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Göttingen: Freilassung der drei Angeklagten im Magdeburger § 129a-Verfahren

ROTE HILFE e. V. | Bundesvorstand
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23.11.2003

Göttingen


Freilassung der drei Angeklagten im Magdeburger § 129a-Verfahren


Am 21. November 2003 kam es in Halle zu einer überraschenden Wende im einen
Monat zuvor eröffneten §129a-Prozess gegen drei linke Aktivisten aus Magdeburg:
Nachdem die ZeugInnenvernehmungen der ersten acht Verhandlungstage keinerlei
Beweise für eine Schuld der Angeklagten erbracht hatten und auch ansonsten das
Verfahren ausschließlich auf schwachen Indizien und Mutmaßungen der
Ermittlungsbehörden fußte, hob der Vorsitzende Richter Hennig
(Oberlandesgericht Naumburg) die Haftbefehle gegen die Angeklagten auf, die
seit fast einem Jahr beziehungsweise seit sieben Monaten in Untersuchungshaft
waren.

Vorgeworfen werden ihnen Brandanschläge auf Fahrzeuge von Großkonzernen, des
Landeskriminalamtes (LKA) und des Bundesgrenzschutzes (BGS), die unter
verschiedenen Gruppennamen verübt wurden. Dahinter wollten die
Ermittlungsbehörden eine terroristische Vereinigung erkennen, die ihren
Ursprung in der offen arbeitenden Magdeburger Gruppe "Autonomer
Zusammenschlusz" haben sollte, wodurch der vollständigen Durchleuchtung der
dortigen Szene Tür und Tor geöffnet war.

Der Richter begründete seine Entscheidung damit, dass eine Verurteilung
wegen "Mitgliedschaft" bzw. "Rädelsführerschaft in einer terroristischen
Vereinigung" nicht wahrscheinlich sei und gab damit einem dahin gehenden Antrag
der Verteidigung vom 19.11.2003 statt. Hintergrund dieses Beschlusses war die
bei einer Hausdurchsuchung gefundene Auflösungserklärung der angeblichen
militanten Gruppe, mit der der dringende Tatverdacht der "Mitgliedschaft in
einer terroristischen Vereinigung" und der Haftgrund entfallen - eine
Einschätzung, die bereits das OLG Naumburg im Sommer abgegeben hatte.

Diese Unhaltbarkeit des Hauptvorwurfs, die jetzt konsequenterweise in die
Freilassung der drei Hauptangeklagten mündete, zeigt erneut, dass militante
linke Aktionen als Vorwand benutzt werden, um legal arbeitende politische
Strukturen zu durchleuchten, in ihrer Arbeit zu behindern und letztlich ihre
Zerschlagung zu ermöglichen. Zugleich fügt sich dieser Fall nahtlos ein in die
Repressionsstrategie, militanten Widerstand als terroristisch zu diffamieren
und zu entpolitisieren sowie an einzelnen AktivistInnen ein Exempel zu
statuieren mit dem Ziel, dadurch ganze Szenezusammenhänge einzuschüchtern.

Zudem wird deutlich, dass die vielmonatige Untersuchungshaft ebenso wie ein
ganzes Sammelsurium anderer Repressionsmaßnahmen gegen Magdeburger
Szeneangehörige, die von unübersehbaren Observationen bis hin zu
erpresserischer Einschüchterung aussageunwilliger Personen reichte, Teil einer
systematischen Schikanepolitik war. Diese fand beispielsweise auch in der
(später in Ordnungshaft umgewandelten) Beugehaft ihren Ausdruck, die der
Richter am siebten Prozesstag gegen einen Zeugen verhängte, der die Aussage
unter Berufung auf § 55 StGB verweigerte.

Mit der Einschätzung des Richters ist es noch offensichtlicher geworden, dass
die Anklage nach dem Gesinnungsparagraphen 129a ausschließlich den unbedingten
Verfolgungswillen der staatlichen Ermittlungsbehörden widerspiegelt, jedoch
jeglicher Grundlage in der Realität entbehrt.


Für die sofortige Einstellung des Verfahrens!
Weg mit den §§ 129, 129a und 129b!
Freiheit für alle politischen Gefangenen!


ROTE HILFE e. V.

 

24.11.2003
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