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Essen/Düsseldorf/Hamburg/Bremerhaven: Roma protestieren in Berlin gegen drohende Abschiebung nach Jugoslawien

Presseerklärungen
Roma protestieren in Berlin gegen drohende Abschiebung nach Jugoslawien

Presseerklärung des Flüchtlingsrats Berlin


Berlin, den 7. Juni 2002


Pressekonferenz der Roma
am Sonntag 9. Juni 2002, 11 Uhr
Begegnungszentrum der AWO
Turmstr. 71, Berlin-Tiergarten

für Nachfragen: Dzoni Sichelschmidt 0178-2836880
siehe auch
 http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/ROMA_Bleiberecht_Innenminis.pdf und  http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/ROMA_Brief_Buerger_Berlin.pdf


Nach 42 Tagen des Protest in Essen, Düsseldorf, Hamburg und zuletzt bei der Innenministerkonferenz in Bremerhaven sind am Donnerstag abend etwa 1000 gegen ihre drohende Abschiebung nach Jugoslawien protestierende Roma in Berlin eingetroffen. Die Roma stammen aus verschiedenen Teilen des ehemaligen Jugoslawiens, vor allem aus Serbien, und protestieren gegen die aktuell laufenden Verhandlungen zwischen der deutschen Bundesregierung und der BR Jugoslawien über ihre "Rückübernahme" (sprich Abschiebung).

Die Roma sind überwiegend in verschiedenen Städten in NRW behördlich registriert und besitzen trotz teils über 10 jährigem Aufenthalt mit ihren Familien in Deutschland nur Bescheinigungen über ihre "Duldung". Ein Bleiberecht erhielten sie trotz des langjährigen Aufenthalts nicht, weil sie mit einer "Duldung" kein Arbeitgeber einstellen wollte, oder weil für sie - ebenso wie die jugoslawischen Flüchtlinge in Berlin - mit Hilfe der "Arbeitsmarktprüfung" ein behördliches Arbeitsverbot verfügt wurde. Die Anforderungen der "Altfallregelung" können sie deshalb nicht erfüllen.


Während die Berliner Senatssozialverwaltung am Donnerstag abend einen Krisenstab einsetzte und den in Berlin ankommenden, von sechs Protestwochen erschöpften Flüchtlingen Betten, Unterkunft und medizinische Versorgung in drei verschiedenen Berliner Flüchtlingsunterkünften anbot, reagierte die Berliner Polizei auf ihre Weise:

Heute mittag kurz vor zwölf Uhr überfielen mehrere Hundertschaften der Berliner Polizei in Kampfuniformen und mit Hunden zwei der drei von der Senatssozialverwaltung als Unterkunft zur Verfügung gestellten Wohnheime, und zwar die Berliner Asylaufnahmestelle in Charlottenburg sowie eine Flüchtlingsunterkunft in Lichtenberg. Die Wohnheime wurden von der Polizei umstellt, die Roma wurden abgeführt, durchsucht, ihre Duldungsbescheinigungen einkassiert. Sie wurden aufgefordert das Wohnheim nicht mehr zu betreten, Berlin unverzüglich zu verlassen und sich an die Orte ihrer Registrierung in NRW zu begeben. Begründung: Verstoß gegen die auch für geduldete Flüchtlinge geltende Residenzpflicht.

Nach Auskunft der Pressestelle der Senatssozialverwaltung war die Polizeiaktion weder von der Sozialverwaltung noch der Innenverwaltung gedeckt. Berlins - bisher von den Grünen als liberal gelobter - Polizeivizepräsident Neubeck habe aus eigenem Antrieb und gegen eine Weisung von Innenstaatsekretär Divell gehandelt, der zugesagt habe, die Roma zumindest bis Anfang nächster Woche in Berlin zu dulden und gegen sie keine polizeilichen oder ausländerbehördlichen Maßnahmen einzuleiten.

Erst auf mehrfache Aufforderung des Innenstaatssekretärs wurde die Polizeiaktion gegen 14 Uhr schließlich abgebrochen, die Roma erhielten ihre Papiere zurück und durften wieder in die Unterkünfte.

Berlin, 07.06.02


Georg Classen


Altfallregelung für Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien

Presseerklärung des Flüchtlingsrats Berlin, 5. Juni 2002

Flüchtlingsrat Berlin fordert wirksame Altfallregelung für Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien

Am 05. und 06. Juni 2002 wird auf der Innenministerkonferenz in Bremerhaven u.a. über die Abschiebung von Minderheiten aus dem Kosovo beraten.

Nach Auslaufen des Abschiebestopps für Flüchtlinge aus dem Kosovo zum 31. März 2002 wurden auch in Berlin die Abschiebungen wieder aufgenommen. Zuletzt wurden am 17. Mai 2002 Flüchtlinge vom Flughafen Berlin-Schönefeld in den Kosovo abgeschoben.

Der Flüchtlingsrat Berlin unterstützt die Forderungen von amnesty international und PRO ASYL, die sich gemeinsam mit der Gesellschaft für bedrohte Völker in einer Stellungnahme vom 14. Mai 2002 gegen Abschiebungen von Angehörigen ethnischer Minderheiten (Roma, Ashkali, Serben) in den Kosovo ausgesprochen haben.

Der Flüchtlingsrat weist zudem darauf hin, dass sehr viele Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien schon seit Jahren in Berlin leben. Von diesen konnten bislang nur etwa 1-2 % von der auf der Konferenz der Innenminister vor einem Jahr beschlossenen Altfallregelung profitieren, da sie auf Grund der Arbeitsmarktlage in Berlin nur in wenigen Ausnahmefällen eine Arbeitserlaubnis erhalten konnten. Das faktische Arbeitsverbot machte es Ihnen unmöglich, den als Voraussetzung für das Bleiberecht geforderten Nachweis von zwei Jahren Erwerbstätigkeit zu erbringen. Somit erhalten Kriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien in Berlin in der Regel selbst dann kein Bleiberecht, wenn sie - ggf. mit ihren inzwischen in Berlin geborenen Kindern - schon seit Beginn des Kosovo-Konfliktes 1989/90 oder des Bosnien-Krieges 1992 hier leben. Sollten der Berliner Senat die Abschiebungen im der bisherigen Umfang fortsetzen, wird praktisch kein Flüchtling aus dem ehemaligen Jugoslawien mehr im Rahmen der Altfallregelung ein Bleiberecht erhalten.

Diese Abschiebungen widersprechen dem viel beschworenen Paradigmenwechsel in der Migrations- und Integrationspolitik in Deutschland. Aus einer neuen Einwanderungspolitik müssen auch Flüchtlinge einen Nutzen ziehen können. Der Flüchtlingsrat fordert den Berliner Senat auf, sich bei Bundesregierung, Bundesrat und den Innenministern der Länder für eine wirksame Altfallregelung einzusetzen, die geeignet ist, den Betroffenen eine Lebensperspektive zu geben.

Ein Mangel des "Zuwanderungsgesetzes" ist das bisherige Fehlen einer "Altfallregelung", die die Möglichkeit bietet, dass langjährig (mind. fünf Jahre, für besondere Gruppen wie Familien mit Kindern, alleinstehende Jugendliche, alte Menschen, Kranke und Behinderte, Angehörige von Minderheiten etc. müssen drei Jahre reichen) in Deutschland geduldete Flüchtlinge regelmäßig ein Bleiberecht aus humanitären Gründen erhalten. Im Rahmen einer solchen Bleiberechtsregelung muss den Betroffenen ggf. ein großzügiger Zeitraum zur Arbeitssuche bei gleichzeitiger Erteilung einer Arbeitsgenehmigung gewährt werden, auch selbständige Erwerbstätigkeit ist entgegen der bisherigen Praxis zuzulassen. Soweit die Finanzierung des Lebensunterhaltes aus Erwerbstätigkeit Bedingung ist, sind faire Ausnahmen für Familien mit Kindern, Alleinerziehende, Alte und Erwerbsunfähige sowie Auszubildende vorzusehen.

Der Flüchtlingsrat Berlin unterstützt deshalb die Resolution der Bundeskonferenz der Ausländerbeauftragten vom 28./29. Mai 2002 in Wolfsburg, die eine klare und bundeseinheitliche Altfallregelung parallel zum Inkraftreten des Zuwanderungsgesetzes gefordert hat.

Die Mehrzahl der noch in Berlin lebenden Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina wurde durch die Ereignisse des Krieges schwer traumatisiert. Der Flüchtlingsrat Berlin fordert den Berliner Senat auf, die von der Innenministerkonferenz bereits im November 2000 beschlossenen Bleiberechtsregelung für kriegstraumatisierte Flüchtlinge nicht weiter zu verschleppen und die beantragten Aufenthaltsbefugnisse zügig zu erteilen.

Mit der bislang vom Innensenator offenbar geduldeten Verschleppungstaktik der Berliner Ausländerbehörde wird sich auf Antrag von Grünen und PDS am Donnerstag, den 06. Juni 2002, ab 15.30 Uhr im Berliner Abgeordnetenhaus, Raum 311 der Ausschuss für Gesundheit, Soziales und Migration in einer öffentlichen Anhörung (eingeladen: Behandlungszentrum für Folteropfer, psychotherapeutische Flüchtlingsberatungstelle, Xenion, Ärztekammer, Psychotherapeutenkammer) befassen.

Vertreter/innen des Flüchtlingsrates werden als Besucher anwesend sein.

Berlin, 05. Juni 2002 Flüchtlingsrat Berlin


Presseerklärung zum Tag der Verfassung

Presseerklärung des Flüchtlingsrats Berlin und der Initiative gegen Abschiebehaft, 21. Mai 2002

Die Menschenwürde ist verletzbar

Aus Anlass des Tages der Verfassung am 23. Mai stellen der Flüchtlingsrat Berlin und die Initiative gegen Abschiebehaft fest, dass die im Artikel 1 des Grundgesetzes postulierte Würde des Menschen für Flüchtlinge in unserem Land keine Wirkung entfaltet. Die Menschenwürde von Asylbewerbern, Kriegsflüchtlingen oder illegalisierten Menschen wird nach wie vor in unserem Land verletzt. Als Beispiel hierfür kann die Situation im Berliner Abschiebungsgewahrsam genannt werden:

Die Abschiebehaft ist oft die letzte Station für Menschen ohne Papiere. Aus Sicht der Initiative gegen Abschiebungshaft und des Flüchtlingsrates Berlin stellt sie eine unverhältnismäßige Grundrechtseinschränkung dar. Die Betroffenen sitzen nicht wegen einer Straftat hinter Gittern, sondern lediglich zur "Sicherstellung der Abschiebung”. Beide Organisationen setzen sich daher langfristig für die Abschaffung der Abschiebungshaft ein.

Bis zur Abschaffung der Abschiebungshaft fordern der Flüchtlingsrat Berlin und die Initiaitive gegen Abschiebehaft den Senat von Berlin auf, ernsthafte Schritte zu unternehmen, um u.a. auf die Inhaftierung von Jugendlichen unter 18 Jahren, von Schwangeren und Behinderten zu verzichten. Die Abschiebungshaft darf nicht als Passbeschaffungs- oder Beugehaft instrumentalisiert werden.

Bei der Verwirklichung dieser Forderungen kann auf einen Beschluss des Abgeordnetenhauses vom September 2001 zur Verbesserung der Situation im Abschiebungsgewahrsam und zur Vermeidung von Abschiebungshaft aufgebaut werden. Ungeachtet dessen und einer entsprechenden (zum Teil einschränkenden) Weisung der Senatsinnenverwaltung ist die Zahl der Inhaftierten (Stand Mitte Mai 2002 ca. 320 Inhaftierte, Kapazität: 340) im Abschiebungsgewahrsam erschreckend hoch.

Aus Sicht der beiden Organisationen wird die genannte Weisung von der Ausländerbehörde nur unzureichend umgesetzt. Die Ermessensspielräume bei der Beantragung der Abschiebungshaft durch die Ausländerbehörde werden von dieser nicht genutzt. Minderjährige Flüchtlinge werden weiter in Haft genommen, obwohl diese in Jugendwohneinrichtungen oder der Clearingstelle untergebracht werden könnten. Flüchtlinge befinden sich länger als sechs Monate in Haft, vor allem dann, wenn ihnen mangelnde Mitwirkung bei der Passbeschaffung vorgeworfen wird.

Sechs Monate nach Annahme der Weisung zur Anordnung und zum Vollzug der Abschiebungshaft laden daher der Flüchtlingsrat Berlin und die Initiative gegen Abschiebehaft zu einer Podiumsdiskussion "Abschiebungshaft in Berlin – Missbrauch staatlicher Gewalt?”

am 22. Mai 2002 um 19.30 Uhr in das Haus der Demokratie (Robert-Havemann-Saal; Greifswalder Strasse 4)

ein. Auf dem Podium werden Politiker/innen von SPD, PDS und Bündnis 90/Die Grünen, sowie Vertreter der Anwaltskammer, der Seelssorger und der Initiative gegen Abschiebehaft diskutieren, um auszuloten, warum die Vorgaben der Senatsverwaltung bisher nur unzureichend umgesetzt wurden.

Flüchtlingsrat Berlin
Initiative gegen Abschiebehaft
21. Mai 2001


Flüchtlingsrat Berlin fordert Abschiebestopp für tschetschenische Flüchtlinge

Presseerklärung des Flüchtlingsrats Berlin, 10. Mai 2002

In Berlin sind gegenwärtig ca. 25 tschetschenische Familien akut von der Abschiebung nach Russland bedroht. Nach dem dem Flüchtlingsrat vorliegenden Informationen befinden sich 6 Flüchtlinge in Abschiebungshaft, unter ihnen einige im Hungerstreik. Der Flüchtlingsrat Berlin hatte in Schreiben an den an den Innensenator, Herrn Dr. Ehrhart Körting, und an die Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus einen Abschiebestopp für die Flüchtlinge aus Tschetschenien und die sofortige Freilassung aller sich in Abschiebungshaft befindlichen Flüchtlinge gefordert. Aus Sicht des Flüchtlingsrates ist nicht gewährleistet, dass aus Berlin abgeschobene Flüchtlinge unbehelligt nach Russland zurückkehren und nicht Opfer von gravierenden Menschenrechtsverletzungen (z. B. Folter) werden können. Er stützt sich dabei auf Berichte von amnesty international. Amnesty hatte u. a. in einem Schreiben vom 30.04. 2002 an den Ausschuss für Menschenrechte im Deutschen Bundestag die Menschenrechtssituation in Tschetschenien als verheerend bezeichnet. Bekanntlich sah sich die Zentrale von amnesty international in London bereits Mitte Februar diesen Jahres veranlaßt, eine erste urgent action für 20 von Abschiebung bedrohte Flüchtlinge zu starten, deren Asylverfahren mehrheitlich in Niedersachsen durchgeführt wurden. Der Flüchtlingsrat Berlin kommt zu der Schlussfolgerung, dass die Verfolgung der aus Tschetschenien geflüchteten Menschen innerhalb der Russischen Föderation als Gruppenverfolgung im landesweiten Maßstab zu bewerten ist. An dieser Stelle sei auf die in Russland zunehmende Gewalt gegenüber Ausländern (vor allem kaukasischer Herkunft) hingewiesen, die allein in schon Moskau mehrere Todesopfer gefordert hat. Ungeachtet der Interventionen von amnesty international und des Flüchtlingsrates Berlin wurde am 25.04. 2002 ein tschetschenischer Flüchtling nach Moskau abgeschoben, obwohl sich in seinem Fall auch der UNHCR, der Menschenrechtsbeauftragte des Auswärtigen Amtes, Gerd Poppe und die Ausländerbeauftragte des Bundes, Frau Marieluise Beck, eingesetzt hatten. Eine für den 07. Mai 2002 vorgesehene Abschiebung eines weitereren Flüchtling (Rustam A.) wurde vor dem Hintergrund einer von amnesty international am 03. 05. 2002 gestarteten urgent action vorläufig ausgesetzt. Protestfaxe gegen die drohende Abschiebung gingen in Folge dessen bei der Senatsverwaltung für Inneres (u.a. aus Kanada und den USA) ein. Am 13. Mai 2002 (Montag) wird sich der Innenausschuss des Abgeordnetenhauses erneut mit der Lage der tschetschenischen Flüchtlingen befassen. Er wurde zuvor ausdrücklich von amnesty international über die Situation in Tschetschenien und die mögliche Gefährdung für tschetschenische Flüchtlinge innerhalb der Russischen Föderation informiert. Der Flüchtlingsrat Berlin ruft zur Unterstützung der urgent action von amnesty international auf. Er fordert zugleich den Innenausschuss des Abgeordnetenhauses auf, sich angesichts der vorliegenden Erkenntnisse für den Erlass eines Abschiebestopps durch den Innensenator einzusetzen. Das Land Berlin sollte außerdem auf der Innenministerkonferenz Anfang Juni 2002 entsprechend initiativ werden.

Jens-Uwe Thomas

Flüchtlingsrat Berlin

 

08.06.2002
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