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Wuppertal: Soliaufruf und Bericht vom 2. Prozesstag im Prozess gegen 5 AntifaschistInnen und AntirassistInnen

Soli-Aufruf für Prozess gegen 5 Leute aus Wuppertal


Im Sommer 2002 wird am Jugendgericht Wuppertal ein Prozess gegen fünf
Menschen (18 – 22 J.) mit antirassistischem und antifaschistischem Hintergrund
stattfinden.
Angeklagt sind diese fünf Personen aber nicht in denselben Sachen, es gibt
nur einige Überschneidungen. Die Zusammenlegung der Prozesse ergibt daher für
uns keinen Sinn.
Die verschiedenen Anklagen beziehen sich auf politische Aktionen innerhalb
der letzten zwei Jahre, die sich gegen Rassismus und Faschismus richteten:

Blockade eines Abschiebetransportes in Moers
Um auf den rassistischen Charakter der deutschen Asylpolitik und die
menschenverachtende Abschiebepraxis aufmerksam zu machen, wurde ein Bus mit
Flüchtlingen kurz nach der Ausfahrt aus dem Abschiebegefängnis in Moers blockiert.
Dieser Bus fuhr jeden Dienstag über die Abschiebegefängnisse Büren, Moers und
Neuss, um dort Abschiebehäftlinge abzuholen und zum Düsseldorfer Flughafen zu
bringen. Von dort wurden sie mit der Fluggesellschaft Tarom nach Bukarest und
weiter nach Istanbul abgeschoben.
Durch die beschriebene Aktion wurde der Bus mehrere Stunden an der
Weiterfahrt gehindert. Letztendlich verhaftete die Polizei die Teilnehmer.
Protestbesuch im Schwelmer Stadtrat
Thorsten Crämer, NPD-Funktionär, wurde wegen dem Überfall auf die
Gedenkveranstaltung am Mahnmal des ehemaligen KZ-Kemna verurteilt. Zu diesem Zeitpunkt
und noch immer war und ist er Abgeordneter der NPD im Schwelmer Stadtrat.
Während er in U-Haft saß (sein Urteil war noch nicht rechtskräftig, da er
Revision eingelegt hatte), beantragte er eine Beurlaubung aus der Haft, um
weiterhin an den Ratssitzungen teilzunehmen. Dies wurde ihm gewährt, so dass man
damit rechnete, dass er wieder im Rat erscheinen würde.
Dies nahmen einige Personen zum Anlass, im Rat selber zu protestieren und
dort eine antifaschistische Resolution zu verlesen. Bei diesen Versuch griff
die Polizei ein.
Auseinandersetzungen mit Nazis
Am Rande von Naziaufmärschen in Köln und Hagen kam es zu
Auseinandersetzungen zwischen Linken und Nazis. Infolgedessen kam es zu Festnahmen durch die
Polizei.
Unterstützung einer ausländischen Frau bei Hooligan-Übergriff
Nach einem Fußballspiel sah eine Person, wie eine Gruppe Hooligans eine
ausländische Frau beschimpfte, schubste und schlug.
Nachdem sie verbal eingegriffen hatte, griffen die Hooligans die Person mit
Flaschen an, so dass sich diese letztendlich mit CS-Gas verteidigen musste.
Beim Eintreffen der Polizei flohen die Hooligans und erstatteten nachher
Anzeige wegen Körperverletzung.
Mitführung von Verteidigungsspray bei Anreise zum Grenzcamp
Lächerlich wirkt die Anzeige, die zwei Personen bekamen, weil sie auf dem
Weg zum Grenzcamp in Brandenburg CS-Gas mit sich führten. Zum dritten mal fand
hier, nahe der Oder/Neiße-Grenze, ein Camp statt, das gegen die massive
Abschottung Europas nach außen Protestiert. Sie zeigt sich hier ganz lokal an der
Hochsicherheitsgrenze nach Polen zeigt.
Dort gibt es auch immer wieder Probleme mit Nazi-Gruppen, die den Besitz von
CS-Gas nicht nur legitimieren sondern ratsam machen.

In dem Prozess sehen wir eine weiteres Beispiel für die Kriminalisierung von
antirassistischer und antifaschistischer Arbeit, von Menschen mit
staatskritischer Meinung.
Hier stellt sich die Frage, was mit dem „pädagogischen Anspruch“ des
Jugendrechts erzielt werden soll: Nie wieder Zivilcourage?
Der Staat, der im sogenannten „antifaschistischen Sommer 2000“ zu
Zivilcourage aufrief, scheint dies nicht ernst zu meinen.
Besonders unangenehm ist die Zusammenlegung der Verfahren:
Erstens weil hierdurch eine Politische Gruppe inszeniert wird, gegen die ein
Schauprozess geführt wird und die Angeklagten möglicherweise in „harmlose
Mitläufer“ und „böse Rädelsführer“ unterteilt werden.
Zweitens aus finanziellen Gründen: Der Prozess wird an min. drei
Verhandlungstagen durchgeführt werden, an denen die fünf Anwälte der Angeklagten
anwesend sein müssen. Schon allein aus diesem grund ist mit Kosten um die 10000 € zu
rechnen, die die linke Szene ruinieren sollen und es möglicherweise auch tun
werden.
Natürlich wissen wir, dass es in den meisten anderen Städten finanziell
nicht besser aussieht und gerade Prozesskosten ein großes Problem sind. Hier in
Wuppertal haben wir aber zusätzlich das Problem, dass unser AZ zur Zeit nicht
sehr etabliert ist, d.h., dass wir nicht sehr viele Besucher mit Soli-Partys
o.ä. anlocken. Ein bisschen Hoffnung haben wir noch, dass irgendwer von Euch
nicht so sehr im Minus ist. Besonders ansprechen wollen wir natürlich die
Städte, die auch an Aktionen, z.B. Moers beteiligt waren und da günstiger
rausgekommen sind, als Wuppertal!
Bei irgendwelchen Fragen meldet Euch doch unter 0202/455192 oder
 infoladenwuppertal@gmx.de.
Außerdem freuen wir uns natürlich über solidarisches Erscheinen an den
Verhandlungstagen 28.6., 5.7. und 12.7., jeweils um 9 Uhr am Amtsgericht
Wuppertal.


Vielen Dank!


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Zwischenbericht nach dem 2. Prozesstag zum Prozess gegen 5 AntifaschistInnen
& AntirassistInnen in Wuppertal im Sommer 2002

Mittlerweile sind fast alle Zeuginnen & Zeugen – außer die zu Moers –
befragt. Alle Erklärungen der Beschuldigten sind bereits vorgetragen. Beide
Verhandlungstage zogen sich über 7 Stunden hin. Dadurch und durch die Fülle und
andauernd wechselnden Themen ist die Verhandlung sehr ermüdend. Vielleicht war
auch dies eine Intention der Staatsanwaltschaft? ZeugInnen werden nur
mittelmäßig in die Mangel genommen. Selbst der Staatsanwalt (altbekannter
Autonomenjäger Heinrichs) hat wenige Fragen parat. Im Ton hingegen vergreift er sich denn
doch des öfteren. V.a. zu jenen ZeugInnen, die eher positives für die
Angeklagten aussagen.

Am 1. Verhandlungstag wurden v.a. Nazis als Zeugen zu den Aufmärschen in
Hagen und Köln befragt, von denen die meisten kein gutes Bild abgaben. Viele
Widersprüche in ihren Aussagen. Mit den Nazi-Fratzen waren allerdings auch viele
ihrer Kameraden, u.a. Thorsten Crämer und Mike Hilgert, die wegen des
Überfalls auf die KZ-Gedenkveranstaltung Kemna (2000) im Bergischen Land zu
Haftstrafen verurteilt wurden, als Zuhörer anwesend. Nach der 1. Verhandlung wollten
diese kackendreist die anderen Zuhörer beim Herausgehen filmen. Was ihnen
nicht gelang. Die Bullizei reagierte auf Nachfragen mit der Antwort: “Die
wollen hier doch nur das Gebäude filmen. Da können wir nichts machen.“

Auch am 2. Verhandlungstag tauchten sie auf und nahmen mit ihren Ärschen
Platz im Gerichtssaal. Befragt wurden an diesem Tag ZeugInnen zur wirklich
lächerlichen Anklage wegen Mitführens von Verteidigungsspray bei der Anreise zum
Grenzcamp; zur Anklage der Körperverletzung bei der Unterstützung einer
ausländischen Frau bei Hooligan-Angriff; zur Anklage wegen Hausfriedensbruch u.a.
bei dem Versuch, eine antifaschistische Resolution zu verlesen und einer zur
Anklage, den Abschiebebus in Moers blockiert zu haben.

Der Richter scheint ein typisch wuppertaler Richter zu sein. Gibt er sich
doch ach so undogmatisch und alles verstehend in den Befragungen, interessiert
sich kumpelhaft für Fußballspiele und Genesungszustände eines Zeugen, reicht
seine Toleranz dann doch nicht so weit, wenn die Erklärung einer Angeklagten
Applaus erntet. Alles muß mit Recht und Ordnung zugehen. Und er wird schon
dafür sorgen, dass die Zuhörer auch solche bleiben und keine Unmuts- oder
Beifallsäußerungen dulden. Mensch darf wohl sein ach so undogmatisches Urteil
befürchten.

Dieses soll angeblich am nächsten Freitag, 12. Juli 2002, dem letzten
angesetzten Verhandlungstag, der um 9.00 Uhr im Landgericht Wuppertal, Saal 217,
beginnt, verkündet werden. Allerdings müssen noch mindestens 8 ZeugInnen
befragt werden. Es könnte sein, daß ein weiterer Verhandlungstag angesetzt wird am
darauffolgenden Montag, Dienstag oder Mittwoch.
Auch dieses Mal muß wohl wieder mit einigen „rechten“ Zuhörern gerechnet
werden. Es wäre schön, wenn viele linke „ZuhörerInnen“ kommen würden und den
Saal füllen.
Adresse: Eiland 4, Anreise: Mit der Schwebebahn vom Hbf bis zur Haltestelle
Landgericht

Spenden sind bitter nötig:
Wuppertaler Rechtshilfe
Konto-Nr.: 93 93 48
BLZ: 330 500 00
Sparkasse Wuppertal


Kein Arschbreit den Faschisten!
No border – no nation! Stop deportation!

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11.07.2002
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