Berlin: 125. Prozesstag: Insider-Wissen aus der Tageszeitung
125. Prozesstag: Insider-Wissen aus der Tageszeitung
Um 14.03 Uhr begann die heutige Hauptverhandlung, von der von vorneherein feststand, dass sie eine kurze Sache werden würde. Nach 17 Minuten war dann auch für heute Schluss und dieser "Zwischentermin" vorbei, durch den die Verfahrensbeteiligten – trotz Zehn-Tages-Frist, die ein Strafverfahren in der Regel maximal unterbrochen werden darf – ihre Osterferien ein wenig ausweiten konnten. Was – nur am Rande - exzessiv von den Sitzungsvertretern des Generalbundesanwalt genutzt wurde, die heute ein neues Gesicht aufboten, das allerdings namenlos blieb.
Bestritten wurde der Verhandlungstag mit der Verlesung von sieben Zeitungsartikeln über den Sprengstoffanschlag am 16.1.1991 auf die Victoria-Figur auf der Berliner Siegessäule, die im Volksmund auch Goldelse genannt wird. Bereits einmal wurde in der Hauptverhandlung hierzu ein Artikel aus dem Berliner Boulevardblatt "B.Z." verlesen. Heute wurde auf Antrag der Verteidigung von Matthias B. nachgelegt, um erneut zu beweisen, dass das angebliche Insider-Wissen des Kronzeugen Tarek Mousli nicht über die Darstellungen und Detailtreue dieser Presseberichte hinausgeht, sondern vielmehr deckungsgleich mit ihnen ist.
Der Anschlag der "Revolutionären Zellen" auf die Siegessäule, bei dem lediglich geringer Sachschaden entstand, war am 17.1.1991 allen Hauptstadt-Zeitungen eine Meldung wert: "Sprengstoffanschlag auf Goldelse" war eine ent=
sprechende Kurzmeldung in der "Berliner Morgenpost" überschrieben, ein längerer Artikel in der gleichen Ausgabe erschien mit der Überschrift "Goldelse: Bombe unterm Rock, aber sie blieb standhaft" (im Text u.a.: gefunden wurden "elektrische Sprengkapseln, Batterien und Weckerteile"). Die "Bild" schlagzeilte: "Ohrenbetäubender Knall. Bombe auf 'Goldelse' explodierte 40 Minuten zu früh" (im Text u.a.: "Sicher ist nur: sie (die RZ) müss=
en im Besitz eines Nachschlüssels gewesen sein") und in der "tageszeitung" war zu lesen: "Anschlag auf Goldelse. Erster Anschlag im Zusammenhang mit der Golfkrise" (im Text u.a.: "eine Stütze nur leicht beschädigt"). Die Welt brachte die Nachricht am gleichen Tag unter der Überschrift "Terroranschlag in Berlin".
Am 19.1.1991 legte dann die "Berliner Morgenpost" noch einmal mit einem Artikel nach, in dem hauptsächlich auf den entstandenen Sachschaden und die Folgen für die Standfestigkeit der Victoria eingegangen wurde (im Text u.a. "zwei Sprengsätze von drei Kilogramm" waren verwendet worden). Dass die Reparaturbemühungen des Bezirks Berlin-Tiergarten womöglich mehr Schäden versucht hatten als der Anschlag der RZ, konnte einem Artikel der "Frankfurter Rundschau" vom 5.2.1991 entnommen werden. Unter der Überschrift "Die Affäre um 'Goldelse' ist Berlin besonders peinlich" war zudem zu lesen, dass nicht mehr feststellbar sei, ob der ursprüngliche Schaden durch den Sprengstoffanschlag verursacht wurde oder die Halterung nicht schon seit dem Krieg derart beschädigt sei.
Der Prozess wird am 8. Mai, um 9.15 Uhr fortgesetzt. Der Verhandlungstag am 9. Mai wurde aufgehoben. Ein ausführlicherer Bericht entfällt.
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