Berlin: Weinrich-Prozess: 55. Verhandlungstag
Schafsmilch oder Kuhmilch?
55. Verhandlungstag im Weinrich-Prozeß
In Fortsetzung der Vernehmung vom 53. Verhandlungstag waren die BKA-Schriftsachverständigen Philipp und Wagner geladen.
Verteidiger Häusler beantragte zu Beginn der Vernehmung von Herrn Philipp, daß die Zeugin Wagner außerhalb des Gerichtssaales warten solle, da sie einerseits bei der letzten Vernehmung des Zeugen Philipp dazwischengerufen hatte und andererseits eventuell noch als Zeugin zum gleichen Thema vernommen werden könnte. Dies wurde von der Kammer per Anordnung mit anschließendem Gerichtsbeschluß abgelehnt.
Gleich anschließend wurde ein Antrag der Verteidigung vom 53. Verhandlungstag über die Beiziehung der von Herrn Philipp als privat charakterisierten Aufzeichnungen über seine Londoner Dienstreise ebenfalls abgelehnt.
Bei dieser London-Reise haben Herr Philipp und Frau Wagner 1979 vier Original-Schriftstücke untersucht, die Sanchez ("Carlos") zugeordnet werden. Während der Befragung wurde deutlich, daß es für die BKA-Beamten seinerzeit keinen Authentizitätsnachweis der Schriftproben gab. Das Zustandekommen eines 1997 erstellten Echtheitsnachweises seitens des BKA konnte nicht geklärt werden. Auch konnte der Sachverständige nicht erklären, woher die untersuchten Schriftstücke stammen. Im Übrigen sei nur ein Teil der an Originalen üblicherweise vorgenommenen physikalischen Untersuchungen vorgenommen worden (Anmerkung: Der einzige Sinn der Begutachtung von Originalen besteht in der physikalischen Untersuchung. Alle anderen Untersuchungen, wie z. B. Größe, Lage, Schrifteigenarten etc., können auch anhand von Reproduktionen erfolgen). Eine Äußerung des Zeugen, wonach in das damalige Merkmalsprotokoll auch Befundtatsachen eingegangen sind, ohne das sich heute noch sagen läßt, welche das waren, wollte Verteidiger Häusler protokolliert wissen und stellte einen entsprechenden Antrag. Der Anwalt begründete den Antrag damit, daß die Entstehung eines Gutachtens damit nicht mehr nachvollziehbar wäre. Auch dieser Antrag wurde per Anordnung mit anschließendem Gerichtsbeschluß zurückgewiesen, da "eine Protokollierung weder genau noch sinngemäß notwendig" sei.
Unmittelbar nach der Mittagspause folgte ein erneuter Antrag der Verteidigung auf Ausschluß von Frau Wagner, da sie während der gesamten Zeit Aufzeichnungen machte und darüber in den Pausen mit dem Zeugen sprach. Dem dritten Antrag erging es wie den beiden vorangegangenen. Die sehr akribisch, jedoch nicht besonders ergebnisreiche Vernehmung fasste der Angeklagte mit den Worten zusammen: "Sie haben eine Milchtüte aus London, aber sie können nicht sagen, ob Kuhmilch oder Schafsmilch darin ist".
Nächster Termin: 28.01., 9.30 Uhr, Turmstr. 91, Saal 500
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