Berlin: 113. Prozesstag | Kurz und schmerzlos
113. Prozesstag: Kurz und schmerzlos
Nach nicht einmal 50 Minuten war der heutige Prozesstag schon wieder vorbei. Befragt wurde erneut der diesmal mit leicht aufgedunsenem Gesicht erschienene Staatsanwalt bei der Bundesanwaltschaft (BAW), Christian Monka.
Monka, der zunächst Mühe hatte, sein Lebensalter zu memorieren, aber immerhin sein Geburtsjahr wusste (er ist 38), wurde zu dem Brief "Lieber Luka", der 1999 in der Wohnung von Tarek Mousli gefunden wurde, befragt. Mousli habe damals angegeben dieser Brief gehöre nicht ihm, sondern seinem damals schon verstorbenem Bekannten Roger W. Bei den Ermittlungen stellte sich heraus, dass das Papier den Behörden damals schon als "höchst intern" bekannt und auch zeitlich einzuordnen gewesen sei.
Dass Mousli mit seiner Behauptung nicht die Wahrheit sage, sei ihm "aus dem Bauch heraus schon damals klar" gewesen, das sei "eben kriminalistisches Gespür, das einen befällt"; Mousli habe, sprachlich gewandt und unauffällig, eine "Mauertaktik" angewandt.
Auf die Fragen der Verteidigung, warum Mousli nie auf seine Lügen und die Beschuldigung des damals schon verstorbenen Roger W. angesprochen wurde, machte Monka die damals noch unzureichende Beweissituation geltend.
Die BAW beantragte in verschiedenen Stellungnahmen, Anträge der Verteidigung zurückzuweisen. So auch den Antrag der RechtsanwältInnen Kaleck und Lunnebach, die einen rechtlichen Hinweis des Gerichts auf die konkreten Tatvorwürfe gegen ihren Mandantenordnung verlangt hatten. Laut Strafprozessordnung müssen Tatvorwürfe genau bestimmt sein oder im Nachhinein vom Gericht im Rahmen eines rechtlichen Hinweises konkretisiert werden. Bundesanwalt Michael Bruns lehnte ein solches Ansinnen mit den Worten ab, es sei keine Variante zu den Tatbeteiligungen des Angeklagten jenseits der Aussagen von Tarek Mousli denkbar.
Bruns war es auch, der sich in einer weiteren Stellungnahme sprachlich an Rechtsanwalt Euler und insgesamt an der Zunft der Rechtsanwälte verging, nachdem beantragt worden war, Rechtsanwalt Euler als Zeugen in Hinblick auf das Beinschussattentat auf Hollenberg zu vernehmen. Bruns vertrat die Auffassung, damit wolle der Rechtsanwalt auf mehr Glaubwürdigkeit als in seiner schon gemachten Stellungnahme hinaus und bringe damit die Reputation der gesamten Rechtanwälte in Verruf.
Es blieb Rechtsanwalt von Schlieffen vorbehalten, auf diesen kuriosen Anwurf zu erwidern. Euler solle keineswegs als Leumund für seinen Mandanten fungieren, sondern vielmehr Tatsachen bekunden, die er im Rahmen seiner Arbeit in Erfahrung, aber noch nicht vor Gericht zur Kenntnis gebracht habe. Neben weiteren Ungenauigkeiten sei vor allem zu bemängeln, dass für Bruns die Erklärung Eulers bereits als Beweisaufnahme gelten solle.
Abschließend wurden Lichtbilder des Bahngeländes in Augenschein genommen, die beweisen, dass Mouslis Angaben zu seinem Überwachungsstandort, dem Fluchtweg über angebliche S-Bahngleise mit Hochleitungen und Straßenführungen, die er im Zusammenhang mit dem Anschlag auf Harald Hollenberg ausgespäht haben will, sämtlich falsch sind.
Der Prozesstermin am 30. Januar wurde aufgehoben, fortgesetzt wird am 31. Januar 2003 um 9.15 Uhr. Es sieht, mit Blick auf ein etwaiges Prozessende, nach Sommer aus...
Ein ausführlicher Bericht entfällt.
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