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Berlin: Weinrich-Prozess: 58 _Verhandlungstag

Das Dilemma mit den Übersetzungen

58. Verhandlungstag im Weinrich-Prozeß

Rechtsanwalt Elfferding bestritt mit einem umfangreichen Antrag das Programm des Verhandlungstages.

Der Antrag, der sich in diverse Unteranträge gliedert, beschäftigt sich mit der Jordanien-Reise der französischen Ermittler und deren Begleitumständen im Zusammenhang mit der "angeblichen Vernehmung des angeblichen Zeugen Issawi" (siehe hierzu: 14., 34., 36., 39., 41., 44., 45. und 54. Verhandlungstag).

Dabei verwies Elfferding zunächst auf verschiedene Widersprüche zwischen dem sogenannten Riou-Bericht und der offiziellen französischen als auch der offiziellen deutschen Übersetzung des arabischen Textes. Als ein Beispiel nannte er eine "angebliche Antwort des angeblichen Zeugen Issawi" auf die Frage nach seiner Zugehörigkeit zur Carlos-Gruppe. Demnach hatte Issawi laut Riou geantwortet, daß seine Antwort "für alle Stellen gilt, die ihn befragen", während in den offiziellen Übersetzungen an dieser Stelle steht, daß "die Antworten von der Seite abhängt, die mich befragt".

Und obwohl die Kammer eine Übersetzung der offiziellen französischen Version bereits mit Gerichtsbeschluß abgelehnt hat, beantragte der Verteidiger nach erneuten Widersprüchen Rious am 54. Verhandlungstag erneut diese Übersetzung. Die bisherigen Widersprüche seien nur durch Direktübersetzungen einzelner Teile durch die Französisch-Dolmetscherin in der Hauptverhandlung offenbar geworden. Außerdem solle Riou für seine nächste Ladung aufgegeben werden, sämtliche Notizen und weitere Berichte im Zusammenhang mit der Reise nach Amman mitzubringen, sowie diese zu übersetzen. Die bisherige Praxis der Kammer nannte Elfferding eine "behördliche Weigerung, die Glaubwürdigkeit des Zeugen Riou zu überprüfen", hinter der möglicherweise der Plan stehe, die angebliche Aussage Issawis via Riou in einem Urteil verwerten zu können.

"Überrascht" zeigte sich die Verteidigung deshalb von einer "klammheimlichen" neuen deutschen Übersetzung des arabischen Textes durch einen Herrn Dr. Salem, hatte die Kammer dem ersten Übersetzer ins Deutsche, Herrn Abdelwahab doch ursprünglich " volle Glaubwürdigkeit" bescheinigt. Da die oben zitierte Passage aus der "Aussage" Issawis in der Abdelwahab-Übersetzung jedoch im Widerspruch zu der aus dem Bericht Rious stand, vermutet die Verteidigung eine spezielle Absicht hinter dieser neuen Bereitwilligkeit zu Übersetzungen. Dies scheint nicht ganz unberechtigt, stützt die neue Übersetzung des Dr. Salem doch die Formulierung im Riou-Bericht. Auf diese Weise müßte die Kammer dann einfach nur noch die Salem-Übersetzung berücksichtigen, um Widersprüche zu glätten. Die Verteidigung beantragte deshalb die Ladung von insgesamt drei beteiligten und einem unabhängigen Dolmetscher, um diese dann jeweils zu den Differenzen in den Übersetzungen befragen zu können. Begründet wurde dies unter anderem damit, daß es "zur Aufklärungspflicht der Kammer gehöre, alles zu prüfen, was die Glaubwürdigkeit eines Zeugen vom Hörensagen, dem ein Zeugen vom Hörensagen darüber berichtet hat, was ein angeblicher Zeuge gesagt haben will, betrifft".

Und da es nach dem bisherigen Stand der Beweiserhebung mindestens zwei Versionen des arabischen Textes geben müsse, wurde die Beiziehung und Übersetzung der zweiten Version sowie verschiedener fehlender französischer Aktenteile in diesem Zusammenhang beantragt.

Der Verteidigung sei bei Aktendurchsicht auch aufgefallen, daß der französische Ermittlungsrichter Bruguiere die Übersetzung des arabischen Textes Mitte April 2001 in Auftrag gegeben hat, diese von der französischen Staatsanwaltschaft offiziell jedoch erst Ende April 2001 erhalten hat. Um solche "Merkwürdigkeiten" zu klären und weil der Zeuge Riou selbst diverse male darauf hinwies, daß man in vielen Punkten "Richter Bruguiere fragen müsse", beantragte die Verteidigung die Ladung des Ermittlungsrichters als Zeugen.

Der Vorsitzende Ehestädt kündigte zum einen die Aufhebung aller "Mittwoch-Termine" bis Mitte März an und gab als Ausblick für die nächsten Verhandlungstage zu verstehen, "daß wir ja noch jede Menge Anträge der Verteidigung zu bearbeiten haben", bzw. "Auszüge aus dem Maison de France-Urteil verlesen werden".

Nächster Termin: 23.02., 9.30 Uhr, Turmstr. 91, Saal 500

 

16.02.2004
anonym zugesandt   [Aktuelles zum Thema: Repression]  [Schwerpunkt: Weinrich-Prozess]  Zurück zur Übersicht

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