Braunschweig: Kundgebung gegen soziale Vertreibung und rassistische Polizeikontrollen
Samstag - 08.06.2002 - 14 Uhr 20
Bahnhofsvorplatz - Braunschweig
"Die deutsche Bahn soll schöner werden" könnte das neue Konzept
der Deutschen Bahn AG heißen. Millionen investiert der Konzern in
"saubere, schönere" Bahnhöfe und erhofft sich so, die
gewinnbringende Ansiedlung von Unternehmen und eine Umstrukturierung vom
Bahnhof zum Konsumbereich. Und deshalb ist hier nicht jeder erwünscht.
Oktober letzten Jahres erklärte Bundesbahn- Präsident Hartmut
Mehdorn, Wohnungslose hätten auf Bahnhöfen nichts zu suchen.
Gleichzeitig wies er die Bahnhofsmissionen an, kein Essen mehr an
Bedürftige zu verteilen. "Essesausgaben ziehen genau die Klientel
an, die nicht in der Zuständigkeit der Bahn liegen" (Bahn-Vertreter
Willi Meurer, Vorstandsmitglied im Unternehmensbereich
Personenbahnhöfe). "Nicht zuständig" ist die Bahn für all
diejenigen, die entweder nicht konsumieren wollen oder können.
Obdachlose, DrogennutzerInnen oder Punks werden durch Beamte des
Bundesgrenzschutzes (BGS) oder private Sicherheitsdienste schikaniert
und vertrieben. Karitativen Einrichtungen wie auch der Bahnhofsmission
in Braunschweig werden die Mittel gekürzt, oder sie werden gleich ganz
geschlossen. Kurz: Alles was die vermeintlich heile Einkaufswelt
stören könnte, hat hier nichts zu suchen. Dabei waren gerade
Bahnhöfe einst öffentliche Räume und gaben auch Menschen ohne
Geld, also jenen die dem ökonomisch nicht verwertbaren
"Menschenmaterial" angehörten, eine Möglichkeit sich zu treffen.
Denn an Bahnhöfen ist es warm, man kann Sachen verstauen und ab und zu
um ein wenig Geld betteln. Doch der als Konsument umworbene
Spießbürger fühlt sich "unwohl" beim Anblick von Armut - kein
Wunder, wird ihm doch hier die Kehrseite des kapitalistischen Systems
vor Augen geführt, welches halt nicht nur kaufkräftige
"Gewinner" mit sich bringt. Die Vertreibungen durch den BGS
verdeutlichen, dass in unserer Gesellschaft eben nicht alle Menschen
gleich behandelt werden.
Rassistische Kontrollen
Da Flüchtlinge nicht als "geladene ComputerspezialistInnen" in die
BRD kommen und ihre Arbeitskraft von der Wirtschaft meist nicht
benötigt wird, zielt die gesamte bundesdeutsche Flüchtlingspolitik
auf eins ab: Diesen Menschen das Leben so schwer wie möglich und somit
die BRD möglichst unattraktiv für weitere Flüchtlinge zu machen.
Die rassistischen Kontrollen auf Bahnhöfen sind nur ein kleiner
Baustein der repressiven Flüchtlingspolitik der BRD.
Umgesetzt wird diese Politik durch die Beamten des BGS. Im Rahmen einer
"Ordnungspartnerschaft" zwischen dem Ministerium für Inneres und
der Deutschen Bahn AG führt der BGS sogenannte
"verdachtsunabhängige Personenkontrollen" auf Bahnhöfen und in
Zügen durch. Ohne besonderen Verdacht, eine Straftat begangen zu
haben, werden insbesondere Menschen mit vermeintlich "nicht deutschem
Aussehen" aus der Menge der Bahnhofsbesucher herausgegriffen und
Personenkontrollen unterworfen. Es sind aber nicht einzelne Beamte, die
hier rassistische Kriterien anlegen. Die Kontrollen werden aufgrund von
sogenannten Lagebildern (schriftlich festgelegte Raster, nach denen
Menschen für "kontrollwürdig" befunden werden) durchgeführt.
Diese Lagebilder beinhalteten nicht bloß Merkmale "auffälligen
Aussehens", sondern auch Beschreibungen von Verhaltensweisen, die auf
Verstöße gegen das Ausländergesetz hinweisen sollen.
Beispielhaft für die rassistischen Kontrollen in Zügen und
Bahnhöfen ist der Fall des afrikanischen Flüchtlings Senfo Tonkam.
Er wurde am 8.11.2000 in einem Zug zwischen Magdeburg und Braunschweig
von BGS- Beamten kontrolliert, die ihn aufgrund seiner Hautfarbe aus
einem Abteil mit mehr als 50 weiteren Fahrgästen auswählten. Sie
sagten ihm, dass sie auf der Suche nach "illegalen" Einwanderern
seien, worauf er sich weigerte seinen Ausweis zu zeigen, wenn die
anderen Fahrgäste dies nicht auch tun müßten. Er wies die Beamten
darauf hin, dass es sich um eine rassistische Kontrolle handle. Senfo
Tonkam wurde daraufhin wegen Beleidigung angezeigt und im Mai 2001 vom
Braunschweiger Amtsgericht wegen Nicht- Vorzeigen seines Ausweises zu
153,94 80 verurteilt. Er zahlte die Strafe nicht, um die rassistische
Polizeipraxis nicht zu legitimieren. Am 14. April diesen Jahres wurde er
in seiner Wohnung in Hamburg mit einer aggressiven Polizeiaktion
verhaftet, in ein Gefängnis gebracht und am 19. April wieder
entlassen.
Rassistische Kontrollen und soziale Vertreibung sind keine traurigen
Einzelfälle in unserer Gesellschaft, denn Repression, Ausgrenzung und
Spaltung sind im Kapitalismus integrale Bestandteile, die zur Profit-
und Herrschaftssicherung dienen. Darum ist es notwendig, sich mit den
Menschen, die zu Opfern des kapitalistischen Systems geworden sind, zu
solidarisieren und mit ihnen gemeinsam für eine Gesellschaft ohne
Ausbeutung und Unterdrückung zu kämpfen!
Wir rufen alle Menschen auf, den Alltag an deutschen Bahnhöfen
zumindest an diesem Tag zu durchbrechen und mit uns zu demonstrieren!
Gemeinsam gegen staatlichen Rassismus und
soziale Ausgrenzung!
Offene Grenzen und Bleiberecht für alle!
Jugend Antifa Aktion (JAA) - Jeden Montag 19 Uhr
Cyriaksring 55
38118 Braunschweig
www.puk.de/antifacafe
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