Wien: Uni-Besetzung - ein Bericht und eine erste Einschätzung
Uni-Besetzung in Wien - ein Bericht und eine erste Einschätzung
Der Unmut ist groß. Mit dem neuen Organisationsplan soll auf der Universität
Wien das unterste zu oberst gekehrt werden. Die wesentlichen Eckpunkte sind
einerseits eine vollständig Umstrukturierung der Uni Wien, andererseits und
vor allem eine drastische Einschränkung der studentischen Mitbestimmung auf
der Universität Wien. Dieser Organisationsplan ist Folge des
Universitätsgesetzes 2002 (UG 02), das die Neustrukturierung der Unis und
damit einhergehend eine größere Autonomie der einzelnen Unis sowie mehr
Macht für die Rektoren bedeutet. Diese Autonomie ist - ähnlich wie die
Schulautonomie, die bereits vor einigen Jahren gegen den Widerstand der
SchülerInnen umgesetzt wurde - eine direkte Vorleistung für die Öffnung der
Unis für wirtschaftliche Interessen. (Mehr dazu in unserem Interview mit
Mario Thalwitzer, Studienrichtungsvertreter der Studienrichtung
Kunstgeschichte an der Universität Wien unter
http://www.sozialismus.at/zeitung/mr26/oe_mr26/interv.kunstge.htm)
Am Mittwoch, dem 14.1., fand daher eine HörerInnenversammlung im Audimax,
dem größten Hörsaal der Uni Wien statt, an der mehrere hundert Studierende
teilnahmen. Die Stimmung war dabei - im Vergleich zu Audimax-Plena in
vergangenen Jahren - nicht so kämpferisch, es war klar, dass nur eine sehr
bewusste Minderheit unter den Studierenden für dieses Thema zu interessieren
war. Dennoch war die Meinung sehr wohl, dass etwas getan werden müsse.
AktivistInnen der revolutionären Linken (darunter der AL) brachten
einerseits konkrete Vorschläge ein und versuchten andererseits,
grundsätzliche Überlegungen einzubringen, wie Kämpfe von Studierenden, die
selbst keine ökonomische Macht haben, gewonnen werden könne (nämlich durch
den Versuch, andere gesellschaftliche Gruppen für gemeinsame Aktionen zu
gewinnen).
Es wurde schließlich beschlossen, für den nächsten Tag nochmal eine
HörerInnenversammlung einzuberufen. Hintergedanke war, danach die
Rektorenkonferenz zu stören, die an diesem Tag den "Orgplan" beschließen
wollte. Dies wurde im Anschluß an die HörerInnenversammlung am Donnerstag,
dem 15.1. getan, sowohl der Sitzungssaal des Senats wie das Rektorat B der
Universität wurde besetzt. Die Rektoren, die im Senatssaal getagt hatten,
flüchteten in ein Nebenzimmer und schlossen sich dort ein, die Studierenden
begannen währenddessen ihre Besetzung. Es wurde beschlossen, die beiden
Besetzungen über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten und nicht
freiwillig aufzugeben, sondern sich hinaus tragen zu lassen, sollte die
Polizei die Besetzung aufheben wollen. Interessant war vor allem die Frage
der Rektoren, die sich immer noch im Raum neben dem Senatssaal verschanzten
und aus Angst vor dem Protest der Studierenden ihren Raum nicht öffnen und
verlassen wollten (dabei hinderten die Rektoren auch
StudierendenvertreterInnen, die in der Sitzung gewesen waren, am Verlassen
des Raumes). Anfänglich war die Rede davon, dass die Rektoren den Raum
jederzeit verlassen könnten.
Auffällig war, dass zu Beginn der gesamte Ablauf einer im Vorhinein
geplanten Dramaturgie zu folgen schien. Einige FunktionärInnen der ÖH hatten
die Infos, was bei der jeweils anderen Besetzung besprochen war und leiteten
von Anfang an die Aktionen. Dies stieß bei immer mehr AktivistInnen auf
Unmut, bis schließlich VertreterInnen der AL und der anderen anwesenden
revolutionären Gruppen ein Plenum im Senatssaal forderten und durchsetzten,
bei dem die Vorgangsweise für den Rest des Abends und der Nacht demokratisch
beschlossen wurde. Es wurde bekräftigt, dass es keine freiwillige Räumung
geben würde, geklärt, dass genug AktivistInnen da wären, um beide
Besetzungen über Nacht aufrechtzuerhalten und auch besprochen, die Besetzung
bis zum darauffolgenden Abend aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig wurde von uns
vorgeschlagen, im Anschluss an das Plenum eine inhaltliche Diskussion zu
beginnen, an der sich schließlich rund 50 - 60 Studierenden beteiligten.
Diese Diskussion wurde von der Information unterbrochen, dass die Sitzung
der Rektoren in rund 20 Minuten beendet würde. Nun geriet die Dramaturgie
außer Kontrolle, da die anwesenden Studierenden spontan beschlossen, die
Ausgänge mit Menschenteppichen zu blockieren. Schließlich mussten die
Rektoren durch ein Polizeispalier geschleust werden, rechts und links
erboste Studierende.
Die Studierenden richteten sich nun für die Nacht ein. Der Großteil verhielt
sich sehr diszipliniert, leider meinten einige wenige, dass Alkohol zu einer
Besetzung notwendig wäre, was in Hinblick auf eine mögliche Räumung nur als
unverantwortlich bezeichnet werden kann.
Die Pressekonferenz am nächsten Morgen war ein großer Erfolg, die Besetzung
war den ganzen Tag über auch die Hauptmeldung in den meisten
Radionnachrichten und nahm einen wichtigen Teil in den ORF-Nachrichten ein.
Tagsüber fanden auf der Uni mehrere Arbeitsgruppen statt. Gegen Abend
sollte - quasi als Abschluß der Besetzung - eine PR-Veranstaltung des
Rektorats gestört werden, die allerdings kurzfristig abgesagt wurde,
woraufhin die Studis für einige Zeit die Ringstrasse blockierten. Im
Anschluß daran ging die Besetzung zu Ende.
Die Aktion war insgesamt sehr gut und sehr wichtig, sie brachte großes
mediales Echo und veränderte sicher auch etwas im Bewußtsein der anwesenden
Studierenden. Dennoch ist klar, dass nun weitere Aktionen folgen müssen, die
auf die Einbeziehung größerer Teile der Studierenden zielen. Bisher hatte
sich die ÖH leider weitgehend auf "kreative" mediale Aktionen beschränkt,
die Besetzung ist ein erster Schritt in die richtige Richtung.
Klar ist aber auch, dass die Studierenden dafür einen langen Atem brauchen.
Ein Grund, warum das Interesse an den aktuellen Protesten nicht höher ist,
ist sicher die Tatsache, dass die Studierenden in Österreich in den letzten
Jahren eine ganze Reihe von Kämpfen geführt, aber verloren haben, zuletzt
den Kampf gegen die Einführung der Studiengebühren. Viele Studierende haben
kein Vertrauen mehr in Aktivität, sondern wollen nur so schnell wie möglich
fertig studieren. Unterstützt wird diese Einstellung von immer größeren
finanziellen Belastungen, aber auch von großen Schwierigkeiten, aufgrund der
mangelnden universitären Ressourcen überhaupt vernünftig studieren zu
können. Dementsprechend ist es für die Regierung leicht, einen
Studierendenstreik auszusitzen. Die Angst um das Stipendium, die
Familienbeihilfe oder den Verlust eines Semesters wiegt schwer.
Das Problem der Studierenden ist, dass sie selbst kaum oder keinen
ökonomischen Druck ausüben können, im Gegensatz dazu aber selbst einem
solchen massiv ausgesetzt sind. Nicht zuletzt daran zerbricht gerade der
Studierendenstreik in Deutschland. Mittelfristig wird die einzige Lösung für
die Studierendenbewegung sein, den Schulterschluss mit den anderen vom
Sozialabbau betroffenen Gruppen zu schaffen. Besonders gefragt sind hier die
LehrerInnen, die EisenbahnerInnen und andere Gruppen des öffentlichen
Dienstes, die in der Vergangenheit bereits ihre Kampfbereitschaft bewiesen
haben.
AL - Antifaschistische Linke
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