Berlin: 51. bis 54. Verhandlunstag im Weinrich Verfahren
> Kurztermin vor Weihnachten <
51. Verhandlungstermin im Weinrich-Verfahren
Der heutige Termin dauerte lediglich 25 Minuten.
Die Kammer verteilte die Unterlagen für das "Selbstleseverfahren" an die Prozessbeteiligten und wünschte ein frohes Weihnachtsfest.
Bei den überreichten Unterlagen handelte es sich um die Aussagen von Talbi, die Thema bei der Aussage des Zeugen Helfrich am 47. Verhandlungstag waren.
Da sich der Zeuge Helfrich bei der Vernehmung mit seinem schwachen Erinnerungsvermögen
"quälte!, hatte die Kammer, mit Einverständnis der Verteidigung sowie der Klagevertretung, entschieden diese Protokolle bzw. Aussagen nicht in der Verhandlung zu verlesen, sondern den Prozessbeteiligten die entsprechenden Unterlage für das "Selbstleseverfahren" zu überlassen.
Der nächste Verhandlungstermin ist der 2.1.2004 in Raum 700
>Der 1. Termin im neuen Jahr <
52. Verhandlungstermin im Weinrich-Verfahren
Der heutige Termin diente lediglich der Verhinderung einer Prozessunterbrechung.
Die Kammer hatte am 22.12.2003 bereits angekündigt, dass es ein kurzer Termin werden würde und dass "irgendetwas" verlesen werden solle.
Also wurden, für etwa 20 Minuten, Teile des Urteils gegen den ehemaligen Stasi-Major Voigt verlesen, der wegen Beihilfe verurteilt worden war.
Erstaunlich war für den Zuhörer lediglich, dass dieser Beklagte bereits v o r Anschluss des Maison de France Verfahrens, in dem Johannes Weinrich verurteilt wurde, zu einer Strafe von 4 Jahren verurteilt worden war.
Es scheint also bereits vor Beginn des Verfahrens gegen Weinrich "klar" gewesen zu sein, wer der Verantwortliche gewesen sein sollte.
> Die Schriftsachverständigen sind wieder da <
Der 53. Verhandlungstag im Weinrich-Verfahren
Herr Philipp und Frau Wagner-Allendar waren heute wieder zur Befragung erschienen.
Bereits am 50. Verhandlungstag hatte Rechtsanwalt Häusler darauf hingewiesen, dass nach seiner Auffassung s ä m t l i c h e Aufzeichnungen der Gutachter dienstliche Aufzeichnungen seien und deshalb zur Akte gegeben werden müssen.
Der Sachverständige Philipp hatte das verneint und die Aufzeichnungen als privat bezeichnet.
Am heutigen Verhandlungstag stellte RA Häusler den Antrag, dass diese Aufzeichnungen nunmehr zu Akte gelangen sollten, er stellte ebenfalls den Antrag, dass die Zeugin Wagner-Allendar während der Vernehmung des Zeugen Philipp nicht im Verhandlungssaal anwesend sein solle.
Diesem Antrag folgte die Kammer und die Zeugin nahm auf dem Flur Platz.
Wegen der, auch von anderen Zeugen bekannten, großen Erinnerungslücken des Zeugen schleppte sich der Verhandlungstag, der deutlicher durch diverse Unterbrechungen gekennzeichnet war als durch tatsächliche Aussagen des Zeugen, dahin.
Nach der Mittagspause durfte die Zeugin Wagner-Allendar dann, aufgrund der neuen Entscheidung der Kammer, während der Vernehmung des Zeugen Philipp im Saal anwesend sein, was bei der Verteidigung zu einigen Irritationen führte.
Im zweiten Teil der Vernehmung des Zeugen ging es dann um die äußeren Umstände, die zur
Erstellung des Gutachtens bzgl. der "Bekennerbriefe" geführt hatten.
Der Zeuge war, nach längerem Hin und Her, dazu bereit, der Kammer den dem Asservat beigefügten Auftrag vorzulegen. Dabei fiel der Verteidigung, nach Verlesung des Auftrages, auf, dass in diesem von beigefügten "Vermerken" die Rede war.
Rechtsanwalt Häusler stellte den Antrag, dass auch diese Vermerke verlesen werden sollten.
Der Zeuge verweigerte die Übergabe an das Gericht, da er erst eine Erlaubnis einholen müsse und bat die Kammer einen förmlichen Antrag an das BKA zu stellen.
Das Ende dieses Verhandlungstages war durch den Antrag von RA. Häusler bestimmt, der darauf zielte, dass sämtliche Unterlagen, die der Zeuge während seiner Vernehmung genutzt hatte, zu den Verfahrensakten bei gezogen werden sollen, da sie dienstlichen Charakter haben.
Staatsanwalt Mehlis hielt das, erwartungsgemäß, für unnötig. Ein Vertreter der Nebenklage schloss sich Herrn Mehlis mit dem Argument an, dass in den besagten Akten ja nur Notizen zu finden sein würden, die von den Verfahrensbeteiligten ohnehin nicht ohne weitere Erklärungen der Sachverständigen zu verstehen seien und dass bereits die vorliegenden Gutachten die Erkenntnisse der Gutachter, für jeden verständlich, die Erkenntnisse transportieren würden.
Diese Stellungnahme der Nebenklage veranlasste RA. Häusler zu einer scharfen Entgegnung, in der er darauf abstellte, dass es nicht angehen könne, dass sich ein Rechtsanwalt mit einer solchen Argumentation produziere.
Wenn das gängige Praxis werden würde, dass die Anwaltschaft bereit sein würde, auf Aktenteile in einem Verfahren zu "verzichten" dann (wörtliches Zitat) "gute Nacht".
Nächster Verhandlungstermin ist der 13.1.2004 im Saal 500
Eine weitere Vernehmung des Zeugen Riou
> Riou, die Fünfte <
54. Verhandlungstag im Weinrich-Prozeß
Jean-Francois Riou, DST-Mann aus Paris und Mitglied der Ermittlungsgruppe bei der Vernehmung des angeblichen Zeugen Issawi in Amman, war zum fünften mal als Zeuge geladen. Dabei hatte er sich vornehmlich Fragen der Verteidigung zu stellen.
Herr Lehmann vom BKA war natürlich auch wieder da. War bis dato schon klar, daß er für die Betreuung Rious in Berlin zuständig ist, wurde nach einer offenherzigen Äußerung des Vorsitzenden außerdem deutlich, daß "Lehmann der Ladungsweg für diesen Zeugen ist". Riou wird also nicht wie üblich über den Senator für Justiz geladen, sondern erscheint in Berlin nach Gesprächen Lehmanns mit Rious Vorgesetzten (Anmerkung: Lehmann spielte im Maison de France-Verfahren gegen Weinrich eine ebenso entscheidende wie dubiose Rolle)
Zum Verständnis des ersten Teils der Befragung ist es notwendig zu wissen, daß es von der arabischen Version der "Aussage" Issawis mindestens drei verschiedene Übersetzungen gibt: Eine erste, in Amman gefertigte, die Grundlage von Rious Bericht war, eine zweite, offizielle französische Übersetzung und eine offizielle deutsche Übersetzung.
Die Verteidigung wies anhand mehrerer Vorhalte nach, daß es Abweichungen zwischen den beiden französischen Varianten gibt. So fehlen in Rious Bericht bestimmte Fragen, bzw. tauchen Fragen auf, die in der offiziellen Variante fehlen. Der Zeuge versuchte dies mit dem litaneihaft wiederholten Satz, daß sein Bericht "kein formeller Akt des französischen Verfahrens" sei zu begründen und proklamierte gebetsmühlenartig, man solle sich in der Befragung auf die offizielle Übersetzung beziehen. Die Verteidigung mochte dem nicht folgen, war es ihr an diesem Punkt doch wichtig, die Glaubwürdigkeit des Zeugen zu überprüfen. Sie konfrontierte Riou mit früheren Aussagen, in denen der Zeuge erklärt hatte, sein Bericht sei im französischen Recht vorgeschrieben. Dies relativierte Riou nun und stellte fest, daß sein Bericht lediglich als Gedächtnisstütze und "Roh-Arbeitsgrundlage" für den ermittelnden französischen Richter gedient habe bevor die offizielle arabische Version der "Aussage" auf diplomatischem Weg nach Frankreich gelangte und übersetzt worden sei. Ungeklärt blieb die Frage, warum Rious "Gedächtnisstütze" dann erst einen Monat nach der offiziellen Variante auf dem Tisch des Richters landete.
Hatte Riou in den bisherigen Vernehmungen immer davon gesprochen, daß er sowohl die Fragen des Rechtshilfeersuchens an Jordanien als auch die Zusatzfragen vor Ort formuliert habe, mochte er in der heutigen Befragung auch daran so nicht mehr festhalten. Im Verlauf der sechsstündigen Vernehmung ging er schließlich von einer gemeinsamen Urheberschaft mit Richter Bruguiere zu der Haltung über, daß eigentlich keine einzige Frage so von ihm stamme und man zu all dem doch besser den Richter vernehmen müsse. Dies wirkte auf die Verteidigung als taktische Schutzbehauptung, da die Ermittlungen zur Sache in Frankreich noch nicht abgeschlossen sind und ein Ermittlungsrichter nicht zu laufenden Verfahren vernommen werden darf.
Ein weiterer, für die Verteidigung relevanter Aspekt, war die Formulierung der Fragen an "Issawi", enthalten sie doch eine Reihe von Vorgaben, die RA Elfferding als "Suggestivfragen" charakterisierte. Dem stimmte erstaunlicherweise auch der Vorsitzende zu. Riou erklärte, daß sie nach dem "Trichterprinzip" gefragt hätten, welches von allgemeinen Fragen zu immer detaillierteren übergeht. Auf die Frage, ob solcherart Suggestivfragen denn in Frankreich erlaubt seien, verwies der Zeuge abermals auf Richter Bruguiere und meinte, man solle ihn dazu befragen.
Ein weiterer Abschnitt der Vernehmung betraf die angebliche Rolle von "Heidi" (Christa Fröhlich) beim Anschlag in der Rue Marbeuf (siehe hierzu den Bericht vom 32. Verhandlungstag). Während nämlich der französische Fragenkatalog und die französischen Berichte zum Tatkomplex (ohne konkrete Beweise) von einer Täterschaft Fröhlichs und einer Gleichsetzung Stadelmann/Fröhlich ausgehen, hatte "Issawi" bekundet, "Tina" (Wilhelmine Götting) sei seinerzeit von Carlos beauftragt worden, das Tatfahrzeug in Jugoslawien anzumieten. Auch an diesem Punkt empfahl Riou, sich mit Fragen an Richter Bruguiere zu wenden.
In einem umfangreichen Abschnitt der Vernehmung ging RA Elfferding auf verschiedene Argumente Rious aus seiner Vernehmung vom 11. November ein, die angeblich für die Identität Issawis sprechen. So ist in "Issawis" Aussage nachzulesen, daß ein gewisser Fuad Habbad verstorben sei und ein Drohbrief von Carlos an den französischen Innenminister in zwei Briefumschlägen versandt wurde. Dies waren für Riou wichtige Indizien zum Belege der Identität Issawis, da es ansonsten bis heute keine Beweise gibt.
Die Verteidigung wies im Folgenden nach, daß Habbad im arabischen Raum eine durchaus bekannte Persönlichkeit war, der unter anderem durch einen Staatsstreichversuch 1961 im Libanon Aufmerksamkeit erlangte und dessen Tod in verschiedenen arabischen Zeitungen vermeldet wurde. Von Insider-Wissen könne da wohl nicht die Rede sein.
Zum Drohbrief in zwei Umschlägen führte Elfferding aus, daß dieser einerseits über den französischen Botschafter in Den Haag an den Innenminister gerichtet gewesen sei und deshalb logischerweise in zwei Umschlägen gesteckt habe und andererseits das Original und einer der Umschläge verschwunden sind.
Der Zeuge blieb unbeeindruckt davon überzeugt, daß dies trotzdem "wichtige Merkmale für die Identität Issawis" seien.
Nächster Termin: 26.01., 10 Uhr, Turmastr. 91, Saal 500
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