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Gipfelsoli: Genf --- Genua

Gipfelinfo - Meldungen über globalisierte Solidarität
und die Proteste gegen unsolidarische Globalisierung
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- Genfer G8-Fotos: Berner Bullen dürfen nicht
- Attac-Mitglied will Strafklage wegen Internet-Fahndung erheben
- Pressemitteilung des Komitees Veritá e Giustizia
- Dublin anarchists/anti-capitalists march 2 years after death of Carlo Giuliani

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Genfer G8-Fotos: Berner Bullen dürfen nicht

Ob friedlich oder militant - es lohnt sich der vermummte Widerstand!

Bund 25.7.03
Heikle Fahndungsaktion
Fotos mutmasslicher Chaoten im Internet: Genfer Polizei darf, Berner nicht

Die Genfer Polizei zeigt auf ihrer Internetseite rund 40 Fotos von mutmasslichen
Chaoten der Anti-G-8-Demonstration und ruft die "citoyens" auf, den Behörden bei
der Identifizierung der verdächtigten Personen zu helfen. Das sei keine
Aufforderung zum Denunzieren, sondern ein "Appell an den Gemeinschaftssinn jedes
einzelnen Bürgers".

Die Publikation von Porträts zu Fahndungszwecken kollidiert mit
Persönlichkeitsrechten und wird deshalb in der Regel nur bei Verdacht auf
schwere Straftaten erlaubt. Die von der Genfer Polizei ins Internet gestellten
Personen werden nur leichter Delikte verdächtigt (Sachbeschädigung, Diebstahl
und Landfriedensbruch).

In einem Berner Fall, der nicht im Massstab 1:1 mit den Genfer Ereignissen zu
vergleichen ist, aber dennoch ähnlich liegt, hat eine Untersuchungsrichterin
entschieden, auf die zunächst ins Auge gefasste Bildpublikation zu verzichten.
Von einem Videofilmer beobachtet, hatten an der Berner Anti-WEF-Demo vom 25.
Januar zwei Frauen Artikel aus einem Geschäft entwendet. In einem Gutachten
hielt das auf Medienrecht spezialisierte Beratungsbüro Zölch fest,
Bildpublikationen zu Fahndungszwecken stellten einen "schweren Eingriff" in die
Persönlichkeitsrechte dar. Im konkreten Fall stehe eine Veröffentlichung "im
krassen Missverhältnis zum öffentlichen Interesse des Fahndungserfolgs". (paf)


Verdächtige am Internetpranger

Genfer Polizei stellt 40 Fotos von mutmasslichen Chaoten der Anti-G-8-Demo ins
Netz - eine höchst problematische Fahndungsweise

Die Genfer Polizei ruft die Bevölkerung zur Mithilfe bei den G-8-Ermittlungen
auf und stellt zu diesem Zweck eine Porträtgalerie mit Verdächtigen ins
Internet. In Bern hat eine Untersuchungsrichterin in einem ähnlichen Fall die
Fotopublikation abgelehnt.

• PATRICK FEUZ

Zerschlagene Fensterscheiben, Plünderungen (unter anderem Lacoste-Leibchen) und
Pflastersteine gegen Polizisten: Für die Krawalle in Genf und Lausanne am 31.
Mai und 1. und 2. Juni hatten selbst Leute kein Verständnis, die sonst
Ausschreitungen zu rechtfertigen pflegen (böse Polizei, böse Welt). Mit viel
Verständnis dürfen dagegen die Behörden rechnen, die alles unternehmen, um der
"casseurs" habhaft zu werden und sie vor Gericht zu bringen. Zu diesem Zweck
zeigt die Genfer Kantonspolizei auf ihrer Internetseite seit Mittwoch rund 40
Fotografien von Personen, die von den Ordnungskräften während der
Demonstrationen gefilmt oder fotografiert worden sind und verschiedener Delikte
verdächtigt werden. Die Bürger werden aufgerufen, der Polizei bei der
Identifizierung zu helfen. Das sei keine Aufforderung zum Denunzieren, sondern
ein "Appell an den Gemeinschaftssinn jedes einzelnen Bürgers".
Die Publikation von Porträts zu Fahnungszwecken ist heikel. Sie kollidiert mit
Persönlichkeitsrechten wie dem Recht auf Privatsphäre. Auch die
Unschuldsvermutung spricht dagegen, einen Verdächtigen im Internet oder in
anderen Medien an den Pranger zu stellen. Deshalb wird diese Fahndungsweise in
der Regel dosiert angewendet. Nach dem Prinzip der Verhältnismässigkeit kommt
sie meist nur bei Verdacht auf schwere Straftaten zum Zug, etwa bei Mord und
Totschlag, bewaffnetem Raubüberfall oder Vergewaltigung. So handhaben es die
meisten Kantone, so handhaben es die Bundesbehörden und Interpol.

Die von der Genfer Polizei ins Internet gestellten Personen werden
vergleichsweise leichter Delikte verdächtigt: Sachbeschädigung, Diebstahl,
Gewalt gegen Beamte, Landfriedensbruch. Untersuchungsrichter Stéphane Esposito,
der die Bildpublikation bewilligt hat, begründet seine Zustimmung mit der
grossen Zahl der Sachbeschädigungen und anderen Delikte und mit dem
organisierten Vorgehen der in Gruppen auftretenden Täterschaft.

In einem Berner Fall, der nicht im Masstab 1:1 mit den Genfer Ereignissen zu
vergleichen ist, aber dennoch ähnlich liegt, hat eine Untersuchungsrichterin
entschieden, auf die zunächst ins Auge gefasste Bildpublikation zu verzichten.
Von einem Videofilmer beobachtet, hatten an der Berner Anti-WEF-Demo vom 25.
Januar zwei Frauen Kosmetikartikel aus einem Coiffeursalon gestohlen. In einem
in diesem Zusammenhang eingeforderten Gutachten erklärte das auf Medienrecht
spezialisierte Berner Beratungsbüro Zölch, Bildpublikationen zu Fahndungszwecken
seien ein "schwerer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte" der gezeigten
Personen: "Wer auf einem Fahndungsfoto gezeigt wird, hat Nachteile im
beruflichen und privaten Umfeld zu gewärtigen." Im konkreten Fall
("Vermögensdelikte", "Gegenstände von geringem Wert") stehe eine
Veröffentlichung "im krassen Missverhältnis zum öffentlichen Interesse des
Fahnungserfolgs".

In einem anderem Fall hat aber auch die Berner Justiz das Prinzip der
Verhältnismässigkeit schwach gewichtet: Im Januar 2001 durfte die Kantonspolizei
das Bild eines Drogensüchtigen veröffentlichen, der verdächtigt wurde,
Einbruchdiebstähle verübt zu haben.

Warnung vor US-Zuständen

Der eidgenössische Datenschützer äussert sich zurückhaltend zur Genfer Aktion,
weil diese in der kantonalen Zuständigkeit liegt und formal korrekt, also via
Untersuchungsrichter ablief. Generell warnt der Sprecher des Datenschützers vor
Zuständen wie in den USA, wo Menschen wegen unbezahlter Parkbussen und kleiner
Diebstähle öffentlich blossgestellt werden. Als abschreckendes Beispiel dient
dem Datenschützer auch die von einem englischen Boulevardblatt vor drei Jahren
publizierte Liste mit Namen und Adressen verurteilter Pädophiler: Ein
Verwechslungsopfer musste von der Polizei geschützt werden, nachdem ein Mob von
mehreren hundert Leuten ihn bedroht, seine Kinder verhöhnt und Scheiben seines
Hauses eingeschlagen hatte.

[indymedia.ch, drum vermummen, 25.07.2003 12:03]


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Attac-Mitglied will Strafklage wegen Internet-Fahndung erheben

Tagi Online 28.7.03

GENF - Die Fotogalerie von mutmasslichen G-8-Randalierern, welche die Genfer
Polizei letzte Woche zu Fahndungszwecken ins Internet gestellt hat, wirft weiter
Wellen. Ein Attac-Mitglied, dessen Bild publiziert wurde, will Klage erheben.

Sein Klient bestreite, an den Gewaltakten im Rahmen der Anti-G8-Demonstrationen
von Anfang Juni in Genf beteiligt gewesen zu sein, erklärte Anwalt Jean-Michel
Dolivo an einer Medienkonferenz in Genf. Sein Klient, ein
Globalisierungskritiker und Mitglied von Attac Neuenburg, werde dies am Dienstag
der Polizei so zu Protokoll geben.

Der betroffene Globalisierungskritiker war am Tag der grossen
Anti-G-8-Kundgebung vom 1. Juni von einem Journalisten der beiden Neuenburger
Zeitungen "L'Express" und "L'Impartial" begleitet worden. In einem am Folgetag
erschienen Interview hatte der junge Mann Vandalismus und Gewaltakte verurteilt.
"Wir werden wahrscheinlich eine Strafklage wegen übler Nachrede oder gar
Verleumdung gegen die Genfer Polizei einreichen", sagte sein Anwalt. Sicher ist
aber, dass der Betroffene eine Zivilklage für Schadenersatz einreichen will.

Dolivo bezeichnete das Vorgehen der Genfer Polizei zur Identifikation von
Randalierern als inakzeptabel. Diese Methode könne bei Delikten gegen Leib und
Leben, aber nicht bei Sachbeschädigungen zur Anwendung kommen, sagte der Anwalt.
Hier würden Leute an den Pranger gestellt.

Im Begleittext zu den publizierten Fotos bezeichnet die Polizei die Gesuchten
als "erwiesene Randalierer, Kriminelle und in ein Verfahren verwickelte
Personen". Die Unschuldsvermutung werde so klar verletzt, sagte Dolivo.

Die Publikation der Fotos im Internet war vom Genfer Untersuchungsrichter
Stéphane Esposito bewilligt worden. Die Maxime, wonach das Interesse eines
Rechtsstaates an der Bestrafung von Delinquenten grösser sei als das Recht auf
Unschuldsvermutung, gelte auch bei kleineren Delikten. (sda)

[indymedia.ch, vermummt und unerkannt, 28.07.2003 17:01]


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Pressemitteilung des Komitees Veritá e Giustizia

Komitee Freiheit und Gerechtigkeit für Genua
(Ehrenvorsitzender Giulietto Chiesa, Präsidentin Enrica Bartesaghi)

Pressemitteilung

Es ist ein Italien, das in Angst ist.

Diese Verfahrenseinstellung ist das Urteil eines Italiens, das in Angst ist. Ein
mutigeres Land, eine stärkere öffentliche Meinung hätten eine öffentliche
Verhandlung, eine tiefer gehende Prüfung der die Ereignisse auf der Piazza
Alimonda unter den Augen der Öffentlichkeit, in den Räumen eines Gerichts,
erwirken können. Nach diesen beiden Ermittlungsjahren, die im Wechsel von
miteinander inkompatiblen Gutachten, sich widersprechenden Aussagen, immer
wieder neuen Rekonstruktionen ist die Einstellung des Verfahrens ein grausamer
Hohn. Angesichts so vieler Schatten, ist der einzige Weg zur Wahrheit und zur
Gerechtigkeit, dass es einen öffentlichen Prozess gibt, in dem sämtliche
Zeugenaussagen verglichen werden, alle Beweise und jedes Gutachten. Mit dieser
Verfahrenseinstellung befriedigt man allein das Bedürfnis nach dem Vergessen das
sich durch das Land zieht.

Wir sind überzeugt, dass die Demokratie und der Rechtsstaat mit Füßen getreten
worden sind, wie Amnesty International und andere internationale Organisationen
festgestellt haben. Wir haben keine Angst davor, mit dieser besorgniserregenden
Wirklichkeit fertig werden zu müssen, wir finden hingegen, dass eine
vollständige und überzeugende Rekonstruktion der ereignisse unabdingbar ist.
Daher fahren wir damit fort, die Einrichtung einer parlamentarischen
Untersuchungskommission über die Ereignisse in Genua.

Wir sind überzeugt davon, dass die Bewohner des Landes das Recht auf eine
strenge öffentliche Untersuchung aller Verantwortlichkeiten haben, sowohl in
Zusammenhang mit dem Tod Carlo Giulianis, als auch in Verbindung mit der Diaz
Schule, Bolzaneto, den Übergriffen während der Demonstrationen gegen die
schutzlosen Demonstranten und für die 18 von Beamten abgefeuerten Pistolenschüsse.
Der Familie Giuliani und allen demokratischen Menschen sagen wir, dass wir diese
Verfahrenseinstellung nicht akzeptieren und dass wir weiter für die Suche nach
der Wahrheit und nach Gerechtigkeit kämpfen werden.

Genua, 5.Mai 2003


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Keeping memory alive: Dublin anarchists/anti-capitalists march 2 years after
death of Carlo Giuliani

Commemorating the second anniversary of the death of Carlo Giuliani - killed by
the Italian Police in Genoa in July 2001.

Approximately 80 anarchists and anti capitalists gathered today outside the
Central Bank on Dame Street for the second anniversary of Carlo Giuliani's death.

Carlo Giuliani was shot on Friday July 20th 2001 in the streets of Genoa by the
Italian Carabineri during anti-G8 protests in the city. His death marked the
height of the violent acts committed by the Italian state over the course of
three days, which included beatings, torture, chemical weapons attacks (pepper
spray and tear gas), unlawful detention, and intimidation.

The march made its way down Dame Street and then into Nassau Street, and
straight out to the Italian Embassy in Ballsbridge, on the southside of Dublin.
The lamp posts on the road to the embassy were covered with posters depicting
his death.

A brief talk was given at the Italian embassy. The point of the march was not to
glorify anyone as being a martyr or a hero - but to create memory. The aim of
the state is to destory memory. By marching to the Italian embassy, the people
were keeping the memory of Carlo alive; and keeping the memory of the violence
of the state alive too. It was stressed that Carlo Giuliani was not anyone
special; that he was exactly the same as all of us, fighting against a system
that values profit over justice. The crowd then chanted "Assassini!" in Italian.

The crowd then moved on to the Swiss Embassy on Aylesbury Road. The reason for
going here was to highlight another recent act of extreme violence committed by
the Police during anti-G8 protests. During a non violent direct action, a
climber Martin Shaw was hanging suspended from a bridge, blocking a road that
led to the location of the G8 summit. The rope was cut by the Police with full
knowledge of the situation. Martin Shaw was extremely badly injured in the fall
and was presumed dead. It will take him three years before he will be able to
walk again.

The demonstrators called for all charges laid against protestors during the G8
in Evian to be dropped, and for Martin Shaw's family to be financially
compensated. They have asked for this from the Swiss Embassy but have not
recieved any response.

[by Indymedia Kevin - IMC Éire Saturday, Jul 19 2003, 9:12pm]

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gipfelsoli infogruppe

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29.07.2003
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