Berlin: 170. Prozesstag: "Babyblauer Bereich"
170. Prozesstag: \"Babyblauer Bereich\"
Krankheitsbedingt, Sabine E. quälte eine schwere Erkältung und Migräne, war der heutige Prozesstag kurz.
Rechtsanwalt Eisenberg, der, wie er sagte, "ja eigentlich gegen die erneute Vernehmung des Kronzeugen Mousli" war, rekapitulierte die Ergebnisse der Vernehmung Mouslis vom 168. Prozesstag. Er forderte, da erwiesen sei, dass Mousli auch in diesem Fall gelogen habe, die Abtrennung des Verfahrens seiner Mandantin und deren zügige Aburteilung, um dem "unappetitlichern Schauspiel hier nicht länger beiwohnen zu müssen".
Aus der Befragung Mouslis sei zweifelsfrei hervorgegangen, dass der von Sabine E. verfasste Text als Ende ihres Engagements in den RZ zu lesen sei. Darüber hinaus sei auch deutlich geworden, dass Mousli in Hinblick auf den angeblichen Waldspaziergang gelogen hat. Dies sei nicht zuletzt deswegen klar geworden, weil Mousli allen Ernstes behauptet, die Berliner RZ-Gruppen hätten sich erst zwei Jahre nach den Angriffen der Polizei auf die Strukturen der RZ in Westdeutschland Ende 1987 zu einem Waldspaziergang getroffen, um dort über "Sicherheitserwägungen" zu sprechen.
Sodann wurde als Zeugin erneut die Biologin Dr.in Kasten (38) zu ihren Gutachten hinsichtlich des Algenbewuchses auf dem Sprengstoffpaket aus dem Seegraben befragt. Während Bundesanwaltschaft und der heute weder besonders penetrant auftretende Richter Alban der Verteidigerin Lunnebach unterstellten, sie habe die Gutachterin vor deren ergänzender Expertise heimlich gebrieft, bemühte sich diese vielmehr als ökologische Biologin zu erläutern, was sie vor allem an der erneuten Ladung irritiert habe: "Ich bin nicht der Meinung, dass meine hier vorgelegten Ergebnisse gerichtsrelevant gewesen sind. Ich kann im Rahmen meiner Forschungsergebnisse nicht sagen, ob das Paket zwei Monate oder vier Jahre im Wasser gelegen hat. Es ist mir egal, ob das der Verteidigung nützt oder der Bundesanwaltschaft. In der Ökologie muss man Daten interpretieren, und das geht angesichts der Datenqualität hier nicht."
Das sei weder - wie sie auf mehrfache Nachfragen betonte - mit den statistischen Methoden des Sörensen-Index, der Jaccardschen Zahlen noch des Reukonen-Index möglich gewesen, weil das Ausgangswissen und -material zu dürftig gewesen sei bzw. das Material bereits zu lang gelagert und behandelt worden war.
Wir ersparen der geschätzten LeserInnenschaft die weiteren Angriffe des Richter Alban gegen die als Gutachterin geladene Zeugin, die diese quasi zur Angeklagten machten, ebenso, wie weitere statistische Details und Interpretationsnotwendigkeiten aus der Ökologie: Dr.in Kasten erläuterte dies am Richtertisch mehrfach, um erneut zu bekunden, dass sie sich angesichts der Ergebnisse gewundert habe, dass die Daten im Plädoyer der Bundesanwaltschaft überhaupt Verwendung fanden. Das gelte für alle ihre statistischen Befunde, auch für die, wie sie auf Nachfragen bekundete, "im babyblauen Bereich" (Lunnebach).
Ein längerer Bericht entfällt, der Prozess wird am 26. Februar 2004, 9.15 Uhr fortgesetzt.
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