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Berlin: 126. Prozesstag | Ich mache nur meine Arbeit,.... keine Gedanken (ausführlicher Bericht)

Zwei Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA) waren heute die Hauptdarsteller in der 126.
Folge der Seriengroteske des Kammergerichtes. Der EDV-Fachmann hielt einen
verständlichen und mit Dias begleiteten Vortrag über seine Arbeit als Programmierer,
besonders über die Verwendung des Microsoft-Produktes 'Access' in der
Überwachungsarbeit. Der zweite Beamte unternahm Anfang 2001 eine Dienstreise nach
Berlin und heftete sich für drei bis vier Tage auf die Spur von angeblich drei konspirativen
Wohnungen der RZ, ohne so richtigen Erfolg.

Im Prinzip gut durchdacht...
Das habe er alles programmiert, behauptete KHK Hartwich Seibert, 42, vom BKA in
Meckenheim. Die Ermittler könnten zwar ihre Wünsche äußern, aber er habe die Datenbank
für die systematische Erfassung der diversen Telefonüberwachungen zu diesem Verfahren
eingerichtet. Es folgte ein eloquenter Sachvortrag über die praktische Anwendung der
Software Access, primäre und sekundäre Kennzeichen, ID-Nummern, Sortierkriterien, Optik
und Eingabefelder, Katalogmerkmale und Telefonüberwachungsnummern. Eines konnte er
klar zusichern, dass jeder eingegebene Datensatz eine eineindeutige ID-Nummer erhält.
Somit sei selbst eine spätere Löschung durch die dann fehlenden Nummern in der
Reihenfolge erkennbar. Allerdings wären damals die Überwachungsmitschnitte auf
Kassetten erfolgt und danach manuell als Datensatz in die Datenbank eingegeben worden.
Eine Garantie für die Vollständigkeit und die korrekten Eingaben könne das Programm
deshalb nicht geben.

..aber schlecht gemacht!
Nach intensivem Befragen der Verteidigung musste der Fachmann allerdings einige
deutliche Unzulänglichkeiten bei der praktischen Anwendung konstatieren. So wurde
wiederholt auf ein und demselben Tonband der Zählerstand Null für den Beginn ganz
verschiedener Mitschnitte angegeben. Bei anderen Datensätzen war das Aktenzeichen
unvollständig oder fehlte ganz, es fehlte z.T. das Datum oder der Name des
Gesprächsteilnehmers und einige waren offenbar völlig unzutreffenden
Überwachungsmaßnahmen zugeordnet worden. Viele Eingaben wären unlogisch,
unvollständig und offensichtlich nicht zutreffend. Er wäre allerdings nur als Programmierer
hier tätig gewesen, hätte keinen Einfluss auf die konkrete Dateneingabe und deren
Verarbeitung gehabt. Er regte die Befragung seiner daran beteiligten KollegInnen an.
Sofort eilte die BAW zu Hilfe und erklärte die offenkundige Lückenhaftigkeit des Materials als
Ergebnis zufälligen menschlichen Versagens durch schlecht geschulte Beamte. Außerdem
wollte er die Datenerfassung von Abhörmaßnahmen eher auf ein internes Arbeitsmittel
reduzieren, bei dem Genauigkeit ja dann keine so große Rolle mehr spielen würde. Auch
Richter Alban warf sich schützend vor das BKA, ..."Fehler könnten ja nun mal überall
vorkommen". Aber auf wessen Gehaltsliste dieser Richter steht ist für aufmerksame
ProzessbeobachterInnen ohnehin ein offenes Geheimnis. Nach mittelschweren cholerischen
Anfällen des BAW Bruns und des Verteidigers Eisenberg ordnete die zunehmend
desinteressiert wirkende Richterin eine zeitliche Knautschzone an.
Abschließend ließ der Zeuge keinen Zweifel, dass die Datenbank eine chronologisch
nachvollziehbare und protokollarisch vollständige Auswertung ermöglichen sollte. Bei der
vorliegenden praktischen Handhabung sei dies allerdings nicht möglich.

Herr Mousli hat gesagt...
Uwe Igelmund, 33jähriger Polizist beim BKA, wiederholt bei dieser Veranstaltung vorstellig,
berichtete über seine Ermittlungsarbeit zu konspirativen Wohnungen in Kreuzberg.
Ausgangspunkt dafür seien allein die Aussagen des Kronzeugen Mousli gewesen. Er hätte
die Existenz zwei solcher Orte (Oranienplatz 14 und Hagelberger/Großbeerenstr) behauptet
und eine dritte Wohnung in einem Mietshaus der Oranienstr., die der RZ angeblich von
Wolfgang B. zwischen 1985 und 1990 überlassen worden sei. Nachdem im Melderegister der
Name des Beschuldigten unter der Hausnummer 9 gefunden worden sei, hätten sich die
weiteren Ermittlungen automatisch allein auf diesen Aufgang beschränkt. Nach Fotovorlage
hätten sich aber keine der befragten MieterInnen jener Zeit an die RZ-Mitglieder 'Jon' und
'Judith' erinnern können, die nach Aussage des Kronzeugen dort wohnhaft gewesen sein
sollen. Ein Foto des denunzierten angeblichen Wohnungsgebers wurde erst gar nicht
vorgelegt. Mann hätte sich ganz und gar auf die Aussagen des Kronzeugen konzentriert, so
der Polizist. Die weitere Befragung des zeugen ergab, dass zwischen 1987 und 1989 in
diesem Haus umfangreiche Sanierungsarbeiten durchgeführt worden, die eine zumindest
zeitweilige Bewohnbarkeit ausgeschlossen hätten. Weiterhin wäre eine Familie im
Melderegister ebenfalls für einen Teilzeitraum in derselben Wohnung gemeldet gewesen.
Der Polizist musste auch einräumen, dass der angebliche 'Wohnungsgeber' Wolfgang B. erst
ab November 1989 dort polizeilich gemeldet gewesen wäre, also fast am Ende des
krongezeugten Zeitraumes. Dahingegen hatte Mousli z.B. behauptet, bereits 1987 sei in
dieser Wohnung der Sprengstoff für den Anschlag auf die ZSA fabriziert worden. Auch
wusste der Ermittler keinen Grund, warum ausgerechnet von diesem Haus dem Kronzeugen
keine Fotos zur besseren Wiedererkennung vorgelegt worden sind, wie bei allen anderen
inkriminierten Objekten. Auch konnte der Zeuge keine Erklärung dafür liefern, warum der
Kronzeuge mit diesen doch stark von seinen Aussagen abweichenden
Ermittlungsergebnissen nicht Konfrontiert wurde, so z.B. kein Ortstermin durchgeführt
worden sei.


..auch wenn es nicht stimmen kann!

Der weitere Umgang mit seinen Ergebnissen sei ihm nicht bekannt, auch den ursprünglichen
Auftraggeber für diese Aktivitäten konnte er nur in dem Generalbundesanwalt ganz allgemein
mutmaßen. Er kenne auch nicht den Anlass, warum die Ermittlungen erst über ein Jahr nach
den Aussagen des Kronzeugen begonnen hätten, genauso wenig, warum seine
widersprechenden Erkenntnisse nicht weiter ausermittelt wurden, z.B. die ausstehende
Befragung damals nicht angetroffener HausbewohnerInnen. Die Gründe für die fast
zweijährige verspätete und erst von der Verteidigung erzwungene Einführung seines
Vermerkes vom 10.04.01 in den Prozess will er nicht kennen. Er habe auf alle Fälle damals
den Inhalt Bundesanwalt Griesbaum vorgetragen, der aber nichts weiter veranlasst hätte.
Der Zeuge selber will keine weiteren Ermittlungen angestellt haben und anschließend sofort
den Arbeitsbereich gewechselt haben. Und selbst das stimmt nicht, denn die gut vorbereitete
Anwältin Studzinsky hielt ihm noch einen weiteren Vermerk aus dem Mai 2001 vor.....

Ein Fazit
So ermöglichte die konsequente Zeugenbefragung durch der VerteidigerInnen heute wieder
einen guten Einblick in die grundsätzlich fragwürdige Ermittlungsarbeit des BKA und der
BAW in diesem Verfahren. Die teilnahmslos wirkende Vorsitzende Richterin Henning hat
ganz offensichtlich schon seit Monaten mit dem Fall abgeschlossen. Ihre
Zeugenvernehmungen reichen über die Nennung des Namens und der ladungsfähigen
Anschrift der Zeugen selten deutlich hinaus. Selbst für ihre gelangweilte, sonst stereotype
Aussageaufforderung: "Nun erzählen sie mal!" mangelt es ihr inzwischen fast an Motivation.
Folgerichtig ihre Absage des nächsten Verhandlungstages. Weiter so geht es also erst am
16.05.03, wie gewohnt zur Kammerstunde.

 

13.05.2003
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