Berlin: Der 3. Tag im Weinrich-Prozess
Überraschung im Weinrich-Prozeß
Kronzeugin Kopp aus dem Verfahren gekippt
Das hatte sich Oberstaatsanwalt Mehlis anders vorgestellt: Magdalena Kopp,
die Ex-Gefährtin des Angeklagten Weinrich und Ehefrau von Illich Ramirez
Sanchez ("Carlos") spielt in dem Verfahren vor dem Berliner Landgericht
vorerst keine Rolle mehr. Die Zeugin der Anklage hatte Weinrich schwer
belastet. Ihm wird vorgeworfen, als Mitglied der "Organisation
Internationaler Revolutionäre", besser bekannt als "Carlos-Gruppe", an sechs
Bombenanschlägen in Frankreich, Deutschland und Griechenland zwischen 1975
und 1983 maßgeblich beteiligt gewesen zu sein. Dabei stützt sich die Anklage
vor allem auf die Kopp'schen Aussagen und eine Reihe von Dokumenten der
Staatssicherheitsdienste der DDR und Ungarns.
Frau Kopp hatte als "Aussteigerin" der Carlos-Gruppe 1995 vor der Berliner
Staatsanwaltschaft umfangreiche Aussagen gemacht, die sie 1996 bei einer
richterlichen Vernehmung an ihrem Wohnsitz Neu-Ulm fast wortgleich
bestätigte. Da sie vor einer Woche als geladene Zeugin vor Gericht von
ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machte, durften die
staatsanwaltlichen Aussagen nicht ins Verfahren eingeführt werden. Blieb
noch die richterliche Vernehmung. In einem Beschluß auf Antrag der
Verteidigung hat nun die 35. Große Strafkammer verkündet, daß diese
Vernehmung einem Verwertungsverbot unterliege, da die Verteidigung
seinerzeit von den Vernehmungen nicht benachrichtigt wurde. Die damalige
Begründung von Staatsanwalt Mehlis, mit einer Benachrichtigung der
Verteidiger wäre der Untersuchungserfolg gefährdet, wertete die Kammer als
"nicht nachvollziehbar".
Sollte Staatsanwalt Mehlis nun keinen Druck auf Frau Kopp ausüben, doch noch
mündlich auszusagen, ist sie raus aus dem Verfahren.
In einem zweiten Beschluß nahm die Strafkammer zu einem weiteren,
umfangreichen Antrag der Verteidigung Stellung. Verteidiger Elfferding hatte
Widerspruch gegen die Einführung der geheimdienstlichen Unterlagen erhoben,
da deren Zustandekommen weder ungarischem noch DDR-Recht entspreche und der
Strafprozessordnung zuwiderlaufe. Zusätzlich würden Grundrechte seines
Mandanten verletzt.
Weinrich wurde im Jahr 2000 bereits wegen des Bombenanschlags auf das Maison
de France 1983 für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt. In
jenem Verfahren spielten geheimdienstliche Unterlagen ebenfalls eine
zentrale Rolle.
Die Kammer beschloß mit ausdrücklichem Verweis auf dieses Verfahren die
Zulässigkeit jener Akten, ließ jedoch keinen Zweifel daran, daß dieser
Beschluß "vorläufig" sei und jedes Dokument einer "strengen Prüfung" auf
seine Verwertbarkeit unterzogen werde.
Am kommenden Verhandlungstag ist der ehemalige Mitarbeiter der
Staatssicherheit und Mitangeklagte im Maison de France-Verfahren,
Borostowski als Zeuge geladen.
Nächster Verhandlungstermin: Mittwoch, 26. 03., 9.30 Uhr, Turmstr. 91, Saal
500.
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