Berlin: Weinrich-Prozess
Hallo Leute,
etwas spät veröffentlichen wir jetzt regelmäßig die Berichte über den Prozess gegen Johannes Weinrich, weil wir uns zuvor selbst etwas schlauer machen wollten.
Johannes Weinrich zählt zu den Gründungsmitgliedern der RZ. In den 70er Jahren schloss er sich der Gruppe "Organisation internationaler Revolutionäre" (auch als Carlos-Gruppe bezeichnet) an. Seit seiner Verhaftung im Jemen (1994) saß Johannes Weinrich in Moabit. Im Januar 2000 wurde er nach 4 jährigen Prozess zu "lebenslanger Haft mit besonders schwerer Schuld" bezüglich eines Anschlages auf das Maison de France 1983 in Berlin verurteilt. Nun steht er seit dem 2. März 2003 erneut im Hochsicherheitssaal in Berlin vor "Gericht". Vorgeworfen wird ihm, als Mitglied der Carlos-Gruppe an verschiedenen Anschlägen beteiligt gewesen zu sein.
Die Aktionen der "Carlos-Gruppe" sind durchaus kritisch zu betrachten. Die militante Linke arbeitete in den 70er und 80er Jahren weitgehend unreflektiert mit internationalen Gruppen zusammen. Mittlerweile wurde sich damit auseinandergesetzt, nach längerem Schweigen auch von Seiten der RZ, bzw Teilen der RZ. Dabei ist das Geschehen vor dem Hintergrund der damaligen Diskussionen zu betrachten, in deren Zentrum u.a. die Bestrebung stand den antiimperialistischen Befreiungskampf des Trikont in die Metropolen zu tragen.
Wie zu erwarten war, wird ähnlich wie bei den RZ-Verfahren auch bei dieser Prozessserie gegen Johannes Weinrich jeder politischer Bezug ausgeblendet. Um nicht einen weiteren Teil der linken Geschichte von Reaktionären unschreiben zu lassen, dürfen wir den Prozess nicht aus den Augen verlieren. Uns damit zu beschäftigen ist zugleich eine Frage der Solidarität zu GenossInnen, die von der Repression überrollt werden.
Hier folgt ein Bericht zum ersten Prozesstag. Ihr könnt die Prozessberichte unter dem Thema "Repression" oder per Stichwort-Suche finden.
Soweit!
nadir-aktuell
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Weinrich-Prozeß
Der erste Verhandlungstag
Am 5. März fand der erste Verhandlungstag gegen Johannes Weinrich vor einer
Schwurgerichtskammer des Berliner Langerichts statt. Verhandelt wurde im
Hochsicherheitsbereich. Weinrich ist dort in einem Großverfahren des
gemeinschaftlichen sechsfachen Mordes, mehrfachen Mordversuches und der
"Herbeiführung von Explosionen mittels Sprengstoff" angeklagt.
Die Anklage wirft ihm vor, als Mitglied der "Organisation Internationaler
Revolutionäre", besser bekannt als sogenannte "Carlos-Gruppe" an sechs
Anschlägen maßgeblich beteiligt gewesen zu sein:
1975 an einem Raketenwerfer-Anschlag auf ein El-Al-Flugzeug in Paris, 1981
an einem Bombenanschlag auf den Sender "Radio Freies Europa" in München,
1982 an einem Autobomben-Anschlag auf die arabische Zeitung "Al Watan al
Arabi" in Paris, 1983 an einen Bombenanschlag auf den Hauptbahnhof von
Marseille, bzw. einen Bombenanschlag auf einen französischen
Hochgeschwindigkeitszug und im gleichen Jahr an einem Bombenattentat auf den
saudi-arabischen Botschafter in Athen.
Das Medieninteresse war groß, die Presseplätze gefüllt. Zahlreiche
Nebenklagevertreter hatten ebenfalls Platz genommen. Aus prozeßtechnischen
Gründen stellte Verteidiger Elfferding zu Beginn einen Befangenheitsantrag
gegen einen der Ergänzungsschöffen, da dieser Polizeiangestellter sei, ohne
das dessen genaue Dienststelle bekannt ist.
Weinrich will sich in diesem Verfahren nicht äußern, lediglich auf die
richterliche Frage nach seinem Beruf antwortete er mit einem knappen:
"Gefangener!"
Weinrich wurde 1994 im Yemen verhaftet, und befindet sich seit 1995 in
Berlin-Moabit in Haft. Im Jahre 2000 wurde er für schuldig befunden, 1983 an
dem Bombebabschlag auf das Berliner "Maison de France" beteiligt gewesen zu
sein und zu lebenslanger Haft verurteilt.
Nach der Verlesung der Anklage durch Oberstaatsanwalt Mehlis ging
Verteidiger Elfferding in einer Erklärung auf verschiedene prozeßrelevante
Punkte ein. Da sei zum einen der lange Zeitraum von der Verhaftung bis zur
jetzigen Anklageerhebung zu bemängeln, der die Beweisqualität bei so weit
zurückliegenden Tatvorwürfen zusätzlich in Frage stelle. Zum anderen ging
der Verteidiger ausführlich auf das Zusammenspiel von Staatsanwaltschaft,
Nebenklagevertretern und den Medien ein. Er kritisierte eine massive
Vorverurteilung des Angeklagten in den Medien, die sich erkennbar auch auf
Prozeßakten stützten. Politische wie zeitgenössische Ursachen des
"bewaffneten Kampfes" würden ausgeblendet und durch Formulierungen wie
"Vollstrecker", "Diener des Schakals" oder "der Osama bin Laden von Berlin"
die für jeden Angeklagten geltende Unschuldvermutung ad absurdum geführt.
Ein weiterer Konfliktpunkt in diesem vorerst bis zum Januar 2004
terminierten Prozeß werden eine Vielzahl kopierter Unterlagen des
ostdeutschen und des ungarischen Staatssicherheitsdienstes werden.
Verteidiger Elfferding stellte die Frage, warum solche Unterlagen im
Spendenäffaren-Prozeß gegen Ex-Kanzler Kohl als nicht beweiskräftig
betrachtet wurden, im Verfahren gegen Weinrich jedoch
Hauptbelastungsmaterial seien.
Für den nächsten Prozeßtermin ist Magdalena Kopp, langjährige Geliebte
Weinrichs und Ehefrau von Iljich Ramirez Sanchez ("Carlos") als Zeugin der
Anklage geladen..
Nächster Termin: 17. März, Landgericht Berlin, Turmstr. 91, 9.30 Uhr, Saal
500.
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