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München: Frieden am Stachus

Frieden am Stachus

Im Februar findet in München wieder die Sicherheitstagung der Nato statt. Anders als im vergangenen Jahr soll die Gegendemonstration diesmal erlaubt werden. von thies marsen


Im Februar findet in München wieder die Sicherheitstagung der Nato statt. Anders als im vergangenen Jahr soll die Gegendemonstration diesmal erlaubt werden. von thies marsen
Um die deutsche Atombombe feilschen, die nächste Stationierung von Massenvernichtungswaffen aushandeln, den Umbau der Nato von einem Verteidigungs- in ein weltweit agierendes Angriffsbündnis vorbereiten - 40 Jahre lang war München ein angenehmes Pflaster für Militärs, Rüstungslobbyisten und Verteidigungspolitiker. Einmal im Jahr traf man sich in der bayerischen Landeshauptstadt in aller Ruhe zur Sicherheitstagung der Nato. Anfang des Jahres 2002 bildete sich jedoch erstmals eine Protestbewegung. Und auch die nächste Tagung Anfang Februar soll nicht störungsfrei verlaufen. Eine Gegendemonstration und mehrere Gegenkongresse sind angekündigt.

1962 verabredeten sich die Militärstrategen des freien Westens erstmals in München zur Wehrkundetagung. Der Ort war gut gewählt, denn dank des damaligen Bundesverteidigungsministers und späteren bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß war München zum Zentrum der deutschen Rüstungsindustrie aufgestiegen. Hier konnte man mehr oder weniger unbemerkt von der Öffentlichkeit Geschäfte machen, zukünftige Kriege planen und Strategien entwickeln.

39 Jahre lang demonstrierte gegen die Wehrkundetagung, die inzwischen Nato-Sicherheitskonferenz heißt, höchstens eine Handvoll Menschen. Seit diesem Jahr ist das anders. Anfang Februar erreichte die Antiglobalisierungsbewegung endlich auch München. Tausende von Demonstranten kündigten sich an.

In einer beispiellosen Kampagne hetzten lokale Medien gegen die Kritiker der Nato, die Polizei sprach, ohne dafür irgendeinen Beleg zu liefern, von 3 000 zu erwartenden gewaltbereiten Demonstranten, die München »entglasen« wollten. Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) setzte für ein Wochenende demokratische Grundrechte außer Kraft und verhängte ein Demonstrations- und Versammlungsverbot. Sprecher des Bündnisses gegen die Sicherheitskonferenz wurden von der Polizei verhaftet und erst freigelassen, als die Militärs wieder aus der Stadt waren.

Trotzdem und obwohl die Polizei mit mehreren »Sicherheitsringen« rund um die Stadt versuchte, die Gegner der Nato abzufangen, demonstrierten mehrere Tausend Menschen in der Münchner Innenstadt, unweit des Tagungsortes, des noblen Hotels »Bayerischer Hof«.

Das eigentliche Thema der Proteste rückte angesichts der beispiellosen Einschränkungen demokratischer Rechte allerdings in den Hintergrund. Statt gegen die Nato ging es vor allem um die Verteidigung der Meinungs- und Demonstrationsfreiheit. Das soll beim nächsten Mal anders werden.

Deshalb soll es zur Sicherheitskonferenz 2003, die vom 7. bis zum 9. Februar stattfinden wird, nicht nur eine große internationale Demonstration geben, am Samstag, den 8. Februar um 12 Uhr auf dem Marienplatz, sondern auch mehrere Gegenkongresse. Am 6. und 7. Februar veranstaltet die Petra-Kelly-Stiftung eine Tagung mit dem Titel »Zivil Macht Europa«, am Wochenende des Nato-Treffens findet in München die Konferenz »Für Frieden und Gerechtigkeit - Nein zum Krieg« statt, die vor allem vom Münchner Friedensbündnis, von Attac und der DFG/VK organisiert wird.

Bereits einen Monat vorher, vom 10. bis 12. Januar, treffen sich die antikapitalistischen Kriegsgegner im Münchner Haus des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) zum »Antikriegs-Kongress«.

In den Veranstaltungen wird es vor allem um den zu erwartenden Krieg der USA und ihrer Verbündeten gegen den Irak gehen, dessen baldiger Beginn wahrscheinlich ist. »Es droht ein permanenter globaler Krieg der reichsten und mächtigsten Staaten gegen den Rest der Welt«, heißt es im Aufruf zur Konferenz. »Die deutsche Bundesregierung nutzt die Situation, um ihre eigenen Großmachtansprüche durch Umstrukturierung der Bundeswehr zu einer weltweit agierenden Interventionsarmee voranzutreiben.«

Neben dem Irak-Krieg und der Militarisierung der deutschen Politik widmet sich die Gegenkonferenz aber auch den Themen »Krieg gegen Flüchtlinge«, »Krieg und Medienbilder« und »Militarisierung und Patriarchat«. Einigen Diskussionsstoff bietet außerdem die angekündigte Podiumsdiskussion über den Nahostkonflikt.

Das Ziel der Veranstalter der Antikriegs-konferenz und der Großdemonstration am 8. Februar ist es vor allem, die Münchner Nato-Tagung stärker im Bewusstsein der internationalen Antiglobalisierungsbewegung zu verankern. Die Vorlage dafür liefert der Leiter der Sicherheitskonferenz, Horst Teltschik. »Was das Weltwirtschaftsforum in Davos für die Spitzenvertreter der internationalen Wirtschaft ist, ist die Sicherheitskonferenz in München für die Repräsentanten der strategischen Gemeinschaft«, sagte der einstige Berater von Helmut Kohl, der heute der Quandt-Stiftung von BMW vorsteht.

Die Gegner der Nato nehmen ihn beim Wort und demonstrieren gleichzeitig in München und in Davos, wo sich am 25. Januar, zwei Wochen vor der Nato-Sicherheitskonferenz, Vertreter der 1 000 größten privaten Wirtschaftsunternehmen zum World Economic Forum (WEF) treffen. Die Nato-Tagung und das WEF sind »zwei Seiten einer Medaille«, heißt es im internationalen Aufruf, der von der Schweizer Anti-WTO-Koordination, der deutschen antimilitaristischen Koordination KiF und dem Münchner Bündnis gegen die Nato-Sicherheitskonferenz unterzeichnet ist. »Die 'Freiheit' und 'Sicherheit', über die auf diesen Konferenzen der Wirtschaftsführer, Politiker und Generäle gesprochen wird, bedeuten weltweit Krieg, Verwertung von Menschen und Natur, Männerherrschaft über Frauen und rassistische Unterdrückung.«

Immerhin, die Gegner dieser Konferenzen haben mit ihren Protesten inzwischen zumindest ein paar bürgerliche Freiheiten zurückerobert. Zwar wird das Weltwirtschaftsforum, das in diesem Jahr nach New York verlegt wurde, im Jahr 2003 wieder in die Schweiz zurückkehren. Die Behörden in Davos wollen aber erstmals eine Gegendemonstration genehmigen.

Und auch in München stehen die Chancen gut, dass das Demonstrationsrecht nicht außer Kraft gesetzt wird. Auch weil diesmal, anders als 2002, keine Kommunalwahlen bevorstehen. Ude zeigt sich zur Abwechslung von seiner liberalen Seite und kündigte bereits an, dass er nicht vorhabe, die Proteste erneut zu verbieten. Statt der Gegendemonstranten will er diesmal die Konferenz aus der Innenstadt verbannen und an einen weniger zentralen Ort verlegen lassen. »Die Absperrungen in der Innenstadt sind dem Einzelhandel nicht mehr zuzumuten«, sagte Ude zur Begründung.

Horst Teltschik weigerte sich jedoch, auf Udes Forderungen einzugehen, und brachte ein einleuchtendes Argument vor: »Wochenlang haben jeden Samstag in München Rechtsradikale gegen die Wehrmachtsausstellung demonstriert. Wenn so etwas möglich ist, weshalb soll ich jetzt raus aus der Stadt mit der Tagung?«

 

31.12.2002
jungle-world / thies marsen   [Aktuelles zum Thema: Globalisierung]  [Schwerpunkt: Wipe out WEF and Nato!]  Zurück zur Übersicht

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