Berlin: Kundgebung vor dem spanischen Konsulat
Solidaritätskundgebung vor dem spanischen Konsulat
Am 20. Juni 2002 findet im spanischen Staat ein landesweiter Generalstreik statt, um gegen die neuen Arbeitsgesetze, welche u.a. die Abschaffung der Existenzsicherung für die sozial Schwächsten beinhalten, anzukämpfen. Wenige Tage später, am 25. Mai, wird die Justiz der Niederlande das Ergebnis des vom spanischen Staat angestrengten Auslieferungsverfahrens gegen Juan Ramón Rodriguez Fernández, dem die spanische Justiz Unterstützung von ETA vorwirft, bekanntgeben. Wir nehmen diese beiden Termine zum Anlaß, um unseren Protest gegen die Ausweitung der Repression im spanischen Staat auf die Straße zu tragen, und uns mit den kämpfenden Menschen aus den linken Bewegungen vor Ort zu solidarisieren.
Aus Protest gegen die Verabschiedung des neuen Arbeitsgesetzes rufen alle Gewerkschaften des spanischen Staates zu einem Generalstreik auf. Der konkrete Anlaß sind die massiven Verschlechterung der Arbeitsbedingungen, sowie die drastische Erschwerung des Zugangs zur Erwerbslosenunterstützung. Die Gewerkschaften gehen von einer Unterstützung in breiten Teilen der Gesellschaft aus.
Die im spanischen Staat alleinregierende Partido Popoular hatte das neue Arbeitsgesetz ohne Konsulation der Gewerkschaften auf den Weg gebracht. Auf die Warnung der Gewerkschaften, im Falle einer Verabschiedung des Gesetzentwurfs mit einem Generalstreik zu antworten, reagierte die Regierung mit einem Affront: Sie legte den Gesetzesentwurf innerhalb von 24 Stunden dem Parlament zur Verabschiedung vor.
Schon seit 1982 wurden die Rechte der ArbeitnehmerInnen kontinuierlich abgebaut. Inzwischen ist Spanien das europäische Land, in welchem der Arbeitsmarkt am weitesten dereguliert ist. Rund 40% der lohnarbeitenden Bevölkerung stehen in zeitlich befristeten Arbeitsverhältnissen, und sind deswegen regelmäßig auf den Bezug von Arbeitslosenunterstützung angewiesen.
Das neue Gesetz erleichtert Kündigungen und fordert dadurch noch stärker die Schaffung befristeter Verträge. Durch diese befristeten Arbeitsverhältnisse wird jedoch einerseits der Zugang zur Arbeitslosenunterstützung fast unmöglich gemacht, da diese erst nach einem Jahr Lohnarbeit beantragt werden kann, andererseits verschlechtern sich die Bedingungen bezüglich des Arbeitsschutz. Im ersten Drittel dieses Jahres starben im spanischen Staat 298 Menschen bei Arbeitsunfällen, ein Großteil von ihnen arbeitete in befristeten Arbeitsverhältnissen.
Das neue Arbeitsgesetz zwingt zudem erwerbslose Menschen, jede durch das Arbeitsamt "angebotene" offene Stelle in einem Umkreis von 30 km anzunehmen. Im Falle einer Verweigerung werden unverzüglich alle sozialen Leistungen gestrichen. Mit diesem Projekt sollen die Arbeitsämter entlastet werden, obwohl diese zur Zeit über einen Überschuß von 3 Milliarden € verfügen, und lediglich 40% der Erwerbslosen Arbeitslosenunterstützung erhalten.
Schwer werden auch die in der Landwirtschaft tätigen Menschen v.a. im Süden des spanischen Staates durch die neuen Bestimmungen durch die Abschaffung des PER getroffenen. Dieses Programm eine Förderung der LandarbeiterInnen, die nach drei Monaten harter Saisonarbeit für den Rest des Erwerbsjahres eine staatliche Unterstützung in Höhe von 150 € monatlich erhielten.
Seit 1994 gab es im spanischen Staat keinen Generalstreik mehr, weil die Gewerkschaften sich seither nicht einigen konnten, und überwiegend auch mit der Regierung paktiert haben. Trotz starken Bedenken gegenüber den großen Gewerkschaften werden Aktionen auch von der radikalen Linken mitgetragen - denn es geht darum, den sozialen Frieden zu brechen.
Mit der drastischen Verschlechterung der sozialen Rahmenbedingungen geht die Ausweitung der Repression gegen die linke Fundamentalopposition einher:
Ausweitung der Repression gegen die Linke
Die Folgen des 11. September und die Bedeutung der EU-Ratspräsidentschaft Spaniens
Die rechtskonservative Regierung Aznars nutzte das politische Klima nach dem 11. September 2001, um auf EU-Ebene Projekte wie den europäischen Haftbefehl voranzutreiben, und so Auslieferungen von mutmaßlichen Etarras zu ermöglichen, bzw. dann auch gegen Bedenken erzwingen zu können.
Anfang Dezember 2001 wurde per Dekret die baskische Gefangenhilfsorganisation Gestoras Pro Amnistía verbotet, wenig später deren Nachfolgerin Askatasuna. Ende Dezember veröffentlichte die EU-Institution Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) zum ersten Mal eine "europäische Liste der Terroristen, eine Liste von Organisationen und 28 Einzelpersonen, deren Köpfe nun zur Jagd freigegeben werden. Auf der Ende Dezember veröffentlichten Liste werden fünf Organisationen der ETA zugeordnet. Dazu reichte es der EU aus, daß zuvor ein Richter diese baskischen strukturen wie Ekin oder Xaki verboten hat, um sie ohne Prüfung als terroristisch einzustufen. Die fünf wurden vom Ermittlungsrichter Baltasar Garzón verboten, dem es aber bisher in keinem Verfahren gelungen ist, eine direkte Verbindung zu ETA zu beweisen. Erst kurz vor der Bekanntgabe der EU-Liste hatte der Nationale Gerichtshof seine Vorwürfe gegen Ekin zerpflückt. Sechs Menschen kamen nach 15 Monaten U-Haft unter Sonderbedingungen, aus dem Knast. Der GASP steht mit Javier Solana ein Spanier vor. Ein weiteres Indiz für den Einfluß des spanischen Staates bei der Erstellung der Liste ist der Fakt, daß 21 der 28 aufgeführten Einzelpersonen der Mitgliedschaft zu ETA bezichtigt werden. Auch nach der Aktualisierung der Liste vor wenigen Wochen änderte sich nichts wesentliches an dieser Gewichtung.
Parallel zu den Bestrebungen auf EU-Ebene wurde die Kooperation mit den USA bezüglich der "Bekämpfung des Terrorismus" stark ausgeweitet, im Gegenzug zur Anfang April vereinbarten Freizügigkeit der US-Geheimdienste erhält der spanische Staat massive finanzielle und v.a. logistische Unterstützung im Kampf gegen ETA.
Die Regierung Aznars setzt zudem derzeit alles daran, über das Konstrukt einer Verbindung zu ETA die linke baskische Volkspartei Batasuna, die für einen unabhängigen sozialistischen Staat kämpft, zu kriminalisieren - und somit breite Schichten der baskischen Bevölkerung.
Die Verschärfung der neuen EU-Gesetze drohen nun gegen zwei Menschen angewendet zu werden, denen die spanische Justiz eine Verbindung zum Kommando Barcelona der ETA anzuhängen versucht. Sollte den jeweiligen Auslieferungsersuchen stattgegeben werden, erfolgt die Abschiebung an den spanischen Staat, wo den Gefangenen die Verhängung von Isolationshaft und die Folter im Polizeiverhör droht:
Juan Ramón Rodriguez Fernández
Wenige Wochen nach Bekanntgabe der ersten sog. Anti-Terror-Liste der EU trat in den Niederlanden erstmals die EU-Institution Eurojust, die Koordinationsstelle der Staatsanwaltschaften der EU-Mitgliedsstaaten, in Aktion, um auf Ersuchen des spanischen Staates eine Verhaftung vorzubereiten. Am 16. Januar verhaftete ein Sonderkommando der niederländischen Polizei den Sänger und Aktivisten Juan Ramón Rodriguez Fernández, genannt Juanra. Der Haftbefehl wirft im u.a. vor, zwei Namen von Personen aus rechtsextremen Kreisen im spanischen Staat an eine Person weitergeleitet zu haben, die beschuldigt wird, in Kontakt zu ETA zu stehen. Mittlerweile wurde der Vorwurf gegen Juanra auf Mitgliedschaft zu ETA ausgeweitet. Die niederländische Justiz wird am Dienstag, den 25. Juni bekanntgeben, ob dem Auslieferungsersuchen der spanischen Justiz stattgegeben wird.
Der Fall Gabriele Kanze
Die Berlinerin Gabriele Kanze wurde am 14. März 2002 bei ihrer Einreise in die Schweiz von der Schweizer Polizei verhaftet. Gegen sie liegt seit 1994 ein internationaler Haftbefehl wegen Unterstützung des damaligen ETA-Kommandos Barcelona vor. Der konkrete Vorwurf lautet, dass Gabriele eine Wohnung gemietet haben soll, die von Mitgliedern des Kommandos genutzt wurde. Die Hinweise auf die Wohnung wurden nach der Verhaftung eines Mitglieds des Kommandos unter Folter erpresst. Nach einem internationalen Abkommen sind Anklagen, die unter Folter zustande kommen, unrechtmäßig. Sie sitzt zur Zeit in Auslieferungshaft im Knast von Flums/Schweiz. Ein Auslieferungsersuchen des spanischen Staates liegt vor. Auch ihre Auslieferung gilt es zu verhindern.
Achtet auf weitere Ankündigungen und beteiligt Euch an weiteren Aktionen, um die Auslieferung der beiden GenossInnen zu verhindern!
Kampf dem Kapitalismus - weltweit!
Keine Auslieferungen an den spanischen Staat! - Freiheit für alle politischen Gefangenen!
Hoch die internationale Solidarität!
Kommt zur Kundgebung am Donnerstag, den 20. Juni, 16.00 Uhr, vor dem spanischen Konsulat, Steinplatz 1, 10623 Berlin.
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