papier aus dem Gefängnis befreit
Werte Medienschaffende,
Am Dienstagabend ist aus dem Berner Amtshaus-Sicherheitsgefängnis an der Amtshausgasse ein Sans Papier befreit worden. Er war am Nachmittag beim Besuch der Grossrats-Debatte verhaftet worden.
Um 21.30 Uhr versammelten sich rund 300 Sympathisierende vor dem Amtshaus, in das Sherif A. nach seiner Verhaftung gebracht wurde.
In einer gewaltfreien, direkten Aktion wurde er kollektiv befreit. Die Scheibe aus Sicherheitsglas wurde entfernt und die Stäbe seiner Zelle durchgesägt. Die Gruppe die handwerklich tätig war, nennt sich ?Menschenrechte - jetzt sofort?. Die Aktion wurde von einem Live-Konzert begleitet.
Die Befreiung bewahrt den verfolgten Kurden vor seiner Ausschaffung durch die Schweizer Fremdenpolizei. Sherif A. hätte am Mittwoch nach Sissach (BL) verlegt werden sollen. Von dort hätte seine Ausschaffung erfolgen sollen.
Kein Mensch ist illegal! Solidarität mit den Sans Papiers
Als Hintergrund das Flugblatt, das vor seiner Befreiung verteilt wurde:
Verhaftung und drohende Ausschaffung eines Sans-Papiers vom Berner Kollektiv während einer Grossratsdebatte!
Im Grossrat des Kantons Bern wurden heute Interpellationen von Liliane Gujer (Grünes Bündnis) behandelt. Aus diesem Anlass wollten zwei Sans-Papiers, sowie zwei Personen des UnterstützerInnenkollektivs die Debatte verfolgen. Bei der Eingangskontrolle zeigte Sherif seinen Führerausweis vor, er wurde problemlos eingelassen. Ein paar Minuten später jedoch hiess es, er müsse im Foyer bleiben, da es einige ?Abklärungen? zu treffen gäbe. Auf weiteres Nachfragen hiess es dann, die Stadtpolizei sei zuständig und unterwegs. Diese nahm ihn dann fest.
Laut polizeilichen Angaben ist seine Verhaftung auf einen RIPOL- Eintrag zurückzuführen. Sherif soll nächstens der Fremdenpolizei Basel überstellt werden.
Sherif reiste vor 13 Jahren erstmals in die Schweiz ein. Die Mitgliedschaft in einer legalen Oppositionspartei, sowie die Tatsache, dass er Kurde ist, führten zu mehreren Verhaftungen und Folter durch die Polizei, sowie Morddrohungen. In der Folge verliess er die Türkei und kam in die Schweiz. Nach vier Jahren wurde sein Asylgesuch abgelehnt. Daraufhin kehrte er in seine Heimat zurück. Vor ungefähr 1 1/2 Jahren reiste er ein zweites Mal in die Schweiz ein und stellte ein zweites Gesuch, auf das gar nicht erst eingegangen wurde, weil er nur über einen kopierten Führerausweis und nicht über einen gültigen Pass verfügte.
Sherif verbinden enge familiäre Beziehungen mit der Schweiz. Seine von ihm geschiedene Frau (sie hat eine ?N? Aufenthaltsbewilligung) mit ihren beiden kleinen Kindern leben im Kanton Bern. Er pflegte regelmässigen Kontakt mit ihnen. Das ältere Kind besucht die erste Klasse, des Jüngere eine Spielgruppe. Beide haben viele Freundschaften geschlossen, etwas Berndeutsch gelernt und sich integriert. Sein Bruder lebt auch in der Schweiz.
Diese Verhaftung steht im Widerspruch zu den seitens der Behörden proklamierten Willen, Härtefälle einzeln zu überprüfen. Sowohl Gemeinde, wie auch Kanton beteuerten stets, dass die Verfolgung von Sans- Papiers, die sich innerhalb der Sans- Papiers-Kollektiv für ihre Regularisierung einsetzen ?keine Priorität? darstelle. Diese Verhaftung aus einer Parlamentsdebatte zeugt von einem erbärmlichen Demokratieverständnis der Behörden. Sherif bereitete bereits seinen Antrag auf Härtefallprüfung vor. Seine Erfahrungen in der Türkei zeigen, dass Sherif nur unter akuter Gefährdung seiner Sicherheit auszuschaffen ist und dies demzufolge einem illegalen Willkürakt gleichkommt.
Wir verlangen die sofortige Freilassung von unserem Freund und Mitstreiter Sherif und das Ende einer Politik der Einschüchterung und der Repression.
Sherif war seit Anfang unseres Kampfes in Bern dabei. Wir haben ihn immer als einen kommunikativen, feinfühligen, freundlichen und hilfsbereiten Menschen und Vater erlebt. Wir sind entsetzt ab der Willkür, die ihm widerfährt. Diesen Fall zeigt einmal mehr, wie unhaltbar und unmenschlich unsere gültigen Gesetze sind und wie dringend es ist, menschliche Lösungen zu finden und umzusetzen. Eine kollektive Regularisierung der Sans-Papiers bleibt dringender denn je. Der Kampf geht weiter!
Johannes-Kirche Bern, 29. Januar 2002
Sans- Papiers-Kollektiv Bern
Für zusätzliche Informationen: 078 / 801 26 34
Quelle: http://switzerland.indymedia.org/display.php3?article_id=7955
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