Rottenburg: Tag gegen Abschiebung und Abschiebeknäste 29.06.2003
Tag gegen Abschiebung und Abschiebeknäste
am Sonntag, 29. Juni 2003 in Rottenburg
mit Demonstration zum Rottenburger Abschiebegefängnis
Programm :
ab 9.00 Uhr: Infostand mit Theaterperformance auf dem Marktplatz
vor dem St. Martins Dom
ab 12.30 Uhr: Versammlungsbeginn der Demo am Rottenburger Bahnhof
ab 13.00 Uhr: Demonstration gegen Abschiebung und Abschiebeknäste
hoch zur JVA Rottenburg
um 14.00 Uhr: Kundgebung mit Redebeiträgen, Musik und Theater vor der JVA
danach: Rottenburger Neckarfest...
wir feiern mit!
Die Freiheit lässt sich nicht erbitten,
sie muss erkämpft werden!
Tag gegen Abschiebung und Abschiebeknäste
In dem bei Tübingen gelegenen Rottenburg am Neckar, der Stadt der
schwäbischen Maultasche, befindet sich inmitten schwäbischer Idylle die
Justizvollzugsanstalt. Darin befinden sich 17 Abschiebehaftcontainer für je
3 Häftlinge.
Damit steht in Rottenburg neben Mannheim der zweite Abschiebeknast innerhalb
von
Baden-Württemberg. Jede Zelle hat eine Grundfläche von 16qm. Oft gelangen
Gefangene direkt aus dem Regelstrafvollzug in Abschiebehaft oder werden
direkt
aus der „normalen“ JVA abgeschoben.
Migration findet statt – egal, was in Deutschland Politik, Wirtschaft und
Bevölkerung unternehmen und sich ausdenken, um diese zu verhindern. Menschen
fliehen vor politischer Verfolgung, Kriegen oder wirtschaftlichen Miseren,
die
die Regierungen der westlichen Industriestaaten zum erheblichen Teil mit zu
verantworten haben. Sie fliehen um zu überleben und weil sie körperlich und
seelisch unversehrt bleiben wollen. Nach ihrer Ankunft in Deutschland wird
ihnen die Hoffnung auf ein möglicherweise besseres Leben jedoch schnell
genommen.
Sie müssen unzählige bürokratische Hindernisse überwinden, diskriminierende
Auflagen erfüllen und unterliegen einem generellen Arbeitsverbot. Solange
ihr
Asylverfahren läuft, wird ihnen vorgeschrieben , wo sie zu wohnen haben – in
Sammellagern, nicht selten isoliert am Stadtrand. Ihre Bewegungsfreiheit
wird dank Residenzpflicht auf den jeweiligen Landkreis eingeschränkt. Sie
können
ihre Nahrung nicht frei wählen; je nach Kreis erhalten sie Fresspakete oder
Gutscheine für vorgeschriebene Supermärkte. Wird ihr Asylantrag abgelehnt
und
bestehen nach geltendem Recht keine Abschiebehindernisse, können sie
abgeschoben werden – zurück in die Situation, aus der sie geflohen sind.
Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde oder die bislang eine sogenannte
Duldung besaßen, werden, wenn die Befürchtung besteht, dass sie sich der
Abschiebung widersetzen könnten, in eine bis zu 18 Monate dauernde
Abschiebehaft
genommen. Andere Abschiebehäftlinge sind ohne gültige Aufenthaltspapiere als
„Illegale“ verhaftet worden. Diese Fahndungserfolge sind nicht nur der
Arbeit
der Polizei zu verdanken, sie können nur mit der tatkräftigen Mithilfe der
deutschen Bevölkerung erreicht werden.
Deswegen geht es am 29. Juni nicht nur um die Politik, die von den Herren
Schily, Beckstein oder Schäuble verkörpert wird, sondern gerade um die
normalen
Deutschen und welches Bild sie sich von „Illegalen“ und „Asylbewerbern“
machen.
Abschiebeknäste sind brutale Abschottungseinrichtungen für Menschen, die in
der Logik von Ausländerbehörden, HaftrichterInnen und Polizei als abgelehnte
AsylbewerberInnen, aussortierte ArbeitsmigrantInnen oder ehemals geduldete
Kriegsflüchtlinge nur eins sind: Unerwünschte, weil nicht gebrauchte und
potentielle Illegale. Revolten und Hungerstreiks sind die drastischsten,
aber
regelmäßigen Versuche, aus der Gefangenschaft zu entkommen und gegen die
zermürbende Ungewissheit zu protestieren. Mit diesen Kämpfen, mit denen sich
Abschiebehäftlinge selbst gegen die nicht nachvollziehbare und unmenschliche
Internierung zur Wehr setzen, wollen wir uns ausdrücklich solidarisieren!
In einigen anderen Bundesländern gibt es sogenannte „Ausreisezentren“. Diese
sind laut Aussage des hiesigen Innenministeriums für Baden-Württemberg
vorerst nicht geplant, da erst die Erfahrungen der anderen Bundesländer
abgewartet
werden sollen. Dass hier diese Einrichtungen von gefängnisähnlicher Art, in
denen auf Flüchtlinge so lange psychischer Druck ausgeübt werden soll, bis
sie „freiwillig“ ausreisen oder in die Illegalität abtauchen, noch nicht
errichtet werden sollen, liegt vermutlich daran, dass das bestehende
Abschiebesystem relativ reibungslos funktioniert.
Dass Ausreisezentren vorerst noch nicht gebaut werden, ist noch lange kein
Grund zur Beruhigung. Denn nach wie vor bestehen Abschiebegefängnisse wie
das
in Rottenburg weiter. Auch könnte in Zukunft dank einer unheiligen Allianz
von Politik und weiten Teilen der Bevölkerung der Wunsch nach Schlimmerem
aufkommen.
Um zu verhindern, dass beim Neckarfest in Rottenburg nur Friede, Freude,
Eierkuchen herrscht und damit Abschiebegefängnisse in Rottenburg und sonst
wo
keine Zukunft haben, wird am 29. Juni demonstriert und agiert werden.
Allen Menschen steht das Recht zu, selbst zu bestimmen, wo und wie sie leben
wollen!
Rassistische Sondergesetze abschaffen!
Schluss mit rassistischen Kontrollen!
Recht auf Legalisierung!
Keine Abschiebungen, Abschiebegefängnisse und Abschiebelager – nirgendwo!
Es rufen auf: ABC R.T.S. (Anarchist Black Cross), AK Asyl Reutlingen,
Asylcafe Reutlingen, Bündnis gegen Abschiebehaft Tübingen, Bunte Hilfe
Stuttgart,
C.A.R.A. Stuttgart, Frauen International Tübingen (FIT), Infoladen Tübingen,
Tübinger Initiative „kein mensch ist illegal“, Kulturschock Zelle, Linke
StudentInnen Assoziation (LiStA), Revolutionäre Aktion Stuttgart (RAS),
Zentralamerikakomitee (ZAK) Tübingen.
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http://pgpkeys.mit.edu:11371/pks/lookup?
op=get&search=0xA712200F
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