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Berlin: 160.Prozesstag | "Keinen blauen Schimmer"

160.Prozesstag: Keinen blauen Schimmer

Mit besonderer Spannung war das Plädoyer des Rechtsanwaltes Euler erwartet worden, ist er es doch, der nach Verhandlungen mit der Bundesanwaltschaft seinen Mandanten Rudolf S. zur weitestgehenden Aussage in diesem Verfahren bewegen und damit neben den Prozessbeobachtern vor allem die anderen Angeklagten und deren VerteidigerInnen überraschen konnte. Worauf würde denn einer, der mit der Gegenseite schon das Strafmaß ausgedealt hatte, nun noch plädieren können, fragten sich viele.

Und doch dauerte Eulers Plädoyer am vierten Jahrestag der Mehringhof-Stürmung ganze viereinhalb Stunden und war sichtlich vom Zorn des Juristen über das Plädoyer der Bundesanwaltschaft vor einer Woche getragen. Ergebnis seiner spannenden Ausführungen war eine weitere vernichtende Demontage der Aussagen des Kronzeugen, dessen Namen permanent im Munde führen zu müssen Euler „ärgerlich“ nannte. Außerdem stellte Euler mehrere Hilfsanträge, um für den Fall, dass das Gericht Mousli uneingeschränkte Glaubwürdigkeit einräume, der zunächst anhand der Akten erfolgten Zerpflückung des Kronzeugen Beweise folgen zu lassen. Insbesondere die frühere Lebensgefährtin Mouslis Karmen T. solle ihm dann gegenüber gestellt werden.

In langen, ausführlichen Blöcken ging Euler auf das Lügenkonstrukt Mouslis zum Themenkomplex „Seegraben“, „Decknamen-Änderung“, „Anschlag Hollenberg“, und „Anschlag Korbmacher“ ein. Im Zusammenhang mit dem Seegraben verdeutlichte Euler die Ungeheuerlichkeiten in Mouslis Aussagen im Laufe der Jahre 1999 und 2000 mit einem Auskunftgebenden, der ein verstecktes Depot zunächst mit vollkommener Sicherheit in einem Fußball-Stadion, und dort im Strafraum lokalisiere, nach erfolgloser Suche zunächst seinen Hinweis jedoch bis zum Anstoßpunkt, dann auf das gesamte Spielfeld und schließlich gar auf ein anderes Stadion ausdehnt. Nur das Mousli nach allen immer wieder geographisch ausgedehnten und ergänzten Aussagen zum „Sprengstoff-Einwurfort“ am Seegraben im Oktober 2000 wieder zu seiner allerersten Aussage zurückkam und an besagter Stelle bei späteren Spaziergängen stets den blauen Plastiksack will durch das Wasser schimmern haben sehen.

Insbesondere erzürnt und empört zeigte sich Euler über die nicht angemessene, kaltschnäuzige Missachtung der Bundesanwaltschaft für die von Euler ins Verfahren gebrachte Zeugin Barbara W. Diese völlige Unterschlagung ihres Beweiswerts gegen Mouslis Aussagen rührt nach Ansicht Eulers auch an seine Ehre als Anwalt und Verteidiger, habe er doch persönlich Aussagen zu diesem Komplex vor Gericht gemacht. Euler widmete diesem Sachverhalt eine ausführliche Erörterung.

Das Plädoyer endete mit Eulers Aufruf an das Gericht, dem Kronzeugen dessen Lügen nicht durchgehen zu lassen, und mit den Forderungen:

1. Das Verfahren gegen seinen Mandanten wegen Rädelsführerschaft in den RZ einzustellen;

2. Ihn zu sechs Monaten Freiheitsentzug wegen eines minderschweren Falls von Sprengstoffdelikt zu verurteilen und

3. den Haftbefehl gegen S. aufzuheben.

Ein ausführlicher Bericht folgt in Kürze.

Am 29. Dezember 2003 geht es um 14 Uhr mit dem Plädoyer des Rechtsanwalts von Schliefen für den Angeklagten Axel H. weiter. Am 8 Januar wird voraussichtlich die Verteidigung des Angeklagten G. plädieren.

 

19.12.2003
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