nadir start
 
initiativ periodika archiv adressbuch kampagnen aktuell

Pressespiegel zu den Parlamentswahlen in Mexiko: Stell dir vor, es waren Wahlen und keineR ging hin...


Hier einige Presseberichte über die Erneuerung der mexikanischen
Abgeordnetenkammer. (Der von der PRI dominierte Senat wurde nicht erneuert.)

Leider wird in diesen Artikeln nicht über die Protestaktionen und den
aktiven Wahlboykott in San Salvador Atenco und in den indigenen Gebieten
von Chiapas berichtet: Mehrere Dutzend Wahllokale konnten nicht
installiert werden bzw. die Urnen wurden entwendet, das Wahlmaterial
verbrannt.

Im Vorfeld der Wahlen riefen zahlreiche Basisorganisationen und
engagierte NGO's zum Boykott der Wahlen auf, da keine der Parteien
wählbar sei.

Ob aus Protest oder Frust über die Regierung, Fazit ist, dass die
MexikanerInnen mehrheitlich mit den Füssen wählten: Sechs von zehn
wahlberechtigten Personen gingen nicht ins Wahllokal. Somit schrumpfte
die Wahlbeteiligung landesweit von 65 Prozent im Jahre 2000 auf 41
Prozent am 6. Juli 2003 (in Chiapas betrug die Wahlbeteiligung gar nur
32 Prozent; Wahlresultate siehe (  http://www.prep.unam.mx ).

Nicht nur Fox, das mexikanische Parteisystem insgesamt wurde mit dieser
Wahlabstinenz in seiner Legitimation stark geschwächt. Bleibt die Frage,
ob die mexikanische Gesellschaft konkrete Alternativen zur Simulation
der "perfekten Demokratie" entwickelt.


Direkte Solidarität mit Chiapas

-----

Schlappe für Fox bei Parlamentswahl

Fraktion der mexikanischen Regierungspartei schrumpft zusammen. PRD
hingegen auf Erfolgskurs

Gerold Schmidt, npl

Bei den mexikanischen Parlamentswahlen am vergangenen Sonntag mußte die
Partei des noch bis 2006 amtierenden Präsidenten Vicente Fox herbe
Verluste einstecken. Nach einem überraschend starken Absacken von 39 auf
etwa 31 Prozent der Stimmen stellt die konservative Partei der
Nationalen Aktion (PAN) künftig nur noch ein knappes Drittel der 500
Abgeordneten. Obwohl die im Sommer 2000 nach 71jähriger Herrschaft
abgewählte Revolutionäre Institutionelle Partei (PRI) nur wenige
Prozentpunkte mehr als die PAN gewann, ist sie aufgrund ihrer Allianz
mit den mexikanischen Grünen in vielen Direktwahlkreisen die große
Wahlgewinnerin. Mit deutlich über 200 Abgeordnetenmandaten wird sie im
Parlament die mit Abstand stärkste Fraktion sein. Zudem gelang es ihr,
sich bei gleichzeitig in einigen Bundesstaaten abgehaltenen Gouverneurs-
und Kommunalwahlen zu behaupten.

Eine Wahlenthaltung von fast 60 Prozent und die hohe Zahl aus Protest
ungültig abgegebener Stimmen brachten nach Einschätzung vieler
Kommentatoren deutlich die Enttäuschung über die drei großen Parteien
zum Ausdruck, wobei die PAN durch diese Abstinenz besonders abgestraft
wurde. Das mit Spannung erwartete Abschneiden der von einem Großteil der
Intellektuellen unterstützten Partei Mexico Posible war eher kläglich:
Die Partei verfehlte die für eine Parlamentspräsenz zu überspringende
Zwei-Prozent-Hürde klar. Als Siegerin durfte sich hingegen die
Mitte-Links-Partei der Demokratischen Revolution (PRD) darstellen. Ein
überragendes Ergebnis in der Hauptstadt verhalf ihr zu einem leichten
Anstieg auf landesweit 20 Prozent, der sich jedoch mit einer
Verdoppelung der Abgeordnetensitze auf knapp 100 auszahlen wird. In
Mexiko-Stadt, wo die PRD seit 1997 regiert, gewann die Partei die im
Jahr 2000 verlorene absolute Mehrheit in der Ratsversammlung zurück.

 http://www.jungewelt.de/2003/07-08/010.php

Mexikanischer Denkzettel für Fox

Bei den Parlamentswahlen in Mexiko kann die vor drei Jahren
abgeschriebene PRI ein halbes Comeback feiern. Die konservative Partei
des Präsidenten Vicente Fox verliert weitere Mandate, die
linkssozialdemokratische PRD gewinnt hinzu

von ANNE HUFFSCHMID

Die Bremse bleibt angezogen: bei den ersten Parlamentswahlen nach dem
historischen Machtwechsel in Mexiko vor drei Jahren machen die Wähler
ihrer Wende-Regierung das Regieren noch schwerer als bisher. So büßte
die rechtsliberale Regierungspartei der Nationalen Aktion (PAN), die mit
dem Slogan "lös die Bremse von der Wende" für eine Mehrheit im Parlament
geworben hatte, am Wahlsonntag fast ein Viertel ihrer Mandate ein. Den
letzten Hochrechungen zufolge wird die PAN nur noch um die 150 der
insgesamt 500 Sitze im Parlament besetzen - mindestens 70 weniger als
die ehemalige Staatspartei der Institutionalisierten Revolution (PRI).

Schon in der letzten Legislaturperiode musste die Partei des
konservativen Präsidenten Vicente Fox ohne eigene Mehrheit und gegen den
Widerstand der mächtigen PRI-Fraktion regieren. Im neuen Parlament sind
die Institutionalisierten Revolutionäre mit 222 bis 227 Mandaten nun zur
stärksten Fraktion geworden. Noch vor Bekanntgabe der ersten
Hochrechnungen lobte PRI-Chef Roberto Madrazo, der als Hardliner des
alten Establishments gilt, seine Partei siegesgewiss als "wichtigste
politische Kraft" im Lande.

Doch das allseits gefüchtete Total-Comeback der alten Garden blieb aus:
die absolute Mehrheit, die die PRI schon 1997 verloren hatte, konnte sie
auch am Sonntag nicht wieder gewinnen.

Zum bloßen Rückwärtsgang sind die Wahlen zur Halbzeit des
postautoritären Mexiko also nicht geworden. Das zeigt auch das
Vorpreschen der linkssozialdemokratischen Partei der Demokratischen
Revolution (PRD), die ihre Parlamentssitze am Sonntag auf fast 100
verdoppelte. In der Hauptstadt - die schon seit 1997 von der PRD regiert
wird - stellt die Linke in 14 von 16 Distrikten den Bezirksbürgermeister
und gewann 35 von 40 Wahlbezirken. Die PRI hingegen brachte keinen ihrer
Direktkandidaten durch. Die Chancen für den populären Oberbürgermeister
von Mexiko-Stadt Andres Manuel López Obrador als
Präsidentschaftskandidat für 2006 dürften am Sonntag deutlich gestiegen
sein.

Am deutlichsten fiel jedoch das Votum derjenigen aus, die offenbar
keinerlei Vertrauen in ihre Abgeordneten haben. Knapp 40 der 65
Millionen Wahlberechtigten waren am Wahlsonntag zu Hause geblieben. So
ist die anfängliche Wende-Euphorie einer flächendeckenden "Enttäuschung"
über parlamentarische Kungelei und Blockaden gewichen, wie der
Politologe Lorenzo Meyer konstatiert. Zwar appellierte Präsident Fox am
Sonntagabend an die Oppositionsparteien, nun habe "die Stunde der
Kooperation" geschlagen. Doch die Aussichten darauf sind alles andere
als günstig. Schon in den ersten beiden Amtsjahren sind alle
Gesetzesinitiativen des Wirtschaftsliberalen im Kongress an PRI und PRD
gescheitert. Nicht immer sind es jedoch die Mehrheitsverhältnisse, die
echte Reformen verhindern: ein Gesetzesentwurf über Rechte der indigenen
Völker, der eine Befriedung des so genannten Chiapas-Konflikts
ermöglicht hätte, wurde im Parlament bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt
- und zwar durch alle Fraktionen.

Vor allem aber ist das Wahlergebnis ein Denkzettel für Fox
Realitätsblindheit in Sachen Wirtschaft. Hatte er bei seinem Antritt
noch 7 Prozent Wachstum und jährlich eine Million neuer Jobs
versprochen, so wuchs das Inlandsprodukt seither um gerade 0,7 Prozent,
mehrere hunderttausend Arbeitsplätze gingen verloren. Sein Selbstbild
aber ist unberührt. Auf die Frage von Reportern, welche Fehler ihm
bislang unterlaufen seien, antwortete Fox noch letzte Woche fröhlich:
"Keine."

taz Nr. 7098 vom 8.7.2003, Seite 10, 131 Zeilen (TAZ-Bericht), ANNE
HUFFSCHMID


-------------------------------
Direkte Solidarität mit Chiapas
Eglistr. 25
Postfach 8616
8036 Zürich, SUIZA
-------------------------------
Tel/Fax: **41 1 400 45 69
-------------------------------
-------  soli@chiapas.ch -------
----  http://www.chiapas.ch ----
-------------------------------
PC: 34-529800-6
-------------------------------

 

08.07.2003
Direkte Solidarität mit Chiapas   [Aktuelles zum Thema: Soziale Kämpfe]  Zurück zur Übersicht

Zurück zur Übersicht