Mexiko: Politische Morde und drohender Generalstreik
Im mexikanischen Hinterland werden politisch unliebsame Personen
weiterhin ermordet. Nach mehreren Morden an Menschenrechts-AktivistInnen
in den letzten Monaten wurden diesen Mittwoch, den 26.November, zwei
Bauern in Oaxaca und Guerrero hingerichtet, wie die Zeitung La Jornada
heute berichtet. Die Täterschaft ist im Umfeld von (Para-)Militärs zu
suchen.
Oaxaca: Ehemaliger politischer Gefangener ermordet
An Isidro Miramar, San Agustín Loxicha. Der ehemalige politische
Gefangene und heutige Verantwortliche für Strassenbau der Gemeinde San
Isidro Miramar, Andrés Enriquez Hernández, wurde auf dem Weg zur Arbeit
von mehreren maskierten Männern angegriffen und ermordet. Enriquez
Hernández wurde im Jahre 2000 inhaftiert, weil ihm Zugehörigkeit zu der
Guerillagruppe EPR (Ejercito Popular Revolucionario) vorgeworfen wurde.
Später kam er aufgrund eines Amnestiegesetzes frei.
Guerrero: Kronzeuge gegen Militärs gefoltert und ermordet
La Floria, Atoyac de Alvarez. Der ehemalige Polizeikommandant Horacio
Zacarías Barrientos Peralta wurde auf seinem Acker von fünf Bewaffneten
gefoltert und anschliessend mit 15 Schüssen getötet. Zacarías Barrientos
war als Polizist in den Siebziger Jahren an der Repression gegen die
Guerilla von Lucio Cabañas und die Bevölkerung Guerreros beteiligt.
Folter, Mord und über 500 Verschwundene waren in diesem „Schmutzigen
Krieg zu beklagen. Die „Sonderstaatsanwaltschaft für politische und
soziale Bewegungen der Vergangenheit“ soll nun Licht in diese dunkle
Epoche Mexikos bringen, stösst jedoch auf grosse Schwierigkeiten, die
politisch Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Zacarías
Barrientos stellte sich als Kronzeuge der Staatsanwaltschaft zur
Verfügung, in einem Prozess gegen einen Veranwortlichen der Ermordung
von Professor Jacob Nájera Hernández, der am 2. September 1974 umkam.
Doch ob der Prozess nun ohne den ermordeten Kronzeugen stattfinden kann,
ist unklar. Der Angeklagte hätte just gestern, also am Tag nach der
Ermordung des Kronzeugen, verhaftet werden sollen ...
Privatisierungsschub - drohender Generalstreik
Gestern fanden ausserdem in Mexiko Stadt und verschiedenen anderen
Städten des Landes grosse Demonstrationen gegen die von Präsident Fox
geplanten weiteren Privatisierungsvorhaben statt. Dabei war auch der Ruf
nach einem Generalstreik zu hören, sollte die Regierung an einer
Privatisierung der Elektrizitätswirtschaft und einer unsozialen
Fiskalpolitik festhalten. An der „Megamarcha“ in Mexiko Stadt, welche
als Auftakt für einen „Plan des Volkswiderstandes“ gesehen wird, nahmen
rund 200'000 Personen teil.
Direkte Solidariät mit Chiapas, Zürich
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Wir dokumentieren im Folgenden noch einen Artikel von Poonal über die
mexikanischen Privatisierungspläne im Bereich des Justizvollzuges.
Auch Gefängnisse sollen privatisiert werden
(Mexiko-Stadt, 19. November 2003, na-poonal).- Mexiko steht seit langem
an der Spitze des Privatisierungsprozesses in Lateinamerika. Schon Ende
der Achtzigerjahre verkauften mexikanischen Präsidenten dem Privatsektor
die Telefongesellschaft, die Bahn, die Banken, das
Getreideverteilungssystem, die Elektrizitätswerke und sogar einen Teil
des Erdölunternehmens PEMEX. Es wundert deshalb nicht, wenn die
Politiker jetzt über die Privatisierung des unsteuerbaren, brutalen und
korrupten mexikanischen Gefängnissystems sprechen. Die Befürworter
dieses neuen Geschäfts denken, dass man nur damit in den nationalen
Strafanstalten "aufräumen" könne.
Das mexikanische Gefängnissystem beherbergt 180.000 Insassen, die in 448
Gefängnissen eingesperrt sind. Die Justizvollzugsanstalten schließen
sowohl die "Super-Maxis" (Hochsicherheitsgefängnisse) als auch die
kleinen Zuchthäuser ein. Momentan gibt es in Mexiko ein Defizit von
40.000 Knastplätzen und das System ist mehr als 27 Prozent über seiner
Kapazität ausgelastet. Um das System ein wenig zu entlasten, wurden
Frühentlassungsprogramme gestartet. Unter den Politikern wächst das
Interesse an der Privatisierung.
Eine Umfrage der Hewlett-Stiftung, die in Mexiko-Stadt und den
Bundesstaaten Mexiko und Morelos durchgeführt wurde, zeichnet ein
aufschlussreiches Bild der überfüllten mexikanischen Gefängnisse. In
diesen drei Staaten konzentrieren sich 21 Prozent der Gefangenen des
Landes. Die Befragung ergab, dass die meisten Verhafteten jugendlich (54
Prozent sind zwischen 18 und 30 Jahre alt) und arm sind (81 Prozent
werden in die Kategorie niedriges Einkommen eingestuft). Mehr als die
Hälfte der Häftlinge wurde wegen Eigentumsdelikten verurteilt, in denen
es um Diebstähle im Wert von 100 US-Dollar oder weniger ging. 70 Prozent
der Befragten erklärten, dass sie während der Gerichtsverhandlung von
keinem Anwalt vertreten worden seien. Schließlich berichteten 90 Prozent
der Befragten, dass sie während ihrer Haft bei der Versorgung mit
Kleidung, Lebens- und Arzneimitteln von ihren Familien abhängig seien.
Wenn die "Marías" und die "Super-Maxis" das Beste sind, was das
mexikanische Knastsystem zu bieten hat, sind die Bundes- und
Provinzgefängnisse von Michoacán, Monterrey und Chiapas ein wirkliches
Schlangennest. Dort machen Gangs, brutale Wächter, tödliche Aufstände
und Massenfluchten das Leben der Häftlinge zur Hölle. Der Geldmangel in
den Bundesstaaten Chiapas und Oaxaca führte schon zur Streichung der
Lebens- und Arzneimittelversorgung der Verurteilten. Täglich stehen dort
jetzt nur zwischen 0,80 und 1,5 Pesos (etwa 7 bis 13 Cent) für die
"Grundbedürfnisse" jedes Sträflings zur Verfügung.
Die Befürworter eines privaten Gefängnissystems argumentieren damit,
dass eine private Administration mit der defizitären Versorgung und dem
Missbrauch der Häftling aufräumen würde. Allerdings sind einige
mexikanischen Justizvollzugsanstalten seit langem durch die Vergabe von
Lizenzen privatisiert. Diese werden von korrupten Beamten an Insassen
und deren Familien verkauft. Am Schlimmsten traf eine solche verdeckte
Privatisierung das extrem überfüllte Gefängnis "El Pueblito" (das Dorf)
von La Mesa, einem Außenbezirk der nordmexikanischen Grenzstadt Tijuana.
Dort waren 6.500 Häftlinge in einem Gebäude untergebracht, das nur
Kapazitäten für 2.500 hat. Aufgrund des knappen Platzes wurden
sogenannte Wohnungen dort für einen monatlichen Preis von bis zu 5.000
Pesos (etwa 500 EURO) gehandelt. Die Lizenzen für den Vertrieb von
Drogen, Alkohol und das Prostituiertennetz wurden von schwer bewaffneten
Banden kontrolliert. "El Pueblito" hatte ein Einkaufszentrum mit
Videoclub, Friseursalons, Imbissbuden und sogar ein Geschäft für
Süßigkeiten (200 Kinder lebten dort).
Der Bundesstaat Mexiko, wo die Mehrheit der Straftäter des Landes
einsitzt, versucht sich jetzt an einer formellere Art der
Privatisierung. Aufgrund der Geldnot rief die Leiterin der Gefängnisse
des Bundesstaates zu einer öffentlichen Ausschreibung auf. Damit sollen
vier neue Knäste für bis zu 4.000 Menschen gebaut und 18 Jahre lang
privat betrieben werden. Danach sollen die Gebäude in die Hand der
Regierung übergehen. In der Zwischenzeit wird die Regierung des
Bundesstaates ungefähr zwei Pesos für die tägliche Versorgung jedes
Verurteilten zur Verfügung stellen.
Es wird vermutet, dass einige multinationale Unternehmen schon Interesse
an den Verträgen gezeigt haben, unter ihnen die französische Firma
Pecord und die US-amerikanischen Cornell Corporation und Corrections
Corporation of America (CCA). Die CCA ist der zweite Weltmarktführer in
diesem Bereich. Sie verwaltet 120 Gefängnisse mit 53.000 Gefangenen
weltweit. An der Spitze des Marktes steht die US-amerikanische Wackenhut
Correction Corporation.
Die Partei der Nationalen Aktion PAN (Partido de Acción Nacional) von
Präsident Vicente Fox macht momentan Druck für eine Privatisierung der
acht Gefängnisse in Mexiko-Stadt. Mit ungefähr 22.000 Häftlingen ist das
System in der Hauptstadt am Rande des Kollaps. Als Notmaßnahme wurden
Verträge für den Bau einer zweiten Etage auf den Knastbauten
unterschrieben. So soll Platz für weitere 7.000 Menschen geschaffen werden.
http://www.npla.de/poonal/aktuell.html#me
Poonal 600. Deutsche Ausgabe des wöchentlichen Pressedienstes
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