Berlin: 102. Prozesstag: Unterwasserwelt
102. Prozesstag: Unterwasserwelt
Mit einer, den vorangegangenen Prozesstag rekapitulierenden Erklärung fasste RA Kaleck noch einmal die Schlussfolgerungen zusammen, die sich aus den Vernehmungen des BGS-Beamten und zweier Sachverständiger vom Vortag ergaben und die die Einschätzung unterstreichen, dass der Kronzeuge der Bundesanwaltschaft, Tarek Mousli, zum Themenkomplex „Sprengstoffpaket im Seegraben“ gelogen hat. Die zur Entkräftung der Sachverständigen geltend gemachten Einwände von Bundesanwalt Wallenta und Richter Alban seien weder mit den Lichtbildern, noch mit den Aussagen des Kronzeugen in Einklang zu bringen.
Aufgabe der zum heutigen Termin geladenen Biologin sollte es sein, festzustellen, ob man anhand des Algenbewuchses des Sprengstoffpakets irgendwelche Rückschlüsse auf die Verweildauer des Pakets im Seegraben ziehen könnte, etwa durch die Ablagerung von Algen, die nur zu bestimmten Jahreszeiten vorhanden sind.
Solche Algen hat die Wissenschaftlerin nicht an dem Paket oder in am 14. September 2002 im Beisein des BGS gezogenen Proben im Seegrabenwasser, im Bodensediment des Grabens und an Wasserpflanzen gefunden. Der Befund ist negativ.
Trotzdem hat sich die Sachverständige daran gemacht, von den Asservaten, dem Plastiksack und Klebebändern, abgekratzte Bewuchs- und Anhaftungsreste wissenschaftlich zu untersuchen. Die Ergebnisse und Vergleiche mit aktuellen Proben aus dem Seegraben seien jedenfalls sehr groß, so dass sie als Tendenz äußern wolle, so die Sachverständige, dass das Paket ihrer Meinung nach etwas länger als eine Vegetationsperiode im Wasser gelegen habe. Diese These wolle sie indes nicht knallhart formulieren, denn zu viele Faktoren in der Umwelt, Unklarheiten über die Lage des Pakets im Seegraben (oben - unten, halb oder ganz im Schlick, innen - außen ...) sowie die Art und Weise der Bergung, Reinigung und Lagerung des Asservats ließen eine hieb- und stichfeste Aussage überhaupt nicht zu.
Die anschließende, lange Befragung der Sachverständigen durch den Richter Alban lässt vermuten, dass sich das Gericht im weiteren Verfahren auf deren Aussagen stützen will, um die Seegrabenfrage im Sinne der Anklage zu beantworten.
Rechtsanwalt von Schlieffen beantragte als Beweismittel die Vorladungen seines Mandanten Axel H. zu richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Vernehmungen aus dem Frühjahr 1987 zuzulassen. Er verspricht sich von diesen Beweisanträgen den Nachweis, dass Axel H. im Frühjahr 1987 im Visier der Justiz stand und so - gemäß den Aussagen des Kronzeugen über die Grundregeln der RZ - den Kontakt zu allen Mitgliedern der RZ abgebrochen haben muss, folglich auch nicht am den RZ zur Last gelegten Anschlag auf die Zentrale Sozialhilfestelle für Asylbewerber (ZSA) 1987 beteiligt gewesen sein kann.
Die Verhandlung wird am Donnerstag, 31. Oktober, um 9.15 Uhr fortgesetzt.
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