Evian -- Thessaloniki -- Genua -- Genf
Gipfelinfo - Meldungen über globalisierte Solidarität
und die Proteste gegen unsolidarische Globalisierung
--------------------------------------------------------------------------
- Wie schreibe ich Gefangenen?
- Wer trachtet Mario Placanica nach dem Leben?
- G8: «Geständnis» = Polizei-Propaganda
----------------------------------------------------------------------
Wie schreibe ich Gefangenen?
Eines der Hauptprobleme, das Leute davon abhält Inhaftierten zu schreiben, ist
daß sie es nicht gewohnt sind einer fremden Person zu schreiben. Leute glauben
nicht zu wissen, was sie sagen sollen; sie glauben es gibt Dinge über die sie
nicht reden können, oder denken, dass Gefangene nicht daran interessiert sind
was sie zu sagen haben. Nun, es handelt sich dabei um ein Problem, das die
meisten von uns überwinden müssen. --> hier einige Vorschläge
04.08.2003
Repression in Evian und Thessaloniki
Im Zuge der Proteste gegen die G8 in und um Evian im Ende Mai und gegen den
EU-Gipfel in Thessaloniki im Juni dieses Jahres kam es zu massiver Repression
durch die Exekutive. In Thessaloniki sitzen immer noch 7 Leute in Haft. Aktuelle
updates gibt's u.a. auf thessaloniki.indymedia.org, eine chronologische
Zusammenfassung der Ereignisse vom 17. bis 25.06.2003 gibts hier. Die Soligruppe
aus Graz (Kontakt: soli2003@everymail.net) hat zum internationalen
Solidaritätstag am 10. Juli eine Broschüre angefertigt (pdf-download) Siehe
weiters Repression nach Evian und Thessaloniki auf at.indymedia.org
Es wurden auch zwei Leute aus Graz verhaftet, die gegen Kaution freigelassen
wurde, ihnen drohen nun Prozesse und mehrjährige Haftstrafen. Es wird noch
dringend Geld für die noch Inhaftierten und die Kosten für die Verteidigung
benoetigt.
Solikonto in Oesterreich:
Alexandra Schuster
Kontonummer: 2701-939619
Bankleitzahl (BLZ): 20815
Solikonto in Deutschland:
Rote Hilfe Berlin
Kontonummer 7 189 590 600
BLZ 100 200 00
Stichwort "Thessaloniki"
Proteste an die Griechische Botschaft
Argentinierstrasse 14, 1040 Wien
Tel. 01/531154531, email: hellasemb@greekambassy.jet2web.at
[Rechtshilfe Innsbruck; http://no-racism.net]
----------------------------------------------------------------------
Wer trachtet Mario Placanica nach dem Leben?
Über einen seltsamen Unfall, der sich vergangen Sonntag in der Nacht ereignete,
berichtet die italienische Tageszeitung L'Unità.
www.sherwood.it
Sonntag Abend, eine Szene mit Freunden und Verwandten. Dann die Rückfahrt nach
Hause auf der ionischen Nationalstraße: von Isola Capo Rizzuto nach Catanzaro.
Fahrgeschwindigkeit 80 kmh - ein nagelneuer Ford Focus, der plötzlich verrückt
geworden zu sein scheint. Er reagiert nicht mehr, die Bremsen sind paralysiert
und es gibt keine andere Möglichkeit der Rettung als die Sicherheitsgurte zu
lösen und sich hinaus auf den Asphalt zu retten. Diese Geschichte scheint der
gewöhnliche Vorgang eines Unfalls. Sie ist es nicht, denn im Auto, das wenig
später in einem Straßengraben landet und dann an einem Baum zerschellt, saß
einer, dessen Name in den bisherigen Meldungen italienischer Nachrichten Gewicht
hatte: Mario Placanica, der Carabiniere, der am 20 Juli 2001, am zweiten Tag der
Demonstrationen gegen den G8 Gipfel in Genua, mit zwei Pistolenschüssen den
Jungen Carlo Giuliani tötete.
Das neue kaum ein Jahr alte Auto pflegte er wie einen Edelstein, sagte sein
Rechtsanwalt, der sich den Hergang des Unfalls nicht erklären kann. Und er
äußert einige Bedenken, die das Blut zum Kochen bringen. Da ist u.a. die
Erinnerung an eine Begebenheit, erzählt der Rechtsanwalt, der Placanica im
Krankenhaus besuchte: "Placanica kam vor einige Tage zu mir und sagte, dass sich
jemand an seinem Auto zu schaffen gemacht habe. >>Avvocato, hier gibt es Leute,
die mir ans Leder wollen<<. Er berichtete mir von seltsamen Zeichen, die auf den
Rädern seines Autos angebracht wurden. Ich nahm diese Episode nicht sehr ernst
und sagte ihm, dass er sich beruhigen solle. aber jetzt nachdem das passiert
ist, will ich Gewissheit haben: es gibt keinen Anlass ruhig zu bleiben."
Mario Placanica, dessen Prozesse durch die Untersuchungsrichterin Elena Dalosio
auf Antrag des Staatsanwaltes eingestellt wurde (Begründung: er habe in
legitimer Notwehr von der Waffe Gebrauch gemacht.), wurde mit schweren aber
nicht lebensgefährlichen Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Bis jetzt
spricht er nicht - mit dem Rechtsanwalt hat er nur wenige Worte gewechselt. Wenn
er wieder in der Lage sein wird, zu berichten was sich tatsächlich am Sonntag in
der Nacht ereignete, könnten auch einige Mysterien des Unfallhergangs geklärt
werden.
Im Augenblick sind es die Rechtsanwälte von Placanica, die mit ihren Erklärungen
das Wasser in Bewegung halten. Und beide erklären sich völlig entgegengesetzt.
Rechtsanwalt Colosimo: "Der Unfallhergang ist nicht erklärbar, in den kommenden
Tagen werde ich eine detaillierte Untersuchung verlangen, um jedes
Fremdverschulden auszuschließen." Seine Erklärungen bewirkten, dass schon von
Sabotage gesprochen wird. Der zweite Rechtsanwalt von Placanica, Giuseppe Gallo
aus Genua erklärte: "Es gibt keine Verbrechen des Staates, stellen wir keine
unnützen Spekulationen an. Es ist ein Unfall, nur ein Unfall." Auch bei den
Carabinieri von Catanzaro gibt es kaum Zweifel: "Es war ein Unfall und wer das
Gegenteil behauptet ist verantwortungslos."
Doch Rechtsanwalt Colosimo insistiert: "Diese Angelegenheit muss bis ins Detail
geklärt werden. Auch dieses mal werde ich niemandem ins Gesicht schauen."
Schaumschlägereien! Aus der Redeschlacht der Rechtsanwälte hat sich bislang
nicht einmal eine Anzeige gegen Unbekannt ergeben und das Auto wurde ebenfalls
nicht behördlich sichergestellt. Rechtsanwalt Cosimo sitzt in Catanzaro in einer
Werkstatt, die als Anwaltsbüro dient und wartet. "Gegen wen sollte ich die
Anzeige richten?" Und dann, warum sollte das Auto sichergestellt werden? Bevor
die technischen Untersuchungen nicht gelaufen sind, wie soll ich da irgendjemand
beschuldigen? Ich bin ein ehrenwerter Rechtsanwalt!" Ein Rechtsanwalt jedoch,
der vollmundige Erklärungen über Zweifel am Unfallhergang abgibt.
Die Hypothese der Sabotage wird von der Familie Giuliani nicht verworfen.
Giuliano, der Vater von Carlo sagt: "In dieser ganzen Angelegenheit (um Carlo,
d.Ü.) gab es nicht einen einzigen Funken Wahrheit und es ist nicht
ausgeschlossen, dass der seltsame Unfall provoziert wurde. Ich hoffe nur, dass
die Untersuchungen nicht den Mitarbeitern von Staatsanwalt Silvio Franz
anvertraut werden, denn dann weiß man nicht, was sie neues erfinden werden. Mehr
als einmal haben meine Frau und ich gesagt, dass wir um diesen jungen
Carabiniere Angst haben. Bei all den Widersprüchen, die nie geklärt wurden und
die darauf hinweisen, dass da etwas anderes ist als das, was sie uns glauben
machen wollen." Und Haidi Giuliano, die Mutter: "Wir sind alle beide recht
skeptisch, sowohl Giuliano wie auch ich. Wir wollen nicht annehmen, dass es sich
dabei um eine der vielen Geschichten handelt, bei denen Zeugen "geselbstmordet"
wurden. Doch es bleibt eine seltsame Angelegenheit. Dieser Junge riskiert viel,
das haben wir immer gesagt. Wenn er etwas zu sagen hat, sollte er es tun. Ich
habe noch nie jemanden den Tod gewünscht. Wir wollen nur Gerechtigkeit.!"
[indymedia.de, von Enrico Fierro, Übersetzung G.Melle - 05.08.2003 12:15]
----------------------------------------------------------------------
G8: «Geständnis» = Polizei-Propaganda
Erneute Schlappe für genfer Polizei: Noch am 29.7. hatte sie eilends ein
vollmundiges Communique veröffentlichte, wonach der auf ihrer Internetseite als
«krimineller Sachbeschädiger und Randalierer» zur Denunziation ausgeschriebene
attac-Aktivist Tomaso (der allerdings seine Unschuld beteuerete und sich im
Anschluss an eine Pressekonferenz selbst stellte) durch ein Video, das ihn in
«in voller Aktion» zeige, überführt worden sei und darauf nach mehrstündigem
Verhör «das Unvermeidliche» selbst «zugegeben» habe (siehe
http://ch.indymedia.org/de/2003/07/12931.shtml ).
Tags darauf musste die Pressestelle der genfer Polizei -- nach der vom
Untersuchunsrichter umgehend verfügter Entlassung Tomasos -- jedoch einmal mehr
zurückkrebsen ...
Bekanntlich hatte die genfer Polizei auf ihrer Denunziationspage behauptet,
sämtliche abgebildeten Personen seien erwiesene "casseurs" (=Sachbeschädiger)
und Krawallanten. Dies trifft (wie schon bei anderen "casseurs") auch im
vorliegenden Fall KLAR NICHT ZU!
Trotzdem versucht die Pressestelle der Polizei mit Propagandasprüchen wie "in
voller Aktion" eindeutig WIDER BESSEREN WISSENS einmal mehr diesen Eindruck zu
erwecken. Schauen wir uns doch einmal genauer an, was Tomaso denn nun
"gestanden" hat bzw. worin seine "volle Aktion" konkret bestand:
Wie auch die Polizei selbst mittlerweile zugeben muss, kann sie ihm keinerlei
Sachbeschädigung etc. nachweisen und erst recht keine Gewalttaten. Alles, was
ihm vorgeworfen wird, ist, dass er 1) näher als 150 m dran stand, als von
ANDEREN, MIT DENEN ER IN KEINERLEI ZUSAMMENHANG STAND eine Sachbeschädigung
begangen wurde, und dass er 2) «Polizeifeindliche Slogans» rufend auf Beamte
zugegangen sei. (Siehe Tages-Anzeiger 31.7.03)
Ersteres ist die klassische Sippenhaftungs-Auslegung der verschärften
Landfriedensbruch-Paragraphen -- oder wie es ein zürcher Richter sinngemäss
ausdrückte: Wenn irgendwo eine Sachbeschädigung geschieht, nehme man einen
Zirkel und mache im Umkreis von 150 m einen Kreis: JEDER, DER SICH IN DIESEM
KREIS BEEFINDET, IST «SCHULDIG». Dies mag bequem sein für Polizei und Richter,
möglichst viele «Schuldige» zu produzieren, wirft jedoch gleichzeitig auch ein
bezeichnendes Licht auf unseren realexistierenden «Rechtsstaat».
Aus dem zweiten Punkt will die Polizei nun ableiten, er habe sich «als Anführer
aufgeführt» und «die Massen aufgereizt». Na ja ... zuerst wirklich gefährlicher
Randalierer und Sachbeschädiger, und dann obendrein erst noch ein Rädelsführer,
alles klar ...
--> Tatsache ist und bleibt, dass die genfer Polizei mit solchen
Propaganda-Aktionen (wie überhaupt mit ihrer Denunziationspage) lediglich davon
ablenken will, dass sie aus politischen Gründen (ohne Sachbeschädigungen hätte
der Kanton Genf das ganze Polizeiaufgebot selber bezahlen müssen) diese
Sachbeschädigungen AUF BEFEHL VON OBEN HIN zunächst tolerierte (um nicht zu
sagen aktiv ermutigte) -- und anschliessend aus Frust darüber krass
überreagierte (mit den bekannten 60 z.T. schwer Verletzten allein in Genf,
Aktion gegen das Independent MediaCenter usw.).
Da hilft auch nicht weiter, wenn die genfer Polizei nun Wortkosmetik und
-Akrobatik betreibt, indem sie nachträglich das Wort «Kriminelle» auf ihrer
Homepage streicht, aber «erwiesene Randalierer» weiterhin stehen lässt und dazu
auf Anfrage behauptet: «unter "Randalierer" verstehen wir Unruhestifter im
weitesten Sinn». Lässt ja schon mal tief blicken -- was immer «Unruhestifter im
weitesten Sinn» auch bedeuten mag ...
Ausserdem, mal angenommen, es gäbe einen Paragraphen, nach dem jeder Polizist im
Umkreis von 150 m eines Polizeiübergriffs ebenfalls schuldig gesprochen würde
(und die schweizer RichterInnen wären nicht korrupt, wie sie nunmal sind,
sondern würde dies auch tatsächlich tun): Die Polizei müsste sich wohl
gesamthaft gleich selber verhaften und einsperren ... Ganz zu schweigen von all
den Beamten, die Übergriffe passiv durch «wegschauen» oder aktiv durch
Falschaussagen / Lügen in «Wahrnehmungsberichten» decken -- was heute schon
strafbar wäre ...
[Homepage: http://PigBrother.info]
--------------------------------------------------------------------------
gipfelsoli infogruppe
Die AutorInnen der Beiträge, so sie nicht von uns verfasst sind, sind
mit eckigen Klammern versehen. Wir können leider keine Verantwortung
für die Richtigkeit der Beiträge übernehmen. Auch geben die Beiträge
nicht zwangsläufig unsere Meinung wieder.
Kontakt, Kritik, Beiträge: gipfelsoli@nadir.org
|