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gipfelinfo: Nato-Sicherheitskonferenz in München

Gipfelinfo - Meldungen über globalisierte Solidarität
und die Proteste gegen unsolidarische Globalisierung
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- Presseerklärung zur Festnahme von T. Pflüger in München
- Presseerklärung der Roten Hilfe München

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Tobias Pflüger sucht jemanden, der seine Ansprache am Marienplatz, in
München am 7.2.03 aufgenommen hat. Er braucht das zu seiner Verteidigung,
da er ja unmittelbar nach der Ansprache wegen Aufrufs zur Desertion
festgenommen wurdei (siehe unten).

Wenn du die Ansprache aufgenommen hast schreib bitte eine Mail an
 wir@kanalB.de

Danke!

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PRESSEERKLÄRUNG ZUR FESTNAHME VON TOBIAS PFLÜGER IN MÜNCHEN

Presseerklärung zur Festnahme von Tobias Pflüger in München nach seiner
Rede bei den Protesten gegen die Sicherheitskonferenz in München Im Rahmen
der sehr erfolgreichen Proteste (ca. 30.000 Menschen bei der
Hauptdemonstration) gegen die sogenannte Sicherheitskonferenz war am
Freitag 07.02. ab ca. 17.30 Uhr in München die Kundgebung gegen den
städtischen Empfang der Teilnehmer/innen der sogenannten
Sicherheitskonferenz durch Oberbürgermeister Christian Ude. Bei dieser
Kundgebung trat als Schlussredner Tobias Pflüger von der
Informationsstelle Militarisierung auf. Sein Thema war die deutsche
Kriegsunterstützung beim geplanten Irakkrieg. Tobias Pflüger wies in
seiner Rede darauf hin, dass Deutschland bzw. die Bundesregierung den
geplanten Irakkrieg in folgenden Bereichen aktiv unterstützt und damit
auch erst möglich macht:

· Die von Gerhard Schröder im März 2002 gegebene Zusage für eine
Unterstützung des Irakkrieges, wurde im Mai 2002 erneuert, ist aber nie
zurückgenommen worden. · Der Aufmarsch für den Irakkrieg ist wesentlich
über Deutschland erfolgt. Über Frankfurt Airbase, Ramstein und Spangdahlem
wurden und werden Kriegsmaterial und Soldaten in Kriegsgebiet gebracht.
Über Vilseck, Mannheim und die Häfen von Emden, Bremen, Bremerhaven und
Nordenham wird ebenfalls Kriegsmaterial in die Golfregion verschickt. ·
Die in Deutschland stationierten britischen und US-Truppen wurden in
großer Zahl ins Kriegsgebiet geschickt. · In Grafenwöhr fand im Februar
2003 das zentrale (Simulation-)Kriegsvorbereitungsmanöver "Victory
Scrimmage" statt. · Innerhalb der NATO legte die Bundesregierung bisher
kein Veto gegen eine NATO-Kriegsunterstützung ein. Die Bundesregierung
verzögert lediglich die Abstimmung. [Belgien hat nun wohl ein Veto
eingelegt, inzwischen heißt es Deutschland schließe sich dem wie Frankr!
eich an.] · Ein Drittel der Besatzungen der AWACS sind Bundeswehrsoldaten,
sie werden sich zwangsläufig an der Zielplanung beteiligen. · Das
Bundeswehr-Kontingent der ABC-Abwehrpanzer in Kuwait wird aufgestockt, von
bisher 59 auf mindestens 200 Bundeswehrsoldaten. Begründung
Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan: Er könne bei einem Krieg das
derzeitige Kontingent "nicht alleine lassen". Die Soldaten aus den USA und
Tschechien, die in der gleichen Einheit in Kuwait sind, sind schon für den
Kriegseinsatz angefordert worden. · Bundeswehrsoldaten haben den Schutz
von ca. 100 US-Militäreinrichtungen in Deutschland übernommen, so sind die
US-Soldaten frei, um in den Krieg geschickt zu werden. · Die
Bundesregierung hat angeboten, verletzten US-Soldaten medizinische Hilfe
zukommen zu lassen, also Hilfe für die Aggressoren. (Schließlich so die
deutsche Bischofskonferenz sind Präventivkriege eine Aggression)


Hier nun der Bericht von Tobias Pflüger über seine Festnahme:

"Ca. eine halbe Stunde nach der Rede, als ich erstmals allein unterwegs
war, nahmen mich in der U-Bahn-Unterführung des Marienplatzes zehn zivil
gekleidete Polizist/inn/en brutal fest. Mit der Festnahme muss abgewartet
worden sein, bis ich von anderen kaum sichtbar allein der Polizei
ausgeliefert war. Zum Glück beobachtete aber jemand die Festnahme,
erkannte mich und meldete den Vorfall an den für solche Fälle
eingerichteten "Ermittlungsausschuss" (EA).

Die aufgeregten Polizistinnen und Polizisten teilten mir bei der Festnahme
lediglich mit, ich hätte zu einer Straftat (sprich Desertion) aufgerufen,
das wüsste ich ja, deshalb würde ich auf das Polizeipräsidium gebracht,
das sei "mit oben" abgesprochen. Ich wies darauf hin, dass mein Aufruf zur
Desertion nicht einfach so, sondern wohlüberlegt und nicht kontextlos
erfolgt ist. Ich teilte auch mit, dass ich mir ganz sicher bin, aufgrund
der Rechtslage (1), sollte es wirklich zu einem Gerichtsverfahren kommen,
einen Freispruch zu bekommen. Die Polizisten sollten sich deshalb ihre
weitere Arbeit ersparen und mich freilassen.

Alle mitgeführten Gegenstände einschließlich Handy und Geldbeutel wurden
noch vor Ort von der Polizei beschlagnahmt und ich wurde nach einiger Zeit
in eine überhitzte Gemeinschaftszelle des Polizeipräsidiums verbracht.
Eine Information über das weitere Vorgehen erfolgte nicht.

Erst nach ca. 2 3/4 Stunden wurde ein vom Ermittlungsausschuss der
Demonstrationsorganisator/inn/en benachrichtigter Rechtsanwalt (Hartmut
Wächtler) zu mir vorgelassen. RA Wächtler wies darauf hin, dass - falls es
sich bei dem angegebenen Grund für meine Festnahme und Gefangennahme um
den in der Rede befindlichen Aufruf zur Desertion (Fahnenflucht) handele -
es keine Rechtsgrundlage gebe, mich weiter festzuhalten. Eine Feststellung
meiner Personalien hätte dann genügt.

Polizei und Staatsanwaltschaft wollten offensichtlich eine sogenannte
"vorbeugende Ingewahrsamnahme" durchführen. Ein Polizist sagte mir ganz
offen, "wir können sie dabehalten bis die Konferenz (gemeint war die
Sicherheitskonferenz) zu Ende ist" und "Wir wollen nicht, dass sie noch
einmal reden."

Mein Eindruck war, dass die "vorbeugende Ingewahrsamnahme" sprich meine
Gefangennahme über Nacht und an den nächsten Tagen aufgrund der
Anwesenheit und dem Druck von Rechtsanwalt Hartmut Wächtler dann
schlussendlich zurückgezogen wurde. Nach einer "erkennungsdienstlichen
Behandlung" (ED-Behandlung: Fingerabdrücke, Fotos, Muttermaluntersuchung
etc.) wurde ich kurz vor 23.00 Uhr wieder entlassen. Das Verhalten der
Polizist/inn/en war wie üblich gemischt: Teilweise waren Polizisten sehr
ruppig, teilweise formal korrekt und teilweise haben sich einzelne
Polizisten bei mir für Festnahme und Gefangennahme entschuldigt. Ich war 3
1/2 Stunden rechtswidrig gefangengenommen worden.

Der inkriminierte Satz der Rede war: "Ich fordere die Soldaten der
Bundeswehr, die demnächst ihren Dienst in den AWACS-Flugzeugen tun müssen,
dazu auf den Kriegsdienst zu verweigern oder zu desertieren."

Bzgl. der Bundeswehrsoldaten der ABC-Abwehreinheiten in Kuwait habe ich
i.Ü. dazu aufgerufen, dass sie sich heimschicken lassen sollen, wie das
eine ganze Reihe von tschechischen Soldaten der gleichen Einheit gemacht
haben bzw. den Kriegsdienst zu verweigern. (In ersten Meldungen hieß es
fälschlich, ich hätte die ABC-Abwehr-Soldaten zur Desertion aufgerufen.)

Die politische Bewertung der Verhaftung: - Offensichtlich ist eine Kritik
an der deutschen Kriegs(unterstützungs)politik nicht opportun. - Es
handelt sich hier um ein völlig sinnloses politisches Verfahren, die
verantwortliche Stelle für die Festnahme (wer ist das?) will wohl die
Artikulation von Positionen und Analysen verhindern, die nicht in den Kram
passen. - In Bayern und in München gibt es immer wieder eine äußerst
großzügige Auslegung der Rechtslage - Ein Freispruch in dieser Sache ist
so sicher wie das Amen in der Kirche

Weitere Desertionsaufrufe werde ich nicht machen, das können nun andere,
gerne mit Bezug auf meine Münchener Rede, tun - so wie z.B.
erfreulicherweise Konstantin Wecker auf der Abschlußkundgebung. Ich
verweise in diesem Zusammenhang auch auf weitere bisher nicht
inkriminierte Desertionsaufrufe, an denen ich mich schon beteiligt hatte.
Ich will mich nun der Aufgabe widmen, weiter gegen den geplanten Irakkrieg
zu arbeiten und die deutsche Rolle im Irakkrieg und die neue (angebliche?)
deutsch-französische Initiative zu analysieren und zu bewerten."


Rückfragen direkt bei Tobias Pflüger: 0174-7650483

Die frei gehaltene Rede wird sobald als möglich auch schriftlich verfügbar
gemacht.

Falls die Rede jemand mitgeschnitten hat, bitte bei IMI
(  IMI@imi-online.de ) melden oder sie dorthin schicken


Tobias Pflüger will auf diesem Wege ganz herzlichen Dank sagen - an die
unbekannte Person, die die Festnahme beobachtet und weitergemeldet hat, -
an den Ermittlungsausschuss, der Rechtsschutz und eine anwaltschaftliche
Vertretung organisierte, - an Rechtsanwalt Hartmut Wächtler, der durch
sein engagiertes Auftreten eine weitere rechtswidrige "Inge-wahrsamnahme"
sprich Gefängnisnahme über Nacht verhinderte, - an die Organisator/inn/en
der Demonstration für das Öffentlichmachen der rechtswidrigen Festnahme
und ihre solidarische Unterstützung, - an Konstantin Wecker, der durch
seine Wiederholung des Satzes auf der Abschlusskundgebung und seine
Aktion, mit der er dafür sorgte, dass die gesamte Demonstration den
inkriminierten Satz wiederholte, noch mal deutlich machte, dass der Satz
von den Demonstrationsteilnehmer/innen mitgetragen wird und - an all die
anderen, die solidarisch auf diese Repression reagierten.

(1) Die Rechtslage basiert auf - dem Grundgesetz Artikel 26.1.
("Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das
friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung
eines Angriffskrieges vorzu-bereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind
unter Strafe zu stellen."), - dem Völkerrecht und - dem Soldatengesetz
(Jeder Bundeswehrsoldat darf gemäß § 10 Absatz 4 Soldatengesetz nur
Befehle "unter Beachtung der Regeln des Völkerrechts" erteilen. Gemäß § 11
Absatz 2 Soldatengesetz darf ein Befehl nicht befolgt werden, "wenn
dadurch eine Straftat begangen würde." Dies ist bei der Beteiligung an
einem Angriffskrieg gegeben.

Die Presseerklärung als PDF-Datei:
 http://imi-online.de/download/Presseerklaerung-Festnahme-Muenchen.pdf

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STAATLICHE REPRESSION BEI DEN PROTESTEN GEGEN DIE NATO-KONFERENZ

Erklärung des Ermittlungsausschusses

Während die Proteste gegen die Sicherheitskonferenz 2002 unter dem
Schatten des über die Stadt München verhängten Ausnahmezustands standen,
waren dieses Jahr alle angemeldeten Protestversammlungen erlaubt. So gab
es dieses Jahr im Vorfeld weit weniger Pressehetze und Versuche der Stadt
München, kritische Äußerungen in städtisch finanzierten Einrichtungen zu
unterbinden. Nur die Münchner Polizei und das bayerische Innenministerium
versuchten in der vergangenen Woche, die zu erwartenden
Polizeirepressionen mit "anreisenden Gewalttätern" zu legitimieren. Auch
die Versuche von Polizei und OB Ude, die Demonstrationen in "gut" und
"böse" einzuteilen, schlugen fehl, was die über 20000 TeilnehmerInnen auf
der Versammlung des Bündnisses gegen die Nato-Sicherheitskonferenz
zeigten.

Wie bereits im Vorfeld befürchtet, bemühte sich die Münchner Polizei -
unterstützt von Einheiten aus dem gesamten Bundesgebiet - redlich, die
Proteste gegen die Nato-Sicherheitskonferenz und die dahinter stehende
Kriegspolitik zu behindern und zu kriminalisieren. Vor der Kundgebung am
Freitag Abend gab es in der ganzen Innenstadt massive Personenkontrollen.
Dabei wurden willkürlich mündliche Platzverweise entweder für die gesamte
Innenstadt oder den Marienplatz verteilt, eine schriftliche Ausführung
wurde verweigert. Begründet wurde dies mit der Aussage, die Person sei
"einschlägig bekannt", teilweise genügte es auch, in Begleitung einer
"einschlägig bekannten" Person zu sein. Für den Fall eines Verstoßes gegen
dieses Aufenthaltsverbot wurde mit der Festnahme gedroht. Konkrete
Vorwürfe konnten die Polizisten natürlich nicht angeben. Platzverweise,
deren Erteilung auf der willkürlichen Entscheidung eines Polizeibeamten
beruht, und deren Rechtmäßigkeit vor Ort auch nicht überprüft werden kann,
sind ein immer beliebteres Mittel, um Menschen an der Ausübung ihres
politischen Engagements zu hindern.

Der Höhepunkt der "präventiven" polizeilichen Maßnahmen wurde am späten
Freitag Abend erreicht, als über 300 Polizeibeamte das Convergence Center
im ehemaligen Tröpferlbad stürmten. Alle Anwesenden wurden einer
Personenkontrolle unterzogen, die Räume wurden durchsucht und
fotografiert, eine offenbar willkürliche Auswahl von 22 Personen wurde
festgenommen. Darunter war auch ein Demosanitäter, der eine kollabierte
Frau versorgen wollte, und dies der Polizei auch kenntlich machte. Mit
diesem Einsatz sollte unserer Meinung nach der Großeinsatz der Polizei
legitimiert werden. Ziel war es sicher auch, Informationen über die
Strukturen zu bekommen, die einen großen Teil der Proteste gegen die
Sicherheitskonferenz getragen haben. Womöglich sollte die Infrastruktur
der Anti-Nato-Proteste auch in der Hoffnung auf eine Schließung des
Convergence Centers geschwächt werden, was aber nur teilweise gelang. Nach
der Demonstration am Samstag Nachmittag stand das Tröpferlbad wieder als
Anlaufpunkt offen.

Insgesamt wurden am Wochenende nach unseren Informationen knapp 50
Menschen festgenommen. Am Samstag Abend waren alle wieder frei. Bei den 22
Menschen, die am Freitag im Convergence Center festgenommen wurden, hatte
die Polizei die richterliche Bestätigung des Unterbindungsgewahrsams
beantragt, der jedoch lediglich in drei Fällen bis Samstag am frühen Abend
erfolgte. Die Staatsschutzabteilung der Polizei hat mal wieder die
richterlichen Vorführungen verzögert, sie benötigte zwölf Stunden, um die
Akten dem Ermittlungsrichter im gleichen Haus vorzulegen. Ziel war
offenbar, die Betroffenen auch bei einer richterlichen Ablehnung an der
Teilnahme der Demonstration zu hindern.

Glücklicherweise gab es auf Seiten der DemonstrantInnen keine schwereren
Verletzungen. Leichte Verletzungen gab es am Samstag Nachmittag, als
USK-Beamte gegen Ende der Abschlusskundgebung am Odeonsplatz mit
Pfefferspray und Schlagstöcken gegen DemonstrantInnen vorgingen, die
aufgrund enger Platzverhältnisse gegen eine Polizeikette gedrängt wurden.
Unseres Wissens nach musste aber niemand in Krankenhäusern versorgt
werden.

Insgesamt können wir feststellen, dass die Polizei ihre Repression gegen
oppositionelle Aktivitäten immer mehr in den "präventiven" Bereich
verlagert. Festgenommen und kriminalisiert wird immer häufiger nicht
aufgrund individueller Tatvorwürfe, sondern aufgrund nicht nachprüfbarer
angeblicher "polizeilicher Erkenntnisse", Einträgen in Polizeidateien (die
nicht zuletzt bei Polizeiaktionen wie im Convergence Center entstehen) und
letztendlich auch der individuellen Willkür der ausführenden Beamten.

Betroffene von staatlicher Repression an diesem Wochenende können sich für
weitere Unterstützung bei der Roten Hilfe melden (siehe unten).

Ermittlungsausschuss der Roten Hilfe München
9. Februar 2003

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gipfelsoli infogruppe

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11.02.2003
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