Göttingen: Rassistischer Polizeiübergriff im Bahnhof
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Presseerklärung
Göttingen, den 5.3.04
Rassistischer Polizeiübergriff im Bahnhof in Göttingen - misshandelter
Flüchtling musste in die Notaufnahme.
Gestern (4.3.04) gegen 16:40 Uhr ist es am Göttinger Bahnhof zu einem
gewalttätigen Übergriff von Polizeibeamten gegenüber einem Flüchtling aus
Sierra Leone gekommen. Raphel S. wurde nachdem er aus dem Zug stieg von
Polizeibeamten kontrolliert. Als er den genauen Grund für die Kontrolle
erfahren wollte, wurde er von 6 Polizeibeamten gewaltsam festgenommen. Bei
der Festnahme erlitt Raphel S. so schwere Verletzungen, dass er in die
Notaufnahme der Universitätsklinik eingeliefert werden musste.
Als Raphel S., der auch Mitglied der Flüchtlingsorganisation The Voice
Göttingen ist, mit dem Zug in Göttingen ankam, wurde er von zwei
Zivilbeamten angesprochen und aufgefordert sich auszuweisen. Raphel S.
wollte den Grund für die Personalienüberprüfung wissen, woraufhin die
Zivilbeamten lapidar aufs Ausländerrecht verwiesen. Als er sich mit der
Erklärung nicht zufrieden gab und eine genauere Erklärung für die
Personalienüberprüfung einforderte, riefen die Polizisten Verstärkung.
Zu sechst (!) warfen die Polizeibeamten Raphel S. gewaltsam zu Boden,
drückten ein Knie in seinen Nacken und legten ihm Handschellen an.
Raphel S. bat umstehende Personen um Hilfe gegen den gewalttätigen
Polizeiübergriff. Ein Mann der sich daraufhin an die Polizeibeamten
wendete
wurde von diesen ignoriert. Zur Zwangsüberprüfung der Personalien wurde er
mit auf die Wache des Bundesgrenzschutzes (BGS) am Bahnhof getragen.
Bei der
Festnahme erlitt der Flüchtling derart schwere Verletzungen, dass er nicht
in der Lage war selbständig die BGS-Wache zu verlassen. Daraufhin
sahen sich
die Polizisten genötigt einen Rettungswagen anzufordern, der den
verletzten
Flüchtling in die Notaufnahme des Universitätsklinikum brachte. Dort wurde
er um 18:30 Uhr aufgenommen, also fast zwei Stunden nach dem gewalttätigen
und rassistischen Polizeiübergriff im Bahnhof.
Kurz nach 21 Uhr konnte er aus dem Krankenhaus entlassen werden. Die Ärzte
diagnostizierten Verletzungen im Halswirbelbereich, an einer Schulter,
eine
Kniegelenkdistorsion am linken Knie, eine Handgelenkdistorsion am linken
Handgelenk sowie Prellmarken. Raphel S. leidet noch stark unter den
Schmerzen. Er ist bei seinem Arzt in weiterer Behandlung.
Die verdachtsunabhängige Kontrolle gegenüber Menschen die nicht "deutsch"
aussehen, stellt unserer Meinung nach eine rassistische Vorgehensweise
seitens der Polizei dar. Der gestrige gewalttätige Übergriff zeigt,
dass die
Polizei - auch in Göttingen - ohne konkreten Anlass Flüchtlinge und
MigrantInnen oder Menschen die sonstwie für sie "anders aussehen"
überprüft
und sie bei nicht sofortigem Gehorsam oder für die Polizisten scheinbar
unangenehme Fragen in Gewahrsam nimmt. Dass es sich bei dem rassistischen
Polizeiübergriff nicht um ein Einzelphänomäne handelt, sondern um
Alltagserlebnisse von Flüchtlingen und MigrantInnen in Deutschland belegt
auch die im Januar von amnesty international vorgelegte Studie über
rassistische Polizeigewalt in Deutschland.
Anlass für verdachtsunabhängigen Kontrollen bietet oftmals die sogenannte
Residenzpflicht. Diese ist im Ausländergesetzt festgeschrieben und
verpflichtet Flüchtlinge einen ihnen zugewiesen Landkreis nicht zu
verlassen. Bei Verstoss drohen den Flüchtlingen Geldstrafen,
Gefängnisstrafen bis hin zu Abschiebungen. Gegen dieses in Europa
einmalige
rassistische Gesetz wehren sich seit Jahren Flüchtlinge und
Flüchtlingsinitiativen. Anscheinend nehmen die Beamten dabei in Kauf, dass
die kontrollierten Personen schon mal in der Notaufnahme landen.
Von einer Angemessenheit der Mittel kann bei dieser Polizeikontrolle keine
Rede mehr sein. Deshalb hat das Opfer des rassistischen und gewalttätigen
Übergriffs einen Anwalt damit beauftragt gegen die sechs tatbeteiligten
Polizisten Anzeige zu erstatten.
Allerdings ist dem Flüchtling bislang nur ein Name eines beteiligten
Polizeibeamten bekannt, die Namen der anderen fünf Beamten wurden ihm auch
auf Nachfrage von der Polizei verschwiegen.
Wir fordern die Abschaffung aller Sondergesetze für Flüchtlinge und
MigrantInnen und Bewegungsfreiheit - auch für Flüchtlinge im Göttinger
Bahnhof. Wir schließen uns ferner der Forderung von amnesty international
nach einer "unverzüglichen und unparteiischen Untersuchung sämtlicher
Misshandlungsvorwürfe [...] und einer Entschädigung der Opfer" an.
Für weitere Infos stehen wir ihnen gerne zur Verfügung: The Voice
Göttingen
und Kampagne gegen rassistische Polizeigewalt. Ansprechpartner: Cornelius
Yufanyi (Tel.: 0170/8788124).
Aufgrund des rassistischen Polizeiübergriffs rufen wir zu einer
Protestkundgebung auf:
"Stoppt rassistische Polizeigewalt - Stop racist police brutality"
Samstag, 6.3.04 um 12 Uhr am Gänseliesel
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