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Hannover: Flugblatt des "Anti-Hartz Bündnis Hannover/ Klassenkampf Jetzt!"

Liebe Freunde und GenossInnen!

Hiermit übersenden wir Euch das erste Flugblatt des "Anti-Hartz Bündnis
Hannover/ Klassenkampf Jetzt!" in dem auch die Antifaschistische Aktion
Hannover [AAH] aktiv ist.


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Schluss mit dem sozialen Kahlschlag!

Im Dezember letzten Jahres verabschiedete der Bundestag in aller Eile den
ersten Teil eines Gesetzespakets zur Umsetzung der Vorschläge der Hartz-
Kommission. Zuvor hatte eine 15-köpfige von der Bundesregierung benannte
Kommission einen Bericht mit dem Titel: "Modernere Dienstleistung am
Arbeitsmarkt" vorgelegt. Arbeitslose waren weder geladen noch erwünscht. Die
ersten Gesetze dieses Pakets traten bzw. treten am 1.April bzw. ab dem 1. Juli
2003 in Kraft. Dem verabschiedeten Gesetzespaket soll ein zweiter Teil folgen,
der der Zustimmung des Bundesrats bedarf.

Bei dieser Umstrukturierung handelt es sich um einen umfassenden Angriff gegen
alle, die ihre Arbeitskraft zu Markte tragen müssen, unabhängig davon, ob sie
zur Zeit einen Arbeitsplatz haben oder nicht. Die Arbeitslosenstatistik soll
bereinigt, die Löhne gesenkt und erkämpfte Rechte, wie der Kündigungsschutz,
unterlaufen werden. Durch die im Hartz-Paket beschlossenen Maßnahmen sollen
Beutelschneiderei und eine Umverteilung von Unten nach Oben durchgeführt
werden.

Her(t)zstück der Vorschläge sind die sog. Personal-Service-Agenturen (PSA).
Die Job-Center schließen Verträge mit Leiharbeitsfirmen, oder gründen selbst
welche. Arbeitslose werden genötigt, Jobs von Leiharbeitsfirmen anzunehmen,
andernfalls wird das Arbeitslosengeld gekürzt. Zunächst werden die
Arbeitnehmer-Innen bis zu 6 Monate (Probe-zeit) zum Ar-beitslosengeld
beschäftigt, da-nach gelten extra mit den Gewerk-schaften aus-gehandelte Tarif-
verträge. Ungelernte er-halten demnach einen Tariflohn von 6,85 Euro. Der
Kündigungs-schutz entfällt. Ob und wie viel das Unternehmen der PSA für die
Beschäftigung der LeiharbeiterInnen zahlt ist Verhandlungssache zwischen der
PSA und dem Unternehmen. PSA bedeutet also staatlich verordnetes Lohn-Dumping
und Verdrängung von regulären Arbeitsverhältnissen. In großen Firmen wie Conti
werden im gleichen Zuge ArbeitnehmerInnen gekündigt und LeiharbeiterInnen
angestellt. Dies drückt die Löhne und zerstört den Zusammenhalt der
Belegschaft. Der Aushebelung von gewerkschaftlicher Organisierung wird
Vorschub geleistet. Dafür sorgen allerdings auch bereits die Gewerkschaften
selbst. Nicht nur, dass sie mit ihren Vertreter-Innen Kunkel-Weber (Verdi) und
Gasse (IG-Metall) eifrig die Hartz-Vorschläge mit ausarbeite-ten. Sie sorgten
mit dem Tarifabschluss auch dafür, dass für Leiharbeit die entsprechenden
Billiglöhne bezahlt werden. Wäre kein Tarifabschluss zwischen Leiharbeits-
firmen und Gewerkschaften zustande gekommen, hätte das Gesetz gleichen Lohn
für gleiche Arbeit vorgesehen. Dabei sind die Gewerkschaftsspitzen weder von
ihrer Basis noch von den Betroffenen zur Aushandlung dieser Tarifverträge
legitimiert worden. Dementsprechend fanden die Tarifverhandlungen auch im
Geheimen statt. Beschäftigte sind zukünftig bereits bei drohender
Arbeitslosigkeit mit den Repressionsinstrumenten des Arbeitsamtes
konfrontiert. Melden ArbeitnehmerInnen sich ab 1.7.03 nicht direkt nach Erhalt
der Kündigung beim Arbeitsamt, also Monate vor Eintritt in die
Arbeitslosigkeit, werden die Leistungen drastisch gekürzt.

Die Zumutbarkeitsregelung wird verschärft und die Beweispflicht umgekehrt:
Arbeitslose müssen sich im gesamten Bundesgebiet bewerben und auch für einen
befristeten Arbeitsvertrag von Flensburg nach Ulm ziehen. Was zumutbar ist
entscheidet künftig der Fallmanager des Job-Center. Hält ein/e Arbeitslose/r
einen Job für nicht zumutbar, muss er/sie dies vor dem Sozialgericht
einklagen. Zwang zur Mobilität, weniger Lohn, Unter- bzw. Runterqualifizierung
und die Pflicht zur Zeit- / Leiharbeit kennzeichnen die neue Zumutbarkeit.
Dadurch werden zwar keine neuen Arbeitsplätze geschaffen. Das Vorurteil: „ Wer
Arbeit will, der kriegt auch welche,“ wird zementiert. Arbeitslosen- und
Sozialhilfe sollen zusammengelegt werden. Arbeits-losenhilfe (Arbeitslosengeld
II) gibt es dann nur noch in Höhe der derzeitigen Sozialhilfe. Sozialgeld gibt
es nur noch für „arbeitsunfähige“ Menschen. Der ärztliche Dienst des Job-
Center stellt die sogenannte Erwerbsfähigkeit fest oder erklärt Arbeitslose
für erwerbsunfähig, um sie aus der Statistik zu löschen. Für alle
Erwerbsfähigen entfällt die ergänzende Sozialhilfe und das zusätzliche
Krankengeld bei teilweiser Erwerbsunfähigkeit.

Per Ich- und Familien AG’s werden Arbeitslose in die Scheinselbst-ständigkeit
und zu zweifelhaften Unternehmensgründungen getrieben. Die Förderung ist auf
drei Jahre beschränkt. Danach verlieren die Ich-AGler einen Großteil ihrer
erworbenen Ansprüche. Dies kann für einige wenige eine Chance sein, doch
selbst das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt
für Arbeit befürchtet dadurch eine Zunahme von "Kümmerexistenzen" , Pleiten
und Schulden.Die Grenze für geringfügig Beschäftigte wird von 325 auf 400 Euro
monatlich angehoben. Dabei werden haushaltsnahe Dienst-leistungen ( Putzjobs,
Dienstmäd-chen,... ) steuerlich begünstigt. In diesen Minijobs arbeiten
hauptsächlich Frauen, die Anhebung bedeutet keine Lohnerhöhung sondern nur
eine Ausweitung eines prekären, also nicht regulären Arbeitsverhältnisses. Für
die JobberInnen bleibt eine schlechte soziale Absicherung und eine Rente auf
Sozialgeldniveau.Durch Ausbildungszeitwertpapiere werden die Kosten für die
Ausbildung von Jugendlichen auf die Auszubildenden und ihre
Familienangehörigen abgewälzt.

Damit wird das Lehrgeld der Adenauerzeit wieder eingeführt. Bis zu 25.000 Euro
pro Ausbildung sollen zukünftig von den Betroffenen selbst aufgebracht werden.
50% der gesamten Ausbildungen sollen in den kommenden Jahren auf diese Weise
(teil-)finanziert werden. Mini-Ausbildungen ergänzen die Palette durch gering
qualifizierende Ausbildungen. Mini-Ausbildungen sind nur günstig für
ArbeitgeberInnen. Sie kosten wenig, machen ArbeitnehmerInnen schnell
verfügbar, vor allem für Mini-Jobs und Mini-Löhne.

Das Hartz-Konzept ist nur Teil eines Angriffs auf die sozialen
Errungenschaften der ArbeiterInnenklasse. Es geht Hand in Hand mit Angriffen
auf den Kündigungsschutz, die paritätische Finanzierung der
Sozialversicherungen, die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, massiven
Einschnitten im Gesundheitssystem und Versuchen die Lebensarbeitszeit zu
verlängern und damit implizit die Renten zu kürzen.

Arbeitsplätze bringt dies alles nicht.

Es ist zynisch und menschenverachtend bei einer offiziellen Arbeitslosenzahl
von 4,7 Millionen und 120.000 fehlender Ausbildungsplätze so zu tun, als
müssten Arbeitslose nur besser motiviert, das heißt sanktioniert werden, um
das Problem der Arbeitslosigkeit zu lösen.
Die Sozialkassen werden durch diese beschriebenen Maßnahmen nicht entlastet
sondern im Gegenteil belastet. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet
(18.12.2002) entstehen etwa 500 Mill. Euro Steuerausfälle, weitere 500 Mill.
Euro fehlen bei Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung. Einzelne Experten
veranschlagen die Summe noch höher. Nach Angaben des Instituts für die Zukunft
der Arbeit (IZA) könnten bis zu 2 Mrd. Euro fehlen.

Der Bundesregierung und den Unternehmen geht es im wesentlichen darum, ihre
Haushalte auf unsere Kosten zu sanieren, den Druck auf Arbeitslose und damit
auch auf die Beschäftigten zu erhöhen und gesellschaftliche Tabus zu brechen.
Neben dem immer weiter vorangetriebenen Ausstieg aus der paritätischen
Beitragsfinanzierung und der Selbstfinanzierung von Ausbildungsplätzen etc.,
werden auch prekäre Beschäftigungsverhältnisse hoffähig gemacht. So meint der
Geschäftsführer der Zeitarbeitsfirma Manpower Toni Vomfell, dass die neuen
Gesetze vorteilhaft für das Image der Zeitarbeitsfirmen seien: "Wir sind
positiv ins Gerede gekommen". Das ist ein Frontalangriff auf uns alle!

Allerdings verläuft die Umsetzung der neuen Gesetze durchaus nicht so
reibungslos, wie Bundesregierung und Unternehmen das gerne hätten. Die
flächendeckende Einführung der Personal Service Agenturen wurde um 3 Monate
auf den 1. Juli verschoben. Ob und wie weit sie mit ihren Schweinereien
durchkommen, hängt letzten Endes von unserer gemeinsamen und entschlossenen
Gegenwehr ab.

Die Tarifverhandlungen mussten auf Grund von Protesten verschoben werden und
im Geheimen stattfinden.
Die SPD – Führung ist genötigt einen Sonderparteitag durchzuführen um ihre
Parteimitglieder auf Linie zu bringen. Zudem regt sich in der IG-Metall unter
dem Motto "Lieber Hartliner als Weicheier" ein gewisser Widerstand.

Das Anti-Hartz Bündnis Hannover – Klassenkampf jetzt ! ist ein Zusammenschluss
von kritischen GewerkschafterInnen, erbosten Arbeitslosen, prekär
Beschäftigten und politischen und sozialen Gruppen und Initiativen.

Wir lehnen die Hartz- Gesetze ab und fordern ihre Rücknahme. Sie bekämpfen
nicht die Arbeitslosigkeit, sondern die Arbeitslosen. Wir glauben ihren
Versprechungen nicht und lassen uns nicht die Schuld in die Schuhe
schieben.Wir wehren uns gegen Dumping-Löhne, die Aushöhlung unserer Rechte und
soziale Ausgrenzung.Wir halten ein regionales Bündnis all derjenigen für
notwendig, die sich gegen die Hartz-Gesetze, den Abbau im Gesundheitswesen,
die Aufhebung des Kündigungsschutzes etc. wehren. Wir wollen die Betroffenen
informieren und in Aktionen einbeziehen. Wir lassen uns nicht durch diejenigen
überrumpeln, die Gesetze im Schnellverfahren durchpeitschen und
sozialpartnerschaftlich begleiten.

Wir streben gemeinsame Aktionen mit den anderen Anti-Hartz-Bündnissen an, die
sich im Bundesgebiet gegründet haben. Mittelfristig fordern wir: 30 Std./5
Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich und ohne Flexibilisierung.

Klassenkampf statt Bündnis für Arbeit!


Anti-Hartz Bündnis/ Klassenkampf jetzt!
Antifaschistische Aktion Hannover, Antifa AG der Uni Hannover, KPD Hannover
und Einzelpersonen.

www.antifa-hannover.de

 

29.04.2003
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