Berlin: Diskussionspapier zum 1.Mai
Es gibt keine Alternative zur Revolution
Diskussionspapier zum Revolutionären 1. Mai.
Wir fordern
alle Gruppen und Menschen dazu auf, die von der
neoliberalen Globalisierung betroffen sind, darüber zu
diskutieren, wie jetzt am 1. Mai 2002 der Widerstand IM
STADTTEIL und AUF DER STRAßE selbstorganisiert von unten
gestaltet werden soll... jenseints von Befriedungs- oder
Staatsprojekten!
Diskussionspapier: Es gibt keine Alternative zur Revolution!
von: Kommunistische und Autonome Gruppen
Das war die Losung aller beteiligten Gruppen zur
Vorbereitung der ersten Revolutionären Maidemonstration in
Berlin-Kreuzberg 1988 bezugnehmend auf den Aufstand am 1.
Mai 1987 in Berlin-Kreuzberg. Es ist einer der wenigen
traditionellen Tage, welche die außerparlamentarische autonome
Linke im Verlauf ihrer langjährigen Aktivitäten aufrecht
erhalten konnte. Nun jährt sich zum 15. mal für uns der
Revolutionäre 1. Mai und regelmäßig bereitet der 1. Mai in
Berlin schon Monate zuvor den Herrschenden Kopfzerbrechen.
Für die neugebildete rot-rote Regierung war er gar Thema in
den Koalitionsverhandlungen.
Vom AHA-Konzept....
Seine Brisanz erhält der 1. Mai nach wie vor dadurch, daß
es trotz aller staatlich verordneten Befriedungsstrategien
nicht gelungen ist, die autonome Linke, die am Anspruch zur
revolutionären Veränderung festhält, von der Bevölkerung in
Kreuzberg zu isolieren. Auch die mit großem finanziellen
Aufwand staatlich initiierten Bürgerfeste (z.B. AHA-
Konzept), die mit ihren Hüpfburgen und Streetball-Events
ein „Alternative“ zum Revolutionären 1. Mai
darstellen sollten, brachten nach eigener Einschätzung der
Initiatoren (Innensenat und Sponsoren wie TVB und SAT1)
nicht den gewünschten Effekt, die sog. marginalisierten
Jugendlichen und BewohnerInnen von der Teilnahme an der
Revolutionären 1. Mai Demo abzuhalten. Auch wochenlange
Versuche ausgebildeter Polizeipsychologen an den Schulen
mittels Hearings und peppig aufgemachten Flugblättern
blieben hilflos. Die Deklassierung und Perspektivlosigkeit
eines Großteils der Kiez-Bevölkerung zwingt die Menschen,
angesichts der sozialen Ausgrenzung vom gesellschaftlichen
Leben, den alltäglichen Überlebenskampf selbst zu
organisieren. Gerade am 1. Mai in Kreuzberg wurde die
Vereinzelung der Menschen immer wieder aufgebrochen und das
Gefühl gemeinsamen Widerstand gegen die herrschenden
Zustände leisten zu können brach sich Bahn.
...zum Verbot...
Das erstmalige Verbot der Revolutionären 1. Mai
Demonstration im letzten Jahr seitens der CDU-SPD-Regierung
und auch der Wille, dieses militärisch-polizeistaatlich
durchzusetzen wurde für den Senat zum Fiasko. Die
Bevölkerung war trotz des Verbotes und der massiven
polizeistaatlichen Einschüchterung dem Aufruf der radikalen
Linken gefolgt im Stadtteil präsent zu sein und der
Besetzung durch die Polizei - und dem nach 15 Uhr
verordneten Ausnahmezustandes - Widerstand
entgegenzusetzen. Unter anderem das Motto, „Kampf dem
kapitalistischen Terror!“ und „Die Bankrotteure
müssen selber zahlen!“ hat bei vielen Anklang
gefunden.
Nach wie vor fühlen sich viele vom DGB nicht vertreten, da
dieser in sozialpartnerschaftlicher Manier das
kapitalistische System mitreformiert und für ein Bonbon vom
Staat und den Unternehmern dafür sorgt, daß jeglicher
Widerstand von unten in den Betrieben in geordnete Bahnen
lenkt und damit wirkungslos macht. Nicht eine der zahlreich
erfolgten Betriebsschließungen im letzten Jahr wurde, trotz
der Bereitschaft von Belegschaften sich dagegen wehren zu
wollen, verhindert. Kurzzeitig erfolgte Werksbesetzungen
verliefen durch die fehlende Unterstützung der DGB-Führung
im Sand. Allerdings begriff so manche/r
GewerkschaftsfunktionärIn, sicherlich beflügelt durch den
Skandal, daß ein Nazi-Aufmarsch in Berlin-Hohenschönhausen
mit Unterstützung der Polizeiführung durchgesetzt wurde,
während der 1. Mai in Kreuzberg verboten blieb, die
historische Parallele zu ‘33 und erklärten - trotzdem
sie bisher dem Revolutionären 1. Mai gleichgültig
gegenüberstanden, erstmalig auf der DGB-Kundgebung ihre
Solidarität gegen den Angriff auf den Revolutionären 1.
Mai. Daher riefen sie auch dazu auf, die Menschen in
Kreuzberg nicht alleine zu lassen.
Die offensichtliche Infragestellung des staatlichen
Gewaltmonopols durch große Teile der Bevölkerung - ob jung
oder alt - hat nicht nur die polizeistaatlichen Hardliner
erschreckt. Auch zahlreiche PolitikerInnen aller Parteien,
und, wie immer nach sozialem Aufruhr, die sie beratenden
Politik- und Soziologieprofessoren, sind verunsichert. Die
gesamtwirtschaftliche soziale Situation hat sich aber
insbesondere in Kreuzberg nicht grundlegend verbessert,
ganz im Gegenteil, die 2/3-Gesellschaft hat sich hier
vollends durchgesetzt, und die Armut hat sich sichtbar
ausgebreitet. Daran ändern auch grüne oder rote
BezirksbürgermeisterInnen nichts, solange sie nicht einer
tatsächlichen Veränderung Rechnung tragen sondern es ihnen
nur um den Erhalt der eigenen Pöstchen und den weiteren
Aufstieg zu einem abgesicherten Mittelstand geht.
...und wieder zurück zum Befriedungsprojekt!
Nun hat sich nach dem letztjährigen 1. Mai ausgehend von
dem Politikprofessor Grottian wieder einmal ein
alternatives Personenbündnis zusammengetan, von Uni-
Professoren über Grünenpolitiker bis zum GSW-Vorstand, um
eine sogenanntes Reformkonzept öffentlichkeitswirksam
vorzustellen und sich mit einem vermeintlichen
Befriedungsprojekt beim rot-roten Senat anzubiedern. Schon
vor dem 1. Mai 1988, als sich ein ähnliches Projekt aus
Stadtplanern und Befriedungsstrategen zusammentat, von
denen heute die InitiatorInnen im Bundestag sitzen und
Kriege vorbereiten, kommentierten dies Autonome aus K36 wie
folgt: „Die Veranstaltungsreihe dient dazu, vor dem
1. Mai 1988 lautstark und öffentlichkeitswirksam die eigene
Abscheu vor der revolutionären Gewalt zu demonstrieren. Zum
anderen soll der Versuch gemacht werden ‘neue Auswege
aus der Krise’ anzubieten. Denn die Reformisten
brauchen dringend vorweisbare Ergebnisse ihres
segensreiches Wirkens für Staat und Kapital, sonst wird
ihnen selbst der Geldhahn abgedreht und sie werden durch
effektivere Institutionen abgelöst. Den Reformisten ist
revolutionäre Gewalt nur solange Recht, wie sie ihnen als
Alibi dient, sich als Problemlöser und stabilisierender
Faktor anbiedern und nötig machen zu können.“
(Interim Nr.02, 1988)
Es wundert uns daher nicht, daß die Initiative unter
Anleitung von Grottian aus dem OSI (Otto-Suhr-Institut für
Politikwissenschaft an der FU) bestimmt wird, droht doch
die bevorstehenden Umstrukturierung der FU nach rein
marktwirtschaftlichen Kriterien in eine mögliche
Stiftungsuniversität.
Dadurch wäre dann auch der gesamte OSI-Bereich von der
Abwicklung betroffen. Wer in Grottians Seminaren schon
einmal gewesen ist, weiß, daß er nicht müde wird zu
betonen, welche Karriereaussichten von wissenschaftlichen
MitarbeiterInnen des OSIs im „zuarbeitenden
Bereich“ von Senatsprojekten winken. Und gerade im
Zuge der sozialen Kürzungen entstehen unter rot-grün und
rot-rot zahlreiche Projekte, in denen ein sog.
„soziales Konfliktmanagement“ unbedingt
benötigt wird, und so wissenschaftliche BeraterInnen aus
dem OSI unverzichtbar sind, um Befriedungsprojekte in sog.
„sozialen Brennpunkten“ durchführen zu können.
Da die InitiatorInnen dieser Projekte im Gegensatz zu
selbstorganisierten sozialen und politischen Initiativen
weder im Kiez leben, noch dort arbeiten, beschränkt sich
ihre Tätigkeit vor Ort rein auf einen wissenschaftlichen
Blickwinkel (Interviews mit der einheimischen Bevölkerung,
Besuchen von BewohnerInnen-Initiativen, Sponsoren suchen
und Werbeveranstaltungen, etc.).
Wir bezweifeln, daß solch ein Personenbündnis, das keinen
reellen sozialen Bezug zur Stadtteilbevölkerung mit ihren
Problemen der Massenarbeitslosigkeit, sozialen Ungleichheit
und Diskriminierung hat, sich politisch zu verankern
vermag, dafür spricht umso mehr, daß in dem Gründungsaufruf
dieses Bündnisses jegliche soziale und politische
Forderungen an die Herrschenden keine Erwähnung finden. Was
wir jedoch nicht bezweifeln, ist, daß Teile des Senats wie
auch die Gewerkschaft der Polizei als auch Präventionsräte
des Innensenats es begrüßen als auch Förderung in Aussicht
stellen, wenn ein solches Projekt es vermag soziale
Aufstände zu unterdrücken, angesichts der angekündigten
sozialen Kürzungsmaßnahmen in allen Bereichen,
einschließlich der 10-prozentigen Kürzung der Sozialhilfe.
So steht auch im Gründungsaufruf: „Wir hoffen, daß
der rot-rote Senat die Prüfung eines solchen Projekts im
Koalitionsvertrag verankert.“ Dies ist schon
geschehen, und in Folge dessen kam es auch schon zu
diversen Gesprächen mit dem Polizeipräsidenten, Innensenat,
usw.
Jene Anwälte, die uns bislang als engagierte Rechtsanwälte
bekannt sind, und sich jetzt durch ihre Parteifunktion in
ein solches Projekt einbinden lassen, wären besser beraten,
sich schon jetzt damit auseinander zu setzen, wie es
juristisch zu verhindern ist, wenn wieder vom
Verfassungsschmutz angeheuerte NPD-Funktionäre
Gegendemonstrationen zum Revolutionären 1. Mai in Berlin
anmelden. Auch dem Projekt eventuell zur Verfügung
gestellte Fördergelder wären besser dazu geeignet,
Sammelklagen gegen den Verfassungsschutz anzustrengen,
damit die Angehörigen von den über 100 getöteten
AsylbewerberInnen durch VS-gesteuerte Schlägerbanden
endlich Entschädigung erhalten.
Verwundert dürften sicherlich viele Linke sein über die
Mitarbeit der AAB in dem Personenbündnis, welches von sich
behauptet, eine „Repolitisierung des 1. Mai“
anzustreben. War es doch gerade die AAB, die in den
vergangenen Jahre versuchte, das Pop-Event-Konzept mittels
Dezibel-Wettbewerb und Sattelschlepper hoffähig zu machen
und in ihrem Mai-Aufruf 2000 noch schrieb: „Der
Revolutionäre 1. Mai ist das ideale Ereignis für eine
solche Kritik, die keinen bestimmten Anlass
braucht...“
Von Porto Alegre nach Berlin...
Ebenfalls die Berliner Ortsgruppe ATTAC, die bislang am 1.
Mai nie in Erscheinung getreten ist, mischt jetzt mit in
dem Projekt „Alternativer 1. Mai/Kreuzberg
2002“ des Personenbündnisses. Bundesweit formiert sie
sich als parteiähnlicher Zusammenschluß, um den gerechten
weltweiten Kampf gegen die neoliberale Globalisierung
vereinnahmen zu können und den Menschen neue Hoffnung auf
einen „alternativen“ Parlamentarismus
vorzugaukeln, ohne etwas grundlegend an der
kapitalistischen Ausbeutung ändern zu wollen. Hier, kaum
aus Porto Alegre zurück, mißachten sie die Beschlüsse des
Weltsozialforums. Denn dort heißt es schon unter Punkt 1.)
„Wir sind hier aus Verachtung über die Versuche,
unsere Bewegung spalten zu wollen. Wir treffen uns deshalb
erneut, um die Kämpfe gegen Neoliberalismus und Krieg
fortzusetzen.“
So heißt es dann auch nicht im neuen Koalitionsvertrag der
SPD-PDS-Regierung, daß die Verursacher, die Bankrotteure -
die die Milliarden aus der landeseigenen Bankgesellschaft
veruntreut haben, und große Geldvermögen ins Ausland
verschoben haben - strafrechtlich verfolgt werden und auch
sollen sie nicht enteignet werden. Daher soll die Berliner
Bevölkerung dafür aufkommen und noch mehr sozialen
Kahlschlag hinnehmen. Es sollte deswegen eigentlich
selbstverständlich sein, daß eine Gruppe wie ATTAC, die
vorgibt, diese neoliberale Politik überwinden zu wollen,
die Forderungen, wie sie in Porto Alegre beschlossen
wurden, hier am 1. Mai politisch auf die Straße trägt. Im
Dokument von Porto Alegre wird ausdrücklich betont:
“Das neoliberale ökonomische Modell zerstört die
Recht und die Lebensbedingungen der Völker. Da ihnen jedes
Mittel recht ist, ihre Dividenden zu verteidigen, greifen
die Konzerne zu Kündigungen, kürzen die Gehälter, schließen
ihre Fabriken und pressen die Arbeiter dabei bis zum
letzten aus. Die Regierungen antworten angesichts dieser
ökonomischen Krise mit Privatisierungen, mit Kürzungen im
Sozialhaushalt...“ Und weiter heißt es unter Punkt
11.): „Die globale Bewegung für soziale Gerechtigkeit
und Solidarität steht gewaltigen Herausforderungen
gegenüber. Ihr Kampf für Frieden und soziale Gerechtigkeit
verlang die Auseinandersetzung mit der Armut, [...] und das
Recht auf kollektiven Widerstand.“
Auch die Grünen verlangten noch, als sie in der Opposition
waren, nach Aufdeckung des größten Finanzskandals die
vollständige Zerschlagung der Bankgesellschaft. Deren
Manager der zahlreichen verzweigten Immobilienfonds und
Eigentümer hunderter von Grundstücken kommen
zusammengerechnet schnell auf ein Vermögen von 5
Milliarden. Da aber eine privatrechtliche Haftung und
Enteignung für Grüne, als auch für die jetztige Koalition
ein Angriff auf angeblich private Eigentumsverhältnisse
bedeutet, wollen sie davon jetzt auch nichts mehr wissen,
einfacher erscheint es ihnen daher, der Bevölkerung weiß
machen zu müssen, alle säßen im selben Boot, und die von
den Kapitalisten verursachten Lasten, müßten jetzt von
allen gemeinsam getragen werden. Diese Arroganz der Macht,
die allen Regierenden zu eigen ist, ist eine Demütigung und
ein Angriff auf die Zehntausende von BerlinerInnen, die
seit Jahren, ob mit oder ohne Kinder verzweifeln, wenn
etwaige Nachzahlungen von Strom und Heizölkosten ins Haus
flattern. Die einzigen, die jetzt erneut von den sozialen
Kürzungsmaßnahmen profitieren würden, wären erneut die
Fondsanteileigner der nach wie vor aufgelegten
Immobilienfonds unter dem Dach der Bankgesellschaften.
Angesichts dieser dreisten Schweinereien kann es uns nicht
darum gehen, die sich ausbreitende Unzufriedenheit, auch
über den neuen Senat, zu ihren Gunsten zu kanalisieren,
sondern die Notwendigkeit zu vermitteln, sich für die
eigenen Interessen einzusetzen und zu organisieren und
weder den Bonzen noch den (zukünftigen) Politikern es zu
überlassen, für uns zu reden. Daher müssen wir auch genau
schauen, welche Bündnisse wir mittragen oder tolerieren
können, aber klar ist vielen von uns, daß wir keine
Bündnisse mit denen wollen, die uns auffordern unsere
sozialen Kämpfe zu beenden und uns dafür Happenings,
Karnevals und ähnliches feilbieten wollen.
Erster Mai – bullenfrei!
Wir sollten eher dafür sorgen, daß der bullenfreie
politische Raum in Kreuzberg offensiv dazu genutzt wird,
sich konkret damit auseinander zu setzen, wie jetzt der
Widerstand von unten, gegen den bevorstehenden sozialen
Kahlschlag umgesetzt werden kann.
Denn eine linksradikale Gruppe, die auf revolutionäre
Inhalte verzichtet, und in deren Aufrufe Worte wie
„Widerstand“ nicht mehr vorkommen, wird zum
Spielball der konfliklöslerischen/friedensbewegten
Zivilgesellschaft. Reformismus hat die Linke noch nie
irgendwo stark gemacht. Nur das Handeln von Linksradikalen
als antagonistische Kraft kann revolutionäre Erhebungen
befördern, den Staat überhaupt erst zu Zugeständnissen zu
zwingen. Der Bruch mit kapitalistischen
Ausbeutungsverhältnissen ist unabdingbar, um freie
umfassende Bildung für alle, selbstbestimmte
Arbeitsprozesse der sich an den Bedürfnissen der Menschen
orientiert und sich nicht an der Profit- und
Verwertungslogik des Kapitals ausrichtet, überhaupt
durchsetzen zu können.
Verstärkt durch die Hauptstadtfunktion und der seitdem von
hier ausgehenden Kriegsbeteiligung und dem Militarismus der
rot-grünen Regierung hat der 1. Mai auch für uns eine teils
neue Bestimmung erfahren. Der konsequente Zusammenhang der
unter rot-grün ins Unermessliche steigenden Militärausgaben
bei gleichzeitiger Verschärfung ständiger neuausgedachter
Zwangsmaßnahmen durch Arbeitsamt- und Sozialverwaltung um
Arbeitslose in rechtslose Arbeitsverträge und
Niedriglohnbereiche zu pressen hat auch vielen hier in den
betroffenen Stadtteilen wie Kreuzberg die Augen geöffnet.
Die von rot-grün beschlossene Zusammenlegung von
Arbeitslosen- und Sozialhilfe (nach den Bundestagswahlen)
ist auch jetzt schon im Wahlprogramm von CDU-CSU
festgeschrieben. Das wird in Berlin aber gerade für
Kreuzberg mit 50%iger Arbeitslosenquote eine neue Dimension
der Ausgrenzung und Armutsverwaltung mit sich bringen. So
wird auch der Krieg und die Bundeswehr zu einem JUMP-
Programm für Arbeitslose, was sich an der Tatsache ablesen
läßt, daß Anfang Januar von 1.900 zum Wehrdienst
einberufenen Jugendlichen aus den Neuen Bundesländern und
aus Berlin 1.800 Jugendliche arbeitslos gemeldet waren.
Erinnert sei hier auch, daß nach der Schließung des
Moabiter Krankenhauses und nach der
„Freisetzung“ der MitarbeiterInnen anstatt
eines Sozialplanes Angebote des Verteidigungsministeriums
bekamen, in den Sanitätsdienst der Bundeswehr
überzuwechseln.
Angesichts dieser Entwicklungen auf Bundesebene wie auch
der dadurch ausgelösten längst vergessen geglaubten
militaristischen Mentalität, die eine beängstigende
Rennaicance erlebt, wird auch angesichts der hohen
Jugendarbeitslosigkeit in Stadtteilen wie Friedrichshain-
Kreuzberg der ökonomische Druck immer härter.
Für eine befreite Gesellschaft - was wollen wir:
Gegen eine polizeifreie Zone am 1. Mai in Kreuzberg, wie
sie vom Personenbündnis als einzigstes Politikum angestrebt
wird, können auch wir nichts haben. Aber natürlich sollte
allen klar sein, daß dies nur dann gewährleistet werden
kann, wenn wir als radikale Linke mit einer massiven
eigenständigen Mobilisierung rund um den 1. Mai im
Stadtteil präsent sind. Denn wir bezweifeln, daß innerhalb
der Polizeiführung ein demokratisches Umdenken
stattgefunden hat, angesichts der Äußerungen des
designierten Polizeipräsidenten Neubeck, der erst am
12.11.01 in einem Interview in der Berliner Zeitung
kundtat, daß er auch zukünftig bei NPD-Aufmärschen, mit den
Antifaschisten Versteckspielen will, und eventuelle Routen
der Nazis verheimlichen will, um einen möglichen Widerstand
dagen zu verhindern, und außerdem müsse man ein
Verbotskonzept bzgl. der 1. Mai-Demo weiterverfolgen! Die
Polizeiführer, die für die Eskalation am letzten ersten Mai
(Fahndungsterror, illegale Einkesselungen, überfallartige
Angriffe auf Kiezbevölkerung und Straßenfeste, etc.)
verantwortlich waren, rechtfertigen noch heute ihre damals
gescheiterte Eskalationsstrategie. Auch steht bislang die
Auflösung der unkontrollierbaren Einsatzhundertschaften
(22er und 23er) nicht einmal zur Debatte, obwohl
hinlänglich bekannt ist, daß diese Einheiten für die
schlimmsten und willkürlichen Prügelorgien nicht nur am 1.
Mai verantwortlich sind.
Daher muß, über eine polizeifreie Zone hinaus, eine unserer
dringlichsten politischen Forderung sein, diese Einheiten
sofort aufzulösen, und, nach wie vor, die Absetzung der
verantwortlichen Polizeiführer.
Wenn wir den 1. Mai mit neuen politischen Inhalten füllen
wollen, reicht es natürlich nicht aus, sich lediglich auf
eine polizeifreie Zone zu beschränken, sondern wir müssen
die Herrschenden - auch schon im Vorfeld des 1. Mai -
nachhaltig mit unseren politischen Forderungen
konfrontieren, um am 1. Mai auf breiter Basis im Kiez und
auf der Demo unseren Widerstand gegen den sozialen
Kahlschlag auf die Straße zu tragen.
Forderungen wie wir sie erheben, könnten von der angeblich
linken Regierung sofort umgesetzt werden: Einstellung aller
Zwangsräumungen, Auflösung aller Obdachlosen- und Asylheime
und menschenwürdige Unterbringung in die reichlich
vorhandenen leerstehenden Wohnungen, Nutzung leerstehender
Schulen und anderer Gebäude als soziale Zentren und
Volxkantinen für selbstorganisierte Initiativen, etc...
....die Selbstorganisierung von unten! Mit einer
eigenständigen autonomen Mobilisierung zum Revolutionären
1. Mai nach Kreuzberg wollen wir auch ein Zeichen setzen
für eine Autonome Republik Kreuzberg (Kommune). Dieses
Projekt wollen wir nicht verstanden wissen als
Glorifizierung oder Ghettoisierung, sondern als Auftakt
einer autonomen Organisierung der Unterdrückten in Form von
Straßen- und Stadtteilversammlungen. Hier wollen wir zum
Ausdruck bringen, analog zu Porto Alegre, wo schon seit 10
Jahren diese Form der Selbstbestimmung praktiziert wird und
jetzt ganz aktuell wie in Argentinien (Buenos Aires) von
den Menschen in der Krise erkämpft worden ist, daß die
BewohnerInnen im Stadtteil selbst bestimmen müssen, wo und
wie Investitionen getätigt werden und welche Einrichtungen
öffentliche Gelder erhalten sollen.
Angesichts der zuvor beschriebenen anstehenden Einschnitte
und der womöglich drohenden Rechtsregierung Stoiber-Schill
müssen wir schon jetzt dafür sorgen, uns neue Freiräume zu
erkämpfen, um einerseits die Verelendungsmaschinerie hier
und jetzt zu stoppen, als auch für die in Kürze anstehenden
verschärften soziale Kämpfe gewappnet zu sein. Da können
wir den Vorschlag von Global Resistance nur unterstützen:
“Es ist wichtig, daß wir neue BündnisparterInnen
finden, und weniger dabei denken an Organisationen und
Parteien, die sich als systemtragende Opposition das Label
‘links’ aufstempeln, sondern vielmehr an die
Menschen und Selbstinitiativen, die ganz konkret den
globalisierten neoliberalen Kapitalismus als Ursache für
ihre Probleme ausgemacht haben.“
Trotz der unterschiedlichen BewohnerInnenstruktur und den
sicherlich dadurch auch vorhandenen Konflikten im Stadtteil
haben die BewohnerInnen in Kreuzberg immer wieder unter
Beweis gestellt, daß sie ihre Konflikte selbst lösen
können, und resistent sind, wenn staatliche oder
strukturelle Gewalt den BewohnerInnen aufgezwungen wird.
Ritualisierte Gewalt, die kommt von außen, daß ist für
viele BewohnerInnen dieser Stadtteile die tägliche soziale
Gewalt auf dem Arbeitsamt und dem Sozialamt, der psychische
Terror im Call-Center, der Verschleißungsterror in der
Fabrik, oder gar die Prügelorgien der Bullen am 1. Mai auf
alles, was sich bewegt! Diese ritualisierte Gewalt, der
kapitalistische Terror, muß endlich durchbrochen werden!
Wo wir letztendlich unser politisches Projekt, Autonome
Republik Kreuzberg (Kommune) und die damit verbundenen
sozialen und politischen Forderungen durch eine
Demonstration manifestieren, ob im Zentrum der Macht (Neue
Mitte) oder im Stadtteil, darüber wollen wir jetzt eine
Diskussion anstoßen, und fordern selbstorganisierte
Initiativen auf, die sich nicht von vorne rein vereinnahmen
lassen wollen, sich in der Debatte mit praktischen Ideen
einzubringen.
WER NICHT KÄMPFT, HAT SCHON VERLOREN!
GEGEN PATRIARCHAT UND KAPITAL – KÄMPFEN WIR
INTERNATIONAL!
WIDERSTAND ORGANISIEREN – REVOLUTIONÄRE GEGENMACHT
AUFBAUEN!
FÜR EINEN REVOLUTIONÄREN 1. MAI 2OO2!
akgOnline@lycos.de
KOMMUNISTISCHE UND AUTONOME GRUPPEN, 15.
Februar 2002
eMail: akgOnline@lycos.de
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