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Schweiz: Rechtliche Tips und Infos für DemonstrantInnen

Gipfelinfo - Meldungen über globalisierte Solidarität
und die Proteste gegen unsolidarische Globalisierung
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Dieses Faltblatt beinhaltet rechtliche Infos für DemonstrantInnen und einige
sehr nützliche Ratschläge vor einer Demo oder Aktion. Es handelt sich nicht um
absolute Regeln aber wir hoffen dass sie Ihnen helfen werden mit der erwarteten
massiven polizeilichen Repression besser fertig zu werden.

Antirep Permanence

Die Antirep Permanence existiert um ALLE DemonstrantInnen zu verteidigen.
Sie besteht aus zwei Strukturen:
-ein Antirep-Telefon das die Anrufe der festgenommenen Personen und diejenigen
der ZeugInnen der Verhaftungen entgegennimmt. Diese Linie wird ab Mittwoch 28.
Mai bis zum nächsten Mittwoch 04. Juni ohne Unterbruch in Betrieb sein.
-eine Permanence wo ZeugInnen und Opfer von übergriffen aussagen können. Sie
befindet sich in der Maison des Associations (rue des Savoises). Wenn Sie nicht
kommen können, sage n Sie schriftlich aus.

Damit diese Struktur funktionieren kann, ist es wichtig dass gewisse Regeln
beachtet werden. Die AnruferInnen geben ihren Namen, Vornamen, Nationalität,
Geburtstag und den Tatort an. Wenn eine Person aus der Haft entlassen wird,
informiert sie sofort Antirep. Wenn Sie mehrere sind, machen Sie eine Liste mit
den Namen und nur einen einzigen Anruf.

Telefonnummer von Antirep Genf: 022. 329.20.69 oder 022.329.20.70 oder 079.463.17.89

Einige Ratschläge vor einer Demo

Sprechen Sie während einer Demo Ihre FreundInnen nicht mit ihrem Namen an,
ZivilpolizistInnen werden unter euch sein.
Passen Sie auf, was für Fotos Sie machen, sie könnten von der Polizei als
Beweismittel missbraucht werden.
Reisen Sie wenn möglich nicht alleine an die Demo und wieder zurück.
Im Falle einer Verhaftung, rufen Sie Ihren Namen damit MitdemonstrantInnen es
Antirep melden.
Denken Sie auch daran dass Sie sich inmitten vieler anderer Personen befinden
und dass individuelle Aktionen für diese auch Konsequenzen haben können.
Vergessen Sie nie dass der beste Augenblick für Verhaftungen das Ende einer Demo
ist!

Einreisesperren/Rückweisung an der Grenze
Werden Sie an der Grenze mit der Begründung "Einreisesperre" zurückgewiesen
oder bekommen Sie innerhalb der Schweiz ein Einreisesperre, verlangen Sie eine
schriftliche Verfügung in einer der drei Amtssprachen (D/F/I). Melden Sie sich
sofort bei Antirep, die Leute werden Sie an einEn anwältIn verweisen, damit Sie
gegen die Einreisesperre Beschwerde einreichen können (Frist beachten!).

Erste Hilfe
Eine Person pro Gruppe sollte ein Erste Hilfe Kit (Pflaster, Bandagen,
physiologisches Serum,...) dabei haben. Das physiologische Serum mit dem Sie
sich im Falle von Kontakt mit Tränengas die Augen auswaschen können Sie selber
zubereiten: 10gr. Kochsalz das Sie in einem Liter Wasser aufkochen. Wenn die
Polizei Tränengas benutzt schützen Sie Ihre Atemwege mit einem Tuch, das mit dem
Serum getränkt ist, geraten Sie nicht in Panik und gehen Sie irgendwohin wo die
Luft besser ist, rennen Sie nicht.
Im Falle eines Gebrauchs von Gummigeschossen, schauen Sie die PolizistInnen
nicht an und schützen Sie Ihre Augen.

Mitnehmen
- Ausweis (pass, ID)
- Telefonkarte
- Schreibzeug
- Kleingeld
- Gute schuhe
- Kleider die vor chemischen waffen und wasser werfern schützen
- Hut, sonnenbrille
- Tücher (gegen Tränengas)
- Angaben über deine blutgruppe
- Persönliche medikamente (Rezept)
- Tampons/Binden
- Essen und trinken

Zuhause lassen
- Agenda
- Persönliche Notizen
- Waffen
- Hash, alkohol und andere Drogen
- Haustiere
- Kontaktlinsen
- Cremes und Schminke

Ihre Rechte gegenüber der Polizei und Justiz

Polizeikontrollen
Die Uniform gilt als Legitimation. ZivilpolzistInnen müssen sich ausweisen. Die
PolizistInnen von denen Sie kontrolliert werden müssen Ihnen Ihre
Identifikationsnummer angeben.
Im öffentlichen Raum hat die Polizei die Erlaubnis jederzeit
Identitätskontrollen durchzuführen wenn minimale Kriterien erfüllt sind. Sie
müssen keinen Grund angeben. Das heisst, gehorchen und anschliessend Beschwerde
einreichen! Merken Sie sich die Gesichter.
In der Schweiz ist niemand dazu verpflichtet Papiere dabei zu haben. Das Risiko
wenn Sie keine dabei haben ist jedoch dass Sie auf den Polizeiposten zitiert
werden um Ihre Identität zu überprüfen. Sie können Ihre Identität mit einem
pass oder ID beweisen, aber auch mit dem Führerschein, einer Studentenkarte,
SBBKarte. Wenn Sie auf den Posten mitgenommen werden, müssen Sie nur Ihre
Identität beweisen. Anschliessend muss die Polizei dich laufen lassen.
Ausländer müssen aufzeigen können dass sie in einer regulären Situation leben,
über eine minimale Existenzgrundlage verfügen und eine Referenzadresse haben.

Polizeiintervention
Die Polizei muss sich darauf beschränken nur das Nötigste zu machen um die
Identität einer Person zu überprüfen oder um einen "Aufstand" zu stoppen. Das
heisst, sie hat nicht das Recht, ohne Unterschied, gegen alle zu handeln die
sich in einem öffentlichen Raum befinden. Razzien sind illegal.

Verhaftungen/festnahme/Gewahrsam
Die PolizistInnen können Sie nur auf den Posten mitnehmen wenn gewisse
Bedingungen erfüllt sind:
- Sie haben Zweifel an Ihrer Identität und Sie können sie nicht beweisen. Sie
werden Sie auf das Revier mitnehmen um sie zu überprüfen oder bei Ihrem Domizil
vorbeigehen damit Sie Ihre Papiere holen. Nach dieser Formalität müssen sie Sie
laufenlassen.
- Wenn die Situation auf der Kontrollstelle gestört wird und die Kontrolle
dadurch behindert wird
- Sie sind verhaftet
- Sie werden auf frischer Tat ertappt

Bei einer Verhaftung dürfen Handschellen nur benutzt werden wenn der/die
Verdächtige gewaltsamen Widerstand leistet, zu fliehen versucht, Drohungen
ausspricht oder wenn er/sie mit anderen Verhafteten abtransportiert wird.
Polizeilicher Gewahrsam dauert maximal 24 Stunden, anschliessend wird man einem
Polizeioffizier vorgeführt. Der Untersuchungsrichter hat dann 24 Stunden um Sie
anzuhören. Also können Sie während maximal 48 Stunden festgehalten werden.
Bei dem Erscheinen vor dem Polizeioffizier müssen Sie auf dem Anhörungsprotokoll
ankreuzen, dass Sie rechtlichen Beistand wünschen. Sie werden gratis einEn
AnwältIn bekommen.
Wenn Sie dies ablehnen, da Sie dem Staat keinerlei persönliche Infos èber Ihre
person gewähren Wollen, können Sie dennoch Einblick in Ihr Dossier oder sogar
eine Kopie davon verlangen.
Bevor Sie vor dem Polizeioffizier erschienen sind, kann IhrE AnwältIn nich
eingreifen, aber verlangen Sie dein Betreuung durch einEn AnwältIn vor der
Anhörung vor dem Untersuchungsrichter

Auf dem Polizeirevier
Sie haben das Recht einEn Angehörigen oder Ihren Arbeitgeber anzurufen, fragen
Sie ob Sie die Antirep Permanence anrufen können.
Sie haben das Recht zu schweigen, nachdem Sie Namen und Adresse preisgegeben haben.
Sie haben das Recht sofort von einem Arzt untersucht zu werden

Leibesvisitation
Frauen dürfen nur von weiblichen Beamtinnen/ärztinnen untersucht werden und
umgekehrt. Zuerst oben, dann unten, das heisst Sie sind nie ganz nackt.
Durchsuchungen im Intimbereich dürfen nur von ärztInnen durchgeführt werden. Die
Polizei hat nicht das Recht, eine Leibesvisitation wegen einer simplen Busse
oder Identitätskontrolle durchzuführen (weigern Sie sich auszuziehen und sie
werden vielleicht darauf verzichten...)

Das Recht zu Schweigen
Der Beschuldigte muss nicht aussagen. Sie haben das Recht zu schweigen (ausser
Sie seien als Zeuge vor einem Richter vereidigt). Wenn Sie reden, werden Sie
nicht freigesprochen. Es ist besser etwas länger in U-Haft zu bleiben als mehr
zu riskieren indem man zuviel spricht. Es gibt keine Amnestie für Denunzianten.
Sagen Sie nichts, auch wenn die Frage Ihnen unwichtig erscheint: ja, nein, ich
weiss es nicht sind schon Antworten. Vertrauen Sie niemals der Polizei!

Das Anhörungsprotokoll
Wenn Sie dennoch auf die Fragen der Polizei/des Richters antworten sollten, wird
das Verhör von einem/einer anderen BeamtIn protokolliert. DieseR liest Ihnen
dann die Antworten ohne die Fragen. Andere Fragen werden Ihnen gestellt, es kann
sehr schnell gehen. Zwischen jeder Frage und am Ende können Sie ergänzen. Sie
können auch schriftlich ergänzen, was die BeamtInnen nicht geschrieben haben.
Sie können sich weigern zu unterschreiben aber wenn Sie unterschreiben, tun Sie
es knapp unter dem Text.

Freilassung
Die Polizei wird eine Unterschrift verlangen, um Ihnen Ihre Sachen
zurückzugeben. Auch hier müssen Sie nichts unterschreiben.
Denken Sie auch daran Ihre Haftbedingungen und den Ort an dem Sie festgehalten
wurden Antirep mitzuteilen.

Gewalt von Seiten der Polizei
In Haft, haben Sie das Recht sofort von einem Arzt untersucht zu werden.
Verlangen Sie ein Zeugnis von ihm. Wenn Sie nicht in Haft sind und nicht in
Gefahr verhaftet zu werden, gehen Sie ins Spital um ein ärztliches Zeugnis zu
bekommen.
Machen Sie Fotos von Sich.
Melden Sie es Antirep.
Wenn Sie denken dass die Polizei Ihre Rechte missachtet hat, reichen Sie Klage
ein. Schreiben Sie der OberstaatsanwältIn oder der PolizeichefIn des Kantons in
dem Sie wohnen. Ein einfacher Brief genügt.

Auflösung einer Demo/eines "Aufstands"
Als "Aufständischer" wird bezeichnet "wer an einem Strassenauflauf teilnimmt
während dessen kollektive Gewalt an Personen oder Besitztümern ausgeübt wird.
Die Gewalt (Sprayereien, Knalkörper, Farbwurf,...) muss als kollektive, nicht
individuelle Tat erscheinen.
Nachdem die Polizei die DemonstrantInnen dazu aufgefordert hat sich zu
zerstreuen, werden diejenigen die bleiben als Aufständische angesehen (auf
frischer Tat ertappt).
Ziehen Sie sich gruppenweise zurück

Empfehlungen des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und
unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe
Verhaftete haben das Recht sofort ihre Angehörigen oder Dritte zu verständigen
Verhaftete haben sofort, sobald sie sich in Gewahrsam befinden, das Recht auf
einen Anwalt.

Centre LAVI GE rue du Stand 40 1205 Genève 022.320.01.02
Centre LAVI VD chemin de la Prairie 34 1007 Lausanne 021.624.25.25

www.squat.net/contre-attaque

Zur Information geben wir Ihnen auch die Telefonnummern der Waadtländischen
Antirep Permanence:

Und diejenigen der juristischen Komission des charg8 France:

"Vos droits face à la police et au juge d'instruction" de Me Barbade 1995, aux
éditions d'en bas et "manifester: vos droits" de Me Dolivo et Me Tafelmacher
2003, aux édition d'en bas

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gipfelsoli infogruppe

Die AutorInnen der Beiträge, so sie nicht von uns verfasst sind, sind
mit eckigen Klammern versehen. Wir können leider keine Verantwortung
für die Richtigkeit der Beiträge übernehmen. Auch geben die Beiträge
nicht zwangsläufig unsere Meinung wieder.

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23.05.2003
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