Berlin: Weinrich-Prozess - 14. Verhandlungstag
Schwierig ist es, eine Satire nicht zu schreiben
"Difficilis est, satiram non scribere" sagten schon die alten Römer. Und sie
hatten Recht. Zumindest entstand dieser Eindruck bei Beobachtern des Berliner
Weinrich-Prozesses, der am 25.5.03 seinen 14ten Verhandlungstag erlebte.
Da erscheint ein Zeuge aus Paris, ein Kriminaler von hohen Graden, der über
seine Dienstreise nach Jordanien berichten soll, die er mit dem
Untersuchungsrichter des Carlos-Verfahrens und dem höchsten Kommissar aus Paris unternommen hat, um einen palästinensischen Zeugen zu vernehmen. Eine außergewöhnliche Dienstreise, wie er bekundet und dennoch kann er sich an Einzelheiten kaum noch erinnern. Nun denn, die Reise ist auch schon zwei Jahre her und vielleicht ist
manches ja auch schlicht peinlich. Wie sonst sollte man es bezeichnen, dass
diese hochrangige Delegation, versehen mit einem Internationalen Rechtshilfeersuchen, nicht von der jordanischen Justiz sondern vom Chef-General des Jordanischen Geheimdienstes empfangen wurde? Den Ermittlern aus Paris wurde unter
Hinweis auf die geopolitische Entwicklung, die zweite Intifada und die Sensibilität
des zu Vernehmenden eröffnet, dass sie den Zeugen nicht sehen, auch nicht
hinter einer Sichtblende befragen dürften, sondern lediglich schriftliche Fragen
vorlegen konnten, die von einem Dolmetscherboten beantwortet überbracht wurden.
Dass sich die Französische Justiz auf diese Verfahrensweise eingelassen hat,
wollen wir nicht bewerten, aber was zum Teufel hat einen deutschen
Staatsanwalt dazu bewegen können, eine derartige Aussage als Belastungsbeweis gegen einen Angeklagten in ein Verfahren einzuführen? Hat ein deutscher Staatsanwalt
nicht genug Phantasie, sich vorzustellen, wie eine Aussage erpresst, manipuliert
und gefälscht werden kann, wenn der Vernommene wer weiß wo sitzt? Vielleicht in
einem Keller unter einer grellen Lampe? Ist die Identität des Zeugen in
Jordanien bereits dadurch bewiesen, dass ein Archivphoto Ähnlichkeit mit dem Photo
in einem falschen Pass aufweist. Und lässt sich wirklich daraus, dass der
französische Kommissar "keine Schreie gehört" hat, der Schluss ziehen, mit der
Vernehmung sei alles in Ordnung gewesen?
Nein, wir wollen nichts unterstellen, aber Überlegungen sollte ein
Staatsanwalt anstellen, rechtsstaatliche Überlegungen! Das Gericht hat sich mit der
Aussage des französischen Zeugen über die "Vernehmung" in Jordanien viel Mühe
gegeben. Das macht Mut. Auch die Ausführungen der Verteidigung zu ihren Anträgen,
die in Jordanien erzielten Aussagen für nicht verwertbar zu erklären, waren
überzeugend. Bleibt das Gefühl, dass die Staatsanwaltschaft zweifelhafte
Beweise in ein Verfahren einbrachte, um Punkte zu machen. Wofür? Es ist davon
auszugehen, dass das Gericht den Anträgen der Verteidigung entsprechen wird.
Fazit:
Ein Prozesstag, der bewiesen hat, dass das Gericht Wert darauf legt, die
Umstände, unter denen eine Aussage zustande gekommen ist, zu erforschen.
Ein Prozesstag, der viel Geld gekostet hat.
Schriebe man eine Satire, würde zum Schluss dem Staatsanwalt durch einen
befrackten Kellner die Rechnung auf einem silbernen Tablett präsentiert. Er zöge
seine Brieftasche und blätterte die großen Scheine klaglos auf den
Silberteller...
Nächster Termin: 2. Juni, 9:30 Uhr, Turmstraße 91, Saal 500
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