Berlin - Köpenick: Abschiebehaft ist lebensgefährlich!
PRESSEERKLÄRUNG
Berlin, 25.02.2003
ABSCHIEBEHAFT IST LEBENSGEFÄHRLICH!
Nach mehr als vier Wochen Hungerstreik und 14 dokumentierten Selbstverletzungen
und 16 dokumentierten Suizidversuchen (darunter Mehrfachverletzungen) im
Abschiebegefängnis Berlin-Köpenick auch weiterhin keine Verbesserungen der
Situation für die Gefangenen.
Seit Beginn des Hungerstreiks am 20. Januar ist das Abschiebegefängnis mit
seinen inhumanen Haftbedingungen in den Blick der Öffentlichkeit geraten. Hat
sich seitdem etwas für die Gefangenen geändert?
* Auf die Hauptforderung der Hungerstreikenden gegen die unverhältnismäßig lange
Haftdauer wurde von den Verantwortlichen nicht eingegangen.
Zu einer Entlassung von Langzeithäftlingen ist die Innenverwaltung nicht bereit.
Nach wie vor werden Menschen inhaftiert und bleiben in Haft, deren Abschiebung
in absehbarer Zeit nicht möglich ist. Nach wie vor wird die Abschiebehaft von
der Ausländerbehörde als Zwangsmittel eingesetzt.
* Die Zusagen der Gefangnisleitung und der Vertreter des Senates für Inneres zur
Verbesserung der Haftbedingungen wurden nicht umgesetzt.
Die Trennscheiben in den Besucherräumen sind weiterhin vorhanden, die
hygienischen Zustände für die Häftlinge wurden nicht verbessert.
* Der Protestbrief der inhaftierten Frauen führte zu einer aggressiveren
Behandlung durch das von ihnen kritisierte Wachpersonal.
Unter den Gefangenen sind physisch und psychisch Kranke, Suizidgefährdete,
Schwangere, Behinderte und Minderjährige. Alle diese Menschen sind haftunfähig!
Das Leben in Gefangenschaft mit ungewisser Dauer, mangelnde medizinische und
fehlende psychologische Betreuung, die Haftbedingungen an sich und die drohende
Abschiebung destabilisieren und bringen die Menschen in psychische
Krisensituationen. Die Erkenntnis, dass die Proteste zwar gehört wurden, für die
Gefangenen aber keine realen Verbesserungen gebracht haben nimmt den Gefangenen
die letzte Hoffnung. Diese Ausweglosigkeit erklärt die höchste Zahl von
Suizidversuchen und Selbstverletzungen, die in einem Zeitraum von vier Wochen in
einem Abschiebegefängnis je bekannt geworden ist. Allein in den letzten drei
Tagen gab es sechs Erhängungsversuche und eine Schnittverletzung!
Die Gefangenen sind entschlossen, ihren Protest gegen die Haftbedingungen in
Köpenick fortzusetzen. Es ist zu befürchten, dass Hungerstreiks, Suizidversuche
und Selbstverletzungen nicht abreißen werden.
Der Protest der Gefangenen richtet sich gegen:
LANGE BEARBEITUNGSZEITEN
LANGE HAFTDAUER
UNGENÜGENDE MEDIZINISCHE VERSORGUNG
SCHLECHTE BEHANDLUNG DURCH DAS GEFÄNGNISPERSONAL
Zwei Beispiele
Ein junger Russe, der in seine Heimat zurückkehren wollte, war psychisch in
einem sehr schlechten Zustand, kündigte einen Suizid an und kam daher in die
Isolierzelle. Am 10. Februar hängte er sich an Stoffstreifen auf, kam auf die
Intensivstation des Köpenicker Krankenhauses und musste fünf Tage lang künstlich
beatmet werden. Er befindet sich mit einer Lungenentzündung zur Zeit immer noch
in stationärer Behandlung.
Ein Russe aus Tschetschenien begann bereits am 2. Januar 2003 mit einem
unbefristeten Hungerstreik. Er schnitt sich am 22. Januar in den Bauch. Nach
12-tägigem Aufenthalt im Haftkrankenhaus kam er zurück in das
Abschiebegefängnis. Als der Gefangene Mitte Februar erneut ankündigt, sich
umzubringen, wurde er in einer Einzelzelle isoliert. Hier schlug er solange
seinen Kopf auf eine Tischplatte, bis die Haut platzte. Erst daraufhin wurde er
schließlich entlassen.
Die Antirassistische Initiative und die Initiative gegen Abschiebehaft fordern:
FREILASSUNG ALLER GEFANGENEN IN DEN ABSCHIEBEGEFÄNGNISSEN!
AUFHEBUNG ALLER SONDERGESETZE FÜR MIGRANTINNEN UND FLÜCHTLINGE!
FÜR FREIZÜGIGKEIT UND SELBSTBESTIMMUNG ÜBERALL!
ABSCHIEBEHAFT ABSCHAFFEN! ABSCHIEBUNGEN BEENDEN!
Für Rückfragen wenden Sie sich an die Antirassistische Initiative: 030 - 785 7281 - ari-berlin@gmx.de - http://www.berlinet.de/ari
Für Hintergrundinformationen: http://www.abschiebehaft.de
Initiative gegen Abschiebehaft Berlin: Initiative-gegen-Abschiebehaft@gmx.net
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