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Magdeburg: Zum aktuellen Stand des §129a-Verfahrens

Nachdem Mitte August die Anklageschrift gegen unsere drei Genossen
Marco, Daniel und Carsten herausgegeben wurde, trat das Verfahren gut
zehn Monate nachdem es mit den ersten Verhaftungen öffentlich wurde, in
seine entscheidende Phase. Wie zu erwarten war, erhob die
Bundesanwaltschaft Anklage wegen Verdachts auf "Mitgliedschaft in einer
terroristischen Vereinigung" und anderer Straftaten. Bei Marco kommt
erschwerend hinzu, daß er der Rädelsführerschaft bezichtigt wird.
Ihren Ursprung soll die "terroristische Vereinigung" in der Magdeburger
Gruppe "Autonomer Zusammenschlusz" (AZ) gehabt haben, die seit dem Jahr
2000 öffentlich arbeitete. Zur Last gelegt werden ihr neben den zwei
ursprünglich genannten, mißlungenen Anschlägen auf ein LKA-Gebäude in
Magdeburg und ein Fahrzeug des BGS auch zwei vorhergehende auf Fahrzeuge
einer Daimler-Chrysler-Niederlassung und der Telekom. Nach den
"Erkenntnissen" der Bundesanwaltschaft (BAW) soll sich die Vereinigung
dann Ende Mai 2002 aufgelöst haben.
Nun führte aber die angebliche Auflösung der konstruierten
"Terrorgruppe" dazu, daß das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg, vor dem
gegen die drei verhandelt werden sollte, den Beschluß faßte, die
Haftbefehle gegen scharfe Auflagen außer Vollzug zu setzten. Die BAW
legte jedoch gegen diese Entscheidung sofort Beschwerde ein, über die
nun vom Bundesgerichtshof (BGH) entschieden wird. Bis dahin werden
unsere Genossen aber auf jeden Fall noch in U-Haft bleiben. Der Beschluß
des OLG ist aber dahingehend interessant, als daß er zwar den
"dringenden Tatverdacht" der "Gründung einer terroristischen
Vereinigung" bestätigt (hier gibt es also keine Entwarnung), jedoch mit
der gleichen Wahrscheinlichkeit einen "Strafaufhebungsgrund" nach §129a,
Abs. 5 in Verbindung mit §129, Abs. 6 anerkennt. Dies bedeutet, daß die
Mitglieder einer "terroristischen Vereinigung" dann Straffreiheit
genießen können (dies bezieht sich jedoch nur auf den §129a, nicht auf
die "eigentlichen" Straftaten), wenn sie sich bemühen deren
Weiterbestehen zu verhindern, z.B. indem sich die Gruppe selbst auflöst
und danach nicht mehr in Erscheinung tritt. Da auch die BAW in ihrer
Anklageschrift die Auflösung der angeblichen Gruppe bestätigt, geht das
OLG davon aus, daß auch die Angeklagten dafür waren, die vermeintliche
Gruppe aufzulösen und keine Straftaten mehr zu begehen. Sollte diese
Entscheidung Bestand haben, hätte dies möglicherweise auch Auswirkungen
auf andere, noch laufende Verfahren nach §129a!
Aus diesem Grund ist es jedoch nicht sicher, daß sich der BGH dem
Beschluß des OLG anschließt, auch deshalb, weil die gleichen
RichterInnen diese Entscheidung treffen, die bereits früher u.a. die
Haftbefehle gegen Marco, Daniel und Carsten bei Haftprüfungsterminen
problemlos bestätigten. Doch wenn der Vorwurf nach §129a fallengelassen
wird, heißt dies noch nicht automatisch, daß unsere drei Genossen auch
aus der U-Haft entlassen werden. Es ist durchaus möglich, daß der
Vollzug der U-Haft z.B. wegen angeblicher Fluchtgefahr aufrechterhalten
wird. Sollten sie jedoch entsprechend des OLG-Beschlusses freikommen,
müssen sie ihren Paß und Personalausweis abgeben, sich täglich bei den
Cops melden, müssen in den Wohnungen ihrer Eltern wohnen (!), dürfen
Magdeburg bzw. Quedlinburg nicht ohne Genehmigung verlassen und müssen
eine hohe Kaution hinterlegen.
Weiterhin bedeutet eine Änderung der Anklage nicht zwangsläufig, daß
ebenfalls die Repression nachlassen wird. Es steht immer noch der
Vorwurf von vier Fällen von (versuchter) Brandstiftung im Raum.
Ebenfalls ist es noch unklar, was mit den weiteren fünf Beschuldigten
wird, gegen die zwar ermittelt aber noch keine Anklage erhoben wurde.
Deshalb ist es auch in Zukunft nicht unwahrscheinlich, daß es trotz des
vorläufigen Endes der Ermittlungen im Hauptverfahren zu Observationen,
Hausdurchsuchungen und Vorladungen kommen wird. Darüber hinaus ändert
auch eine positive Entscheidung des BHGs nichts daran, daß mittels des
§129a in den vergangenen Monaten eine gesamte Szene durchleuchtet wurde,
Menschen an ihrer politischen Arbeit gehindert und drei Leute in den
Knast geworfen wurden. Um gegen diese Repression gegenüber der linken
Szene in Magdeburg und darüber hinaus sowie die fortgesetzte Verfolgung
unserer Genossen zu protestieren, rufen wir, trotz möglicherweise
veränderter Rahmenbedingungen, dazu auf, mit uns gemeinsam am 25.
Oktober in Magdeburg auf die Straße zu gehen (Infos unter:
 http://www.soligruppe.de oder  http://www.badkleinen.tk).

Freiheit für Marco, Daniel und Carsten! Freiheit für alle politischen
Gefangenen!
Wir brauchen auch weiterhin Eure Spenden!

Soligruppe Magdeburg/Quedlinburg
Rote Hilfe Ortsgruppe Magdeburg

Infos unter:

 http://www.soligruppe.de oder  http://www.rote-hilfe.de/magdeburg

e-mail:  soligruppe@web.de oder  magdeburg@rote-hilfe.de

Soligruppe
c/o Rote Hilfe Magdeburg
Postfach 320115
39040 Magdeburg

Für Spenden im Magdeburger §129a-Verfahren:
Rote Hilfe e.V., Ortsgruppe Magdeburg
Kto.: 37 151 949
BLZ: 810 53 272
Stadtsparkasse Magdeburg
Verwendungszweck: Soligruppe (Nicht vergessen!)

 

03.09.2003
Soligruppe Magdeburg/Quedlinburg / Rote Hilfe Mgd.   [Aktuelles zum Thema: Repression]  [Schwerpunkt: 129a-Verfahren in Sachsen-Anhalt]  Zurück zur Übersicht

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