Berlin: Weinrich-Prozess: 21. Verhandlungstag
"Geh nach Deutschland und sag ihnen, er war hier"
21. Verhandlungstag im Berliner Weinrich-Prozess: Fortsetzung der Zeugenvernehmung Al Mazaquis
Der heutige Verhandlungstag begann genau dort, wo der letzte geendet hatte: Bei einer Asservatenschau am Richtertisch. Nach den Erfahrungen des vorangegangenen Prozeßtages schien sich Al Mazaqui anfangs auf ein generelles "Ich-kann-mich-nicht-mehr-erinnern" festgelegt zu haben. Selbst an Bilder, die er vor fünf Tage noch wiederzuerkennen meinte, mochte er jetzt nicht mehr kennen.
Auf die Frage der Verteidigung, woher er denn wußte, daß es sich bei besagten Briefmarken um deutsche Postwertzeichen gehandelt habe, antwortete der Zeuge: " Solche Briefmarken sind bei uns bekannt". Daraufhin Verteidiger Elfferding: "Sind Sie Briefmarkensammler oder woher ist Ihnen das bekannt?" Antwort: "Wir kennen solche Briefmarken, man hat sie uns in unserem Büro gezeigt." und: "Es gibt bei uns Briefmarkensammler und da habe ich welche gesehen." Die Frage nach der Anzahl der angeblich bei Weinrich beobachteten Marken konnte der Zeuge nicht mehr erinnern. Auf die Frage, wann er die Marken gesehen habe, antwortete Al Mazaqui, er habe sie im Jahre 2000 bei seiner staatsanwaltlichen Vernehmung in Berlin gesehen. Dort hatte er seinerzeit jedoch ausgesagt, sie in dem Haus in Sanaa gesehen zu haben.
Nach einer weiteren unergiebigen Befragung und kurzen Pause gab Al Mazaqui eine Erklärung ab: Er sei Mitarbeiter des Nachrichtendienstes und könne deshalb "manches sagen und manches eben auch nicht sagen". Er habe sich gegenüber Weinrich seinerzeit als Hausvermieter ausgegeben, damit dieser nicht beunruhigt sei und sich wohl fühle.
Danach befragt, ob beim jemenitischen Geheimdienst Decknamen üblich sind, bestätigt der Zeuge eine solche Praxis. Als die Verteidigung dann wissen will, wie sein richtiger Name lautet, wird der Zeuge leicht unruhig. So gibt er zuerst an, dies sei ein Geheimnis um kurz danach zu erklären, der Name in seinem Diplomatenpaß sei sein wahrer Name. Auf die Frage, was er denn im diplomatischen Corps für Arbeiten leiste, erwidert Al Mazaqui, daß jedem höheren Offizier des Nachrichtendienstes ein solcher Paß im Jemen zusteht. Auch die Antwort nach seinem Rang bleibt ein Geheimnis. "Man hat mir nur gesagt, geh nach Deutschland und sag, daß er (Anm.: Weinrich) bei uns gewesen ist" war stattdessen eine immer wiederkehrende Antwort.
Von einem schwarzen Mercedes, der jeden Tag vorgefahren ist und einem Mann, der Weinrich jeden Tag besuchte, hat Al Mazaqui nichts mitbekommen.
Auch ob er seine Brille bei einer Bildervorlage vor drei Jahren bei der Berliner Staatsanwaltschaft dabei hatte, wußte der Zeuge nicht mehr zu sagen. "Ich vergesse öfter mal etwas. Bei mir Zuhause auch".
Auf weitere Vorhalte aus seiner Vernehmung aus dem Jahr 2000 folgten schon vom letzten Verhandlungstag bekannte Widersprüchlichkeiten des Zeugen.
Die Frage, ob Weinrich eine Waffe hatte, konnte Al Mazaqui (als Leiter der Bewachungsmannschaft!) nicht beantworten. "Ich hatte keinen Befehl, ihn zu durchsuchen."
Zeitweise konnte Al Mazaqui einem Beobachter fast leid tun. Die sprachliche, vor allem aber auch die kulturelle Barriere zwischen einem orientalischen Geheimdienstler und deutschen Juristen haben Al Mazaqui wohl etwas einsam gemacht. Ein Nebenklagevertreter drückte dies in einer Pause folgendermaßen aus: "Wenn ein Orientale ,morgen' sagt, dann meint er ,Nein'. Zusätzlich ist der Zeuge noch Geheimdienstler". Am deutlichsten wurde dies, als Al Mazaqui - orientalische Gastfreundschaft gewohnt - die Staatsanwaltschaft am Ende des Verhandlungstages fragte, ob es wohl jemand gäbe, der ihm noch ein wenig Berlin zeigen könne: "Wir sind doch hier kein Sightseeing-Unternehmen" bekam er knapp zur Antwort.
Es blieb der Eindruck, Al Mazaqui war ein "kleines Licht" in dieser Angelegenheit, der deshalb geschickt wurde, weil er nicht viel zu erzählen hat. Höhere jemenitische Geheimdienstler, die wohl auch mehr wissen, stehen nicht auf der Ladungsliste. Nach dem Ergebnis dieser Zeugenvernehmung ist es bei der Fülle von "Erinnerungslücken" und Widersprüchlichkeiten unwahrscheinlich, daß Al Mazaquis Aussagen in einem wie auch immer gearteten Urteil Erwähnung finden werden.
Nächster Termin: 02. 07., 9.30 Uhr, Turmstr. 91, Saal 500
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