Berlin: Weinrich-Prozess: 61. Verhandlungstag
Absenter Zeuge
61. Verhandlungstag im Weinrich-Prozeß
Der für heute als Zeuge geladene DST-Mann Riou ist nicht erschienen. Dies teilte der für diese Angelegenheit mittlerweile scheinbar zuständige BKA-Mann Lehmann mit, der auch höchstselbst wieder anwesend war.
Desweiteren verlas der Vorsitzende ein Antwortfax des französischen Ermittlungsrichters Bruguiere, die verschiedenen Versionen des arabischen Textes der Aussage des angeblichen Zeugen Issawi betreffend. Darin verwahrte sich Bruguiere zuallererst gegen die Formulierungen der hiesigen Verteidigung, daß es sich um einen "angeblichen" Zeugen gehandelt habe. Er (Bruguiere) sei schließlich selbst in Amman gewesen und habe dem "Zeugen" schriftliche Fragen stellen können, auch wenn er ihn weder sehen noch sprechen durfte. Etwas verwirrend waren Bruguieres Einlassungen zu den verschiedenen arabischen Textversionen. So widersprach er sich innerhalb seines Faxes selbst über angebliche oder tatsächliche Originale und Kopien, die einerseits Riou in Amman mitgegeben wurden und andererseits auf diplomatischem Wege übersandt wurden. Auf eine der zentralen Fragen der Verteidigung in diesem Zusammenhang, nämlich die Frage, wie Herr Bruguiere einen Text am 15. April übersetzen lassen konnte, den er offiziell erst am 25. April erhalten hatte, ging Monsieur Bruguiere nicht ein.
Vielmehr schrieb Bruguiere, daß die Kopie des arabischen Textes, die Riou aus Amman mitgebracht hat, "vollkommen identisch" mit der auf diplomatischem Wege übersandten Version sei.
In einer kurzen Stellungnahme dazu (eine ausführliche soll folgen) äußerten die Verteidiger ihre Verwunderung über dieses Fax. RA Elfferding stellte fest, daß es Herrn Bruguiere nun offensichtlich doch nicht unmöglich ist, in dieser Angelegenheit Aussagen zu machen (Anm.: Bruguiere hatte es abgelehnt, im Weinrich-Prozeß als Zeuge auszusagen, mit der Begründung, daß er als Ermittlungsrichter zur Geheimhaltung verpflichtet sei).
Im =DCbrigen habe Riou als Zeuge selbst mehrfach betont, daß die Kopie, die ihm in Amman mitgegeben wurde, nicht identisch mit dem auf offiziellem Weg übersandten Exemplar sei. "Da gibt es dann wohl einen Widerspruch zwischen den Aussagen von Riou und Bruguiere" wie Elfferding meinte.
Er verwies zusätzlich auf eine BGH-Entscheidung, die es als unzulässig erklärte, Rechtshilfeersuchen eines Staates an Dritte weiterzuleiten. Schon deshalb wäre die "Aussage" Issawis in Deutschland nicht verwertbar. Eine weitere - von Elfferding zitierte - BGH-Entscheidung, wonach zusammengefaßte schriftliche Aussagen eines Zeuge nicht verwertbar sind (Anm.: Die "Aussage" Issawis ist in Berichts- und nicht in Protokollform erstellt) nannte der Vorsitzende Ehestädt "eine interessante Rechtsproblematik".
Verteidiger Häusler nannte das ganze Verfahren um die angebliche Aussage Issawis "eine Geständniswäsche", mit der man wie bei einer Geldwäsche Aussagen so lange um die Welt schickt, bis "etwas scheinbar Sauberes dabei herausgekommen ist". Der Umstand, daß das französische Rechtshilfeersuchen an Jordanien auf ungarischen Geheimdienstquellen basiere, die über den ostdeutschen Geheimdienst zum westdeutschen Geheimdienst und von dort über den französischen Geheimdienst zum jordanischen Geheimdienst (und wieder zurück) gelangt sei, charakterisiere dies sehr deutlich.
RA Tzschoppe erhob gegen den Teilbeschluß der Kammer, den französischen DST-Mann Descoms (Anm.: Descoms war Mitglied der französischen Ermittlerdelegation in Amman) nicht als Zeugen zu laden eine Gegenvorstellung. Er machte deutlich, daß Aktenteile, die von Descoms signiert sind, im Widerspruch zu Aussagen Rious und schriftlichen Unterlagen Bruguieres stehen. Dies wolle die Kammer aber scheinbar nicht klären.
In einem Antrag wies Tzschoppe anschließend Manipulationen in Aktenteilen des Bereiches "Separat" (Anm.: MfS-Unterlagen über die Carlos-Gruppe) nach und wollte hierzu einen Foto- und Fotokopiesachverständigen geladen wissen. "Auch im Maison de France-Verfahren hat es solche Dinge schon gegeben. Und auch damals konnten BKA-Experten diese Abweichungen nicht erklären" führte Tzschoppe dazu aus. Im Urteil sei dies seinerzeit allerdings nicht berücksichtigt worden.
Nächster Termin: 15.03., 9.30 Uhr, Turmstr. 91, Saal 500
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