Berlin: Weinrich-Prozess: 44. Verhandlungstag
"Die Informationen steckten in den Fragen"
44. Verhandlungstag im Weinrich-Prozeß
War der letzte Verhandlungstag der bisher kürzeste, so sollte der heutige der bis dato längste werden.
Jean-Francois Riou war zum dritten mal vor Gericht erschienen; diesmal, um sich den Fragen der Verteidigung zu stellen. In seinen Antworten verfuhr der Zeuge nach dem bekannten, relativierenden Muster: "Nach meiner Erinnerung...", "soweit ich mich erinnere..." waren die beliebtesten Satzanfänge. Und wie gehabt, war auch Herr Lehmann vom BKA wieder anwesend.
Im ersten Abschnitt der Befragung ging Verteidiger Elfferding intensiv auf die Frage ein, welche Unterlagen seinerzeit dem jordanischen GID für die "Befragung" des angeblichen Zeugen Issawi von französischer Seite zur Verfügung gestellt wurden. Hintergrund ist einerseits die Behauptung der Staatsanwaltschaft und Rious, die Antworten des "Zeugen" hätten Täterwissen enthalten, deshalb muß es Issawi gewesen sein, der geantwortet hat und andererseits die bisherige Aussage Rious, man habe den jordanischen Behörden nur einen Fragenkatalog ohne weitere Unterlagen übergeben.
Auf einen Bericht Rious an Ermittlungsrichter Bruguiere eingehend wies die Verteidigung nach, daß aufgrund der darin erwähnten Fragestellungen mindestens Fotos und ein Drohbrief der Carlos-Gruppe in Amman vorgelegt worden sein mußten, da der "Zeuge" Issawi sonst die Fragen gar nicht hätte beantworten können. Dies räumte Riou nach anfänglichem Leugnen und nachdem er mehrmals gefragt werden mußte, schließlich auch ein. Auf weitere Indizien in dieser Richtung angesprochen, konnte sich der DST-Mann entweder "nicht genau erinnern" oder antwortete etwas anderes, als er eigentlich gefragt wurde.
Staatsanwalt Mehlis machte auf sich aufmerksam, indem er immer wieder Fragen der Verteidigung beanstandete, die nach kurzen Unterbrechungen vom Vorsitzenden allesamt für zulässig erklärt wurden.
Auf die Frage der Verteidigung, warum der angebliche Issawi in seinen Antworten Dinge dementiert, die er laut Unterlagen gar nicht gefragt wurde, vermutet Riou, daß vielleicht Antworten auf früher gestellte Fragen gegeben wurden. Als ihm die Verteidigung dann vorhält, daß es keinerlei Fragen mit einem solchen Inhaltsbezug vorher gab, schaltete sich wieder Herr Mehlis mit dem Hinweis ein, daß es ja vielleicht Antworten auf Fragen waren, die hinterher gestellt wurden, woraufhin die Verteidigung feststellt, daß der angebliche Issawi dafür übernatürliche Fähigkeiten benötigen würde.
Dann will die Verteidigung wissen, woher die Fragen in Rious Bericht kommen, denn diese seien weder im arabischen, noch im offiziellen französischen Text der "Aussage" enthalten. Er habe sich "Notizen gemacht" erklärt Riou den Umstand. Nun hält ihm RA Elfferding vor, daß er auf Befragen des Vorsitzenden in seiner zweiten Befragung hier genau das explizit ausgeschlossen hatte. Riou meint, daß Notizen "so selbstverständlich sind", daß er sie nicht erwähnen mußte. Vermerke über die den Jordaniern übergebenen Materialien und Unterlagen gebe es seinem Wissen nach nicht. Und eine Reihe von Fragen haben die Informationen bereits enthalten, den Bezug bereits in der Frage erwähnt. Deshalb sei es nach seiner Erinnerung nicht notwendig gewesen, extra Vermerke zu machen. Ein Beispiel sei die Frage an den "Zeugen" Issawi: "Erkennen Sie hier die Handschrift von Carlos, die wir aus geprüften Unterlagen haben". Die Formulierung der Fragen kommentierte ein Verteidiger mit dem Vergleich, daß "man einen Zeugen fragt, wie hoch denn der 3-Meter-Turm gewesen sei".
Nach der Mittagspause und einem weiteren Vorhalt bestreitet Riou plötzlich, daß außer Fotos andere Unterlagen an den GID übergeben wurden, um sie dem "Zeugen" Issawi vorzuhalten. Als ihm die Verteidigung daraufhin vorhält, daß er mindestens die Übergabe von Kopien eines Drohschreibens hier bereits bestätigt habe, verneint Riou dies. An dieser Stelle interveniert der Vorsitzende, weist den Zeugen darauf hin, daß er wahrheitsgemäß antworten müsse und erwähnt gleich dreimal, daß er ja sagen könne, wenn er sich nicht erinnere. Davon macht der Zeuge, danach befragt, ob der angebliche Issawi darüber informiert wurde, daß er auch Beschuldigter ist, dann auch Gebrauch.
Die Verteidigung weist Riou nun nach, daß es bei französischen Rechtshilfeersuchen an deutsche Behörden sehr wohl einen Anhang mit Unterlagen gab und will wissen, warum dies ausgerechnet bei dem Rechtshilfeersuchen an Jordanien nicht so gewesen sein soll. Erwartungsgemäß hat Riou darauf keine plausible Antwort und empfiehlt, die "Jordanier zu fragen". Als Elfferding daraufhin aus dem französischen Rechtshilfeersuchen an Jordanien den Abschnitt: "...sind alle rechtserheblichen Unterlagen zu übergeben" zitiert, hält Riou dies für zweideutig auslegbar und ist auch nicht von der Überzeugung der anwesenden Dolmetscherin zu beeindrucken, daß diese Passage eindeutig die Übergabe französischer Dokumente an die Jordanier beschreibt.
Offensichtlich durch das Aussageverhalten des Zeugen, die Beanstandungen der Staatsanwaltschaft und zutage tretenden Fehlern in den vorliegenden Übersetzungen entnervt, verliert sich die Verteidigung danach zunehmend in formellen Diskussionen mit dem Vorsitzenden.
Nach längerem Hin und Her findet Elfferding schließlich zu inhaltlichen Fragen an den Zeugen zurück. So sei in Rious Bericht, der sich vorgeblich auf den gleichen arabischen Text stützt wie die spätere offizielle Übersetzung, von vier Brüdern Issawis die Rede und der Name eines verstorbenen Bruders sei anders angegeben, in der offiziellen französischen Übersetzung und der amtlichen deutschen Übersetzung jedoch von drei Brüdern die Rede. Dies hält Riou für einen "Fehler des Übersetzers".
Und die Frage, warum sein Bericht, der doch laut seiner Aussage ein zusammenfassende Vorabinformation für den Ermittlungsrichter gewesen sein soll, erst ein Monat nach Fertigstellung der offiziellen Übersetzung für eben jenen Richter erstellt wurde, quittiert der Zeuge salopp: "Vielleicht waren die Jordanier schneller mit dem Übersenden des Textes nach Frankreich, vielleicht war ich auch langsamer mit meiner Arbeit".
Nächster Termin: 26.11., 9.30 Uhr, Turmstr. 91, Saal 500
|