Berlin: Weinrich-Prozess: 40 Verhandlungstag
Fortsetzung Genthial
40. Verhandlungstag im Weinrich-Prozeß
Die Fortsetzung der Vernehmung des Zeugen Genthial (siehe 35. Verhandlungstag "Ein überzeugter Polizeichef") sowie ein umfangreicher Beweisantrag der Verteidigung zum Komplex Rue standen heute auf dem Programm.
Jack Genthial, Ex-Kripochef von Frankreich und 1982 Leiter der Ermittlungsgruppen zum Bombenanschlag in der Rue Marbeuf, war bei seiner zweiten Vernehmung deutlich weniger renitent-snobistisch, als noch bei der ersten. Bemüht, sachlich Auskunft zu geben, antwortete er auf Fragen der Verteidigung. Diese hatte nichts wesentlich Neues zu erfragen, was nicht auch schon bei der ersten Befragung zur Sprache gekommen war. Einzige Ausnahme war die Erkenntnis, daß Genthial seinen ersten Bericht erst Tage nach dem Attentat verfaßt hatte. Dies könnte von Belang sein, da zu diesem Zeitpunkt das Telegramm von Interpol Wien, welches die Farbe des mutmaßlichen Tatfahrzeuges mit "rot" beschrieb, bereits vorlag. Hintergrund der Geschichte ist, daß diverse Zeugen von einem orangefarbenen Fahrzeug gesprochen hatten, in den späteren französischen Ermittlungsberichten jedoch wechselnd die Farben "rot", "orange" und "rot-orange" genannt werden.
Nach der Entlassung des Zeugen stellte die Verteidigung zum Themenkomplex Rue Marbeuf einen neunseitigen Beweisantrag. Darin wird beantragt,
1.. Verschiedene Augenzeugen zu laden, die belegen sollen, daß das mutmaßliche Tatfahrzeug orange gewesen ist, sowie eventuell vorhandene Vernehmungsprotokolle dieser Zeugen beizuziehen.
2.. Zeugen zu laden, die seinerzeit den mutmaßlichen Attentäter gesehen haben, bzw. an der Erstellung eines Phantombildes beteiligt waren. Auch hier hätte die Verteidigung gerne eventuell vorhandene Vernehmungsprotokolle.
3.. Das Telegramm von Interpol Wien, bzw. den Kraftfahrzeugschein und -brief sowie den Mietvertrag des mutmaßlichen Tatfahrzeuges zu den hiesigen Akten zu nehmen
4.. Einen Angestellten der Autoverleihfirma Hertz in Wien zu laden, der bekunden könne, daß weder die Farbe noch die Motornummer des seinerzeit bei Hertz in Lubljana vermieteten Wagens verändert wurden (Hintergrund sind unterschiedliche Angaben in französischen Ermittlungsberichten)
5.. Einen Sachverständigen der Firma Opel in Rüsselsheim zu laden, der, ausgestattet mit Bildern und Farbskalen des mutmaßlichen Tatfahrzeuges, bekunden könne, daß Farbverwechslungen nicht möglich seien und unterschiedliche Motornummern zu unterschiedlichen Fahrzeugen gehören.
6.. Die Beiziehung von Bildern eines Ford Fiesta. Hintergrund ist einerseits die Aussage eines Zeugen, der eine blonde Frau einen Tag vor dem Attentat auf einer Autobahn in Südfrankreich in einem Wagen ("Typ Ford Fiesta") gesehen haben will und andererseits die Anwesenheit eines roten Ford Fiesta in unmittelbarer Nähe des Explosionsortes.
7.. Die Beiziehung der Originalteile des mutmaßlichen Tatfahrzeuges Opel Kadett und gegebenenfalls die Erstellung eines Gutachtens über die Zuordnung des seinerzeit gefundenen Kennzeichens zu diesem Wagen. Ersatzweise könnten entsprechende französische Unterlagen, so vorhanden, beigezogen werden.
8.. Den Tatortskizze der Pariser Polizei beizuziehen, um zu klären, wo was stand und was gefunden und gesichert wurde.
9.. Die seinerzeit zuerst am Ort des Geschehens eingetroffenen Polizisten zu laden.
10.. Die französischen Untersuchungsunterlagen zu einem Renault 4 beizuziehen, der seinerzeit mit einem doppelten Kennzeichen in der Rue Marbeuf stand.
Zum Abschluß hatte der Vorsitzende noch mitzuteilen, daß die durch die Verteidigung monierte Differenz zwischen der französischen und der arabischen Variante der Issawi-"Aussage" (siehe 39. Verhandlungstag "Anträge und Ablehnungen") nun aufgeklärt sei: Der französische Ermittlungsrichter Brugui=E8re hätte auf Nachfrage von Staatsanwalt Mehlis eine bisher fehlende Seite des arabischen Teils geschickt, die bis zur Vernehmung des Zeugen Riou am Montag in deutscher Übersetzung vorliegen werde.
Die Kammer hat also der Einführung des Phantomzeugen Issawi via Riou zugestimmt (siehe 34. Verhandlungstag "Richtungsweisende Beschlüsse"), während ihr entgangen ist, daß noch Teile dieser "Aussage" fehlten. Darauf mußte sie erst durch die Verteidigung aufmerksam gemacht werden.
Nächster Termin: 10. 11., 9.30 Uhr, Turmstr. 91, Saal 500
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