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Berlin: Weinrich-Prozess 39. Verhandlungstag

Anträge und Ablehnungen

39. Verhandlungstag im Weinrich-Prozeß

Ein weiterer Geschädigter der Bombenexplosion auf dem Hauptbahnhof von Marseille im Jahre 1983 war als Zeuge geladen.

Der Zeuge hatte durch die Explosion eine Reihe von Verletzungen erlitten, die zwei Wochen stationär und weitere vier Wochen ambulant behandelt wurden. An den Ablauf der Ereignisse vom Zeitpunkt der Explosion bis zu seiner Einlieferung ins Krankenhaus konnte er sich aufgrund eines Schocks nicht mehr erinnern. Anträge auf Entschädigung hätte er seinerzeit zwar gestellt, darauf von den französischen Behörden aber "jamais!" (= niemals) eine Antwort erhalten.

Das weitere Geschehen an diesem Tag wurde von Anträgen der Verteidigung bzw. Beschlüsse der Kammer bestimmt.

Verteidiger Elfferding beantragte, den Richter aus dem Prozeß gegen Kopp und Breguet im April 1982 zu laden, der bezeugen könne, daß die Verschiebung des damaligen Prozesses um eine Woche erst am 15. April bekanntgegeben wurde. Hintergrund ist die Behauptung französischer Ermittler, Christa Fröhlich habe einen am 10. April in Jugoslawien gemieteten und am 13. April in Rom zurückgegebenen Fiat 128 eigentlich für einen Anschlag zum Prozeßauftakt am 15. April in Paris "liefern" sollen, dann jedoch von der Verschiebung des Prozesses erfahren und das Auto in Rom abgegeben haben. Diese Version sei, so Elfferding, jedoch nicht möglich, wenn die Verschiebung erst zwei Tage nach der Abgabe des Autos bekannt geworden sei und werfe neben anderen Aspekten der französischen Version ein Schlaglicht auf den "manipulativen" Charakter dieser Ermittlungen.

Desweiteren beantragte er die Beibringung jugoslawischer Ermittlungsergebnisse, die in den französischen Akten vorhanden seien, in den deutschen Unterlagen jedoch fehlten. Dazu gehören Zeugenprotokolle, Hotel-Gästelisten und Flugermittlungen.(zum Themenkomplex siehe: 32. Verhandlungstag "Die Metamorphose einer Autofahrerin")

Verteidiger Tzschoppe hatte sich noch einmal mit der Reise der französischen Ermittlerdelegation nach Amman und der sogenannten Aussage Issawis befaßt. Dabei war ihm aufgefallen, daß in der französischen Übersetzung der "Aussage" eine Seite mehr vorhanden ist, als im arabischen "Original" Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft hatte den arabischen Text ins Deutsche übersetzen lassen, den französischen jedoch nicht, sodaß Vergleiche für die Verteidigung nicht möglich sind. Erkennbar seien lediglich offensichtliche Fehler in der Übersetzung, in denen aus "Prag" beispielsweise "Belgrad" werde. Deshalb beantragte der Verteidiger eine Übersetzung der französischen "Aussage" Issawis ins Deutsche.

Weiterhin war aufgefallen, daß Kommissar Descoms, der neben Riou Teil der französischen Delegation in Amman war, in seinem Protokoll von "Fingerabdrücken" und einer "Speichelprobe" Issawis schreibt, die den Franzosen zum Abgleich mitgegeben wurden, während Riou und Desessard von Blut-, Speichel- und Urinproben sprachen. Außerdem habe Riou hier im Prozeß andere Angaben über den angeblichen Ort der Vernehmung Issawis als Descoms gemacht. Descoms solle deshalb geladen werden, um diese Widersprüche aufzuklären.

All dies sei aus Sicht der Verteidigung notwendig, um klarzustellen, daß der DST-Mann Riou "nicht glaubwürdig" sei.

Nach halbstündiger Beratung wurde der Antrag von Verteidiger Tzschoppe abgelehnt, da die deutsche Übersetzung der "Aussage" Issawis "maßgeblich ist". Die genannten "Unstimmigkeiten" betreffend könne die Verteidigung den Zeugen Riou bei der Fortsetzung seiner Vernehmung selbst befragen. Die Ladung Descoms' wurde zurückgestellt und über RA Elfferdings Antrag sei noch nicht entschieden worden.

Dafür wurde ein älterer Antrag der Verteidigung auf die Hinzuziehung jordanischer Schriftstücke ebenfalls abgelehnt.

Verteidiger Häusler wollte daraufhin vom Vorsitzenden wissen, wie er Riou denn Vorhalte aus französischen Akten machen solle, von denen es keine deutsche Übersetzung gibt. "Oder können wir dann alle plötzlich französisch?", so Häusler.

Richter Ehestädt, ob dieser Frage sichtlich verlegen, antwortete etwas unsicher: "Das werden wir sehen".

Riou ist am 10. 11. zur Fortsetzung seiner Vernehmung geladen.

Nächster Termin: 05.11., 9.30 Uhr, Turmstr. 91, Saal 500

 

03.11.2003
anonym zugesandt   [Aktuelles zum Thema: Repression]  [Schwerpunkt: Weinrich-Prozess]  Zurück zur Übersicht

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